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Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BSG 22.05.2023 - B 9 V 3/23 B
BSG 22.05.2023 - B 9 V 3/23 B
Tenor
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Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Stellung des Antrags auf Verlängerung der Begründungsfrist für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Januar 2023 wird abgelehnt.
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Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten LSG-Urteil wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten LSG-Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Mit Urteil vom 12.1.2023 hat das LSG einen Anspruch des Klägers auf einen höheren GdS als 30 wegen schädigender Einwirkungen iS von § 1 Opferentschädigungsgesetz verneint.
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Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 18.1.2023 zugestellte Urteil hat dieser am 20.2.2023 (Montag) Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und angekündigt, eine Begründung nachzureichen. Am 21.3.2023 (Dienstag) hat der Prozessbevollmächtigte beantragt, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu verlängern. Nach Hinweis des Berichterstatters auf den verspäteten Eingang des Fristverlängerungsantrags hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter dem 6.4.2023 Wiedereinsetzung beantragt.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil er sie nicht gemäß § 160a Abs 2 Satz 1 SGG innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils am 18.1.2023 - also bis zum 20.3.2023 (Montag) - begründet hat.
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1. Der vom Prozessbevollmächtigten für den Kläger gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist für den Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist der Nichtzulassungsbeschwerde ist abzulehnen. Denn bei der in § 160a Abs 2 Satz 2 SGG enthaltenen Möglichkeit zur Stellung eines Antrags auf Verlängerung der Begründungsfrist vor deren Ablauf handelt es sich nicht um eine gesetzliche Verfahrensfrist iS von § 67 Abs 1 SGG, in die Wiedereinsetzung gewährt werden könnte (BSG Beschluss vom 27.11.2020 - B 9 V 21/20 B - juris RdNr 7 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH zur entsprechenden Vorschrift in § 116 Abs 3 Satz 4 FGO zB BFH Beschluss vom 9.8.2011 - VIII B 48/11 - juris RdNr 3; BFH Beschluss vom 13.5.2011 - VIII B 120/10 - juris RdNr 3). Die vom Prozessbevollmächtigten zur unverschuldeten Versäumung eines rechtzeitig gestellten Fristverlängerungsantrags dargelegten Gründe sind mangels einer Wiedereinsetzbarkeit in die "Fristverlängerungsfrist" insoweit rechtlich unbeachtlich (vgl BFH Beschluss vom 15.11.2021 - VIII B 23/21 - juris RdNr 12).
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2. Selbst wenn der Senat den vom Prozessbevollmächtigten gestellten Antrag zugleich auch als Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in die Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a Abs 2 Satz 1 SGG) auslegt, kommt eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht.
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Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs 1 und 2 Satz 1 und 2 SGG). Eine Säumnis ist schuldhaft, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist (BSG Beschluss vom 27.11.2020 - B 9 V 21/20 B - juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 28.6.2018 - B 1 KR 59/17 B - SozR 4-1500 § 67 Nr 15 RdNr 7, jeweils mwN). Das Verschulden eines Bevollmächtigten ist dem vertretenen Beteiligten stets wie eigenes Verschulden zuzurechnen (§ 73 Abs 6 Satz 7 SGG iVm § 85 Abs 2 ZPO). Für ein Verschulden von Hilfspersonen des Bevollmächtigten gilt dasselbe dann, wenn dieses vom Bevollmächtigten selbst zu vertreten, also als dessen eigenes Verschulden anzusehen ist. In diesem Sinne ist das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten nicht schuldhaft, wenn er darlegen kann, dass es zu einem Büroversehen gekommen ist, obwohl er alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat (vgl BSG aaO, mwN).
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Die Versäumung der Begründungsfrist kann dabei nicht damit entschuldigt werden, die Verlängerung der Begründungsfrist sei ohne Verschulden zu spät beantragt worden. Bei der in § 160a Abs 2 Satz 2 SGG enthaltenen Möglichkeit zur Stellung eines Antrags auf Verlängerung der Begründungsfrist vor deren Ablauf handelt es sich - wie oben ausgeführt - nicht um eine gesetzliche Verfahrensfrist iS von § 67 Abs 1 SGG. Wenn ein Kläger wegen eines unvermeidlichen Büroversehens in der Sphäre seines Prozessbevollmächtigten ohne Verschulden daran gehindert war, den Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist für seine Beschwerde rechtzeitig an das BSG zu übermitteln, entschuldigt dies nicht deren Versäumung, sondern nur die - insoweit unerhebliche - rechtzeitige Stellung des Verlängerungsantrags (BSG Beschluss vom 27.11.2020 - B 9 V 21/20 B - juris RdNr 7 mwN). Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit eines Antrags auf Verlängerung der Begründungsfrist nach § 160a Abs 2 Satz 2 SGG soll demgegenüber gerade verhindern, dass ein Wiedereinsetzungsantrag insoweit erforderlich werden könnte (BSG aaO).
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Ob der Kläger aus anderen Gründen ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten, kann dahinstehen, weil er jedenfalls die erforderliche Begründung bis heute nicht nachgereicht hat. Nach § 67 Abs 2 Satz 1 und 3 SGG wäre die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde als versäumte Rechtshandlung aber binnen einen Monats nach Wegfall des Hindernisses nachzuholen gewesen. Nach seinen Angaben hat der Prozessbevollmächtigte am 30.3.2023 den Hinweis des Berichterstatters erhalten, dass sein Antrag auf Fristverlängerung beim BSG nach Ablauf der Frist zur Beschwerdebegründung und damit verspätet eingegangen war. Die Beschwerdebegründung wäre daher nach § 67 Abs 2 Satz 1 und 3 iVm § 64 Abs 2 und 3 SGG spätestens bis zum 2.5.2023 (Dienstag) nachzuholen gewesen, was unterblieben ist.
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Einer nachträglichen Entscheidung des Vorsitzenden über den Antrag auf Verlängerung der Frist zur Beschwerdebegründung bedarf es daher nicht (vgl BSG Beschluss vom 17.11.2005 - B 7a AL 234/05 B - juris RdNr 3).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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3. Die nicht fristgerecht begründete Beschwerde ist nach § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Kaltenstein
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