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BSG 27.04.2021 - B 13 R 125/20 B
BSG 27.04.2021 - B 13 R 125/20 B - Sozialgerichtsverfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - tatrichterliche Sachaufklärungspflicht - weitere Beweiserhebung bei Vorliegen bereits mehrerer Fachgutachten
Normen
§ 103 S 1 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Gelsenkirchen, 11. Februar 2019, Az: S 24 R 150/19, Beschluss
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 13. März 2020, Az: L 14 R 150/19, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. März 2020 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Mit Urteil vom 13.3.2020 hat das LSG Nordrhein-Westfalen einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung verneint.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 20.7.2020 begründet hat.
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II. 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen. Die Beschwerdebegründung genügt nicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form. Der Kläger hat darin den ausschließlich geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet.
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Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels zunächst die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.10.2010 - B 12 KR 2/10 B - juris RdNr 5; jüngst BSG Beschluss vom 9.12.2019 - B 13 R 259/19 B - juris RdNr 4). Zu beachten ist, dass der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Berufungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Den daraus abgeleiteten Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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Der Kläger rügt einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 103 Satz 1 Halbsatz 1 SGG), indem das LSG seinem mit Schriftsatz vom 14.10.2019 gestellten und in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG wiederholten Antrag nicht gefolgt sei, ein Sachverständigengutachten auf schmerzmedizinischem Gebiet sowie im Sinne eines sog Obergutachtens ein Sachverständigengutachten auf neurologisch-psychiatrischem oder internistischem Gebiet durch einen Gutachter mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet des Herpes Zoster einzuholen. Für den Vorhalt, das Berufungsgericht habe seine Verpflichtung zur Amtsermittlung verletzt, bestehen spezifische Darlegungsanforderungen. Diese Verfahrensrüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das Berufungsgericht nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des Berufungsgerichts auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das Berufungsgericht mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - juris RdNr 6 mwN; jüngst BSG Beschluss vom 28.11.2019 - B 13 R 169/18 B - juris RdNr 4). Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG ferner die Darlegung, dass ein - wie der Kläger - bereits in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 21.2.2018 - B 13 R 28/17 R, B 13 R 285/17 B - juris RdNr 14 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
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a) Soweit der Kläger die unterlassene Einholung eines Sachverständigengutachtens auf schmerztherapeutischem Fachgebiet rügt, fehlt es schon an der hinreichenden Darlegung, was dieses voraussichtlich ergeben hätte. Wie er selbst anführt, hätten das SG und das LSG Beweis zu den medizinischen Tatbestandsvoraussetzungen des § 43 SGB VI erhoben. Dabei sei auch zu den Auswirkungen der bestehenden Schmerzerkrankung auf sein Leistungsvermögen ermittelt worden. So habe das SG ein neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten durch K vom 16.6.2016 eingeholt, der ua eine somatoforme Schmerzstörung bei Symptomfixierung vorgefunden habe. Die Fachärztin für Innere Medizin, Zusatzbezeichnung Psychotherapie, B, von der auf seinen Antrag hin ein Sachverständigengutachten vom 2.1.2017 eingeholt worden sei, habe ua ein chronisches Schmerzsyndrom mit physischen und psychischen Faktoren sowie eine posthepetogene Neuralgie festgestellt und Ausführungen zu beim Kläger blitzartig auftretenden Schmerzen gemacht. Das SG habe zudem ein Sachverständigengutachten durch den Neurologen und Psychiater Z vom 5.10.2017 eingeholt. Dieser habe im Berufungsverfahren auf Anforderung des LSG eine ergänzende Stellungnahme vom 26.8.2019 abgegeben. Vor diesem Hintergrund hätte es dem Kläger oblegen darzutun, welche konkreten Ergebnisse ein Sachverständigengutachten durch einen auf dem Gebiet der speziellen Schmerzmedizin weitergebildeten Facharzt erbracht und wie sich diese auf die Entscheidung des LSG ausgewirkt hätten. Hieran fehlt es. Sein Vorbringen, aufgrund der Komplexität des bei ihm ua von der Sachverständigen B festgestellten Neuralgie nach Zoster (Post-Zoster-Neuralgie) sei auch ein schmerzmedizinisches Gutachten unabdingbar, reicht insoweit nicht aus. Indem er vorbringt, das LSG würdige die spezifische Qualität der sog Zosterschmerzen nicht ausreichend, verkenne die von B beschriebene Verschlimmerung seines Leidens und habe seine Feststellungen insgesamt unter Verstoß gegen Denkgesetze getroffen, rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung der Grenzen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde - anders als die Revision selbst - von vornherein nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Dass der Kläger die Entscheidung des LSG offensichtlich für unzutreffend hält, kann ebenfalls nicht zur Revisionszulassung führen (stRspr; vgl zuletzt etwa BSG Beschluss vom 24.3.2021 - B 13 R 14/20 B - juris RdNr 13 mwN).
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b) Ebenfalls nicht anforderungsgerecht bezeichnet ist der geltend gemachte Verfahrensmangel wegen Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht, soweit der Kläger das Übergehen seines Antrags auf Einholung eines (weiteren) neurologisch-psychiatrischen oder internistischen Sachverständigengutachtens rügt. Insoweit hat er jedenfalls nicht hinreichend dargetan, dass sich das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt sehen müssen. Ausgehend von seinen Mitteilungen in der Beschwerdebegründung haben dem LSG bereits drei Sachverständigengutachten und eine ergänzende Stellungnahme betreffend das ihm verbliebene Leistungsvermögen vorgelegen. Nach der Einschätzung des Sachverständigen K könne der Kläger mit gewissen qualitativen Leistungseinschränkungen im Umfang von mehr als sechs Stunden arbeitstäglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Die Sachverständige B habe ein aufgehobenes Leistungsvermögen angenommen. Der Sachverständige Z habe sich der Einschätzung des Sachverständigen K angeschlossen und sei in seiner ergänzenden Stellungnahme hierbei geblieben. Liegen - wie hier - bereits mehrere, sich teilweise widersprechende Gutachten vor, ist das Tatsachengericht nur ausnahmsweise zu einer weiteren Beweiserhebung verpflichtet. Denn es besteht kein allgemeiner Anspruch auf Überprüfung eines oder mehrerer Sachverständigengutachten durch ein sog Obergutachten (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 23.5.2006 - B 13 RJ 272/05 B - juris RdNr 5, 11; BSG Beschluss vom 24.5.2017 - B 3 P 6/17 B - juris RdNr 13). Vielmehr ist es Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Rahmen der Beweiswürdigung mit einander entgegenstehenden Gutachten auseinanderzusetzen. Hält das Gericht eines oder einige von mehreren Gutachten für überzeugend, darf es sich diesen grundsätzlich anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einholen zu müssen. Die Würdigung unterschiedlicher Gutachtenergebnisse gehört - wie die anderer sich widersprechender Beweisergebnisse - zur Beweiswürdigung selbst (vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 8; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 8). Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum. Zu weiteren Beweiserhebungen ist das Tatsachengericht nur dann verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 9; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 9). Das wird in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargetan.
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Soweit der Kläger insbesondere das Gutachten von K als grob mangelhaft erachtet, verweist er zwar darauf, dass im Rahmen der dortigen Begutachtung keine Laboruntersuchung durchgeführt worden sei. Aus dem Gesamtzusammenhang seines Vorbringens kann jedoch nicht entnommen werden, dass die - in der Beschwerdebegründung nicht weiter umschriebene - Laboruntersuchung unabdingbar notwendig sei, weil sich sein Leistungsvermögen nicht belastbar allein aufgrund der von K durchgeführten - in der Beschwerdebegründung nicht mitgeteilten - Untersuchung und Befragung sowie der ihm vorliegenden Befunde beurteilen lasse. Das pauschale Vorbringen, K habe sich nur oberflächlich mit der Zoster-Erkrankung befasst und seine Untersuchung habe lediglich 25 Minuten gedauert, reicht insoweit nicht aus. Das gilt umso mehr, als der Kläger selbst mitteilt, in der Gerichtsakte hätten sich Unterlagen des behandelnden Dermatologen und des Hausarztes befunden, aus denen sich die Erstbehandlung sowie das Vorliegen eines Zosters ergeben würden. Indem der Kläger die von K dazu geäußerte Einschätzung als nicht nachvollziehbar beschreibt, wendet er sich wiederum gegen die Beweiswürdigung des LSG, dass ua dieser Einschätzung gefolgt ist. Darauf lässt sich eine Revisionszulassung wie ausgeführt nicht stützen.
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Mit seinem Vorbringen zu den sachverständigen Einschätzungen von K und Z hat der Kläger auch nicht etwa deren fehlende Sachkunde anforderungsgerecht dargetan. Zweifel an der Sachkunde oder Unabhängigkeit eines Gutachters müssen sich aus dem Gutachten selbst ergeben oder es muss sich um besonders schwierige Fachfragen handeln, die ein spezielles, bei den bisherigen Gutachtern nicht vorausgesetztes Fachwissen erfordern (BSG Beschluss vom 20.5.2020 - B 13 R 49/19 B - juris RdNr 12 mwN). Solche Umstände hat der Kläger nicht schlüssig aufgezeigt, indem er den Sachverständigen ua wegen der nicht (K) bzw nicht erneut (Z) durchgeführten Laboruntersuchung, der Untersuchungsdauer (K) und der vom Kläger nicht geteilten Diagnose ein unzureichendes Wissen über eine Zoster-Erkrankung bescheinigt.
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Soweit der Kläger vorbringt, die Sachverständigen K und Z seien von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgegangen, ist sein Vortrag schon nicht schlüssig. Er bringt zwar vor, das LSG stütze sich als zeitlich letztes Gutachten auf dasjenige des Sachverständigen K vom 16.6.2016. Diesem sei naturgemäß weder der nachfolgende Aufhebungsvertrag des Klägers mit dem früheren Arbeitgeber bekannt gewesen noch der Laborbefund vom 18.11.2016, aufgrund dessen die Sachverständige B von einer Reaktivierung der Zoster-Erkrankung ausgehe. Gleichzeitig ergibt sich aber aus dem Gesamtvorbringen des Klägers, dass das LSG seine Feststellungen auch aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Z vom 5.10.2017 sowie dessen ergänzender Stellungnahme vom 26.8.2019 getroffen habe. Dass Z die genannten Informationen und Befunde nicht vorgelegen hätten, ist nicht dargetan. Der Kläger führt im Gegenteil an, Z habe sich zu der von B diagnostizierten Neuralgie nach Zoster geäußert. Dass der Kläger die vom LSG vorgenommene Würdigung der sich widersprechenden Sachverständigenausführungen offensichtlich nicht teilt, vermag eine Revisionszulassung wie ausgeführt nicht zu stützen.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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