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BSG 13.05.2020 - B 13 R 35/20 B
BSG 13.05.2020 - B 13 R 35/20 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Erfüllung der Formerfordernisse für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten durch eine von einem De-Mail-Konto aus versandte Nachricht ohne qualifizierte elektronische Signatur
Normen
§ 65a Abs 1 SGG, § 65a Abs 3 SGG, § 65a Abs 4 Nr 1 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 1 SGG, § 117 ZPO, § 4 Abs 1 S 2 De-Mail-G, § 5 Abs 5 De-Mail-G, § 9 Abs 1 S 1 De-Mail-G
Vorinstanz
vorgehend SG Berlin, 17. Juli 2018, Az: S 14 R 1244/17, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 11. Dezember 2019, Az: L 27 R 628/18, Urteil
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Dezember 2019 - L 27 R 628/18 - Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines noch zu benennenden Rechtsanwalts zu gewähren, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Mit Urteil vom 11.12.2019 hat das LSG dahinstehen lassen, ob der Kläger die Erstattung seiner Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie die Verzinsung des geltend gemachten Erstattungsanspruchs beanspruchen könne, weil seine hierauf gerichtete Klage wegen Versäumnis der Klagefrist bereits unzulässig sei.
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Das Urteil ist der Bevollmächtigten des Klägers am 21.12.2019 zugestellt worden. Am 20.1.2020 um 23.51 Uhr ist beim BSG eine E-Mail der Mutter der Bevollmächtigten mit dem Betreff "PKH - Nichtzulassungsbeschwerde" eingegangen, die von deren De-Mail-Konto aus versandt worden ist. Die Mutter der Bevollmächtigten hat vorgebracht "eingesprungen" zu sein, weil nur sie über ein De-Mail-Konto verfüge; bevollmächtigt sei weiterhin die bisherige Bevollmächtigte. Der E-Mail ist eine nicht gesondert signierte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers angehängt gewesen.
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II. 1. Der Senat wertet die E-Mail vom 20.1.2020 als Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 160a SGG stellt den einzig in Betracht kommenden Rechtsbehelf gegen das ersichtlich angegriffene Berufungsurteil dar. Den zugleich gestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) legt der Senat entsprechend dahin aus, dass er auf die Bewilligung von PKH für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unter Beiordnung eines noch zu benennenden Rechtsanwalts gerichtet ist.
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2. Es kann offenbleiben, ob die angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde hinreichende Erfolgsaussichten iS von § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO bietet. PKH ist dem Kläger schon deswegen nicht zu bewilligen, weil kein wirksamer PKH-Antrag vorliegt. Mit der Ablehnung des PKH-Antrags entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
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Für die Bewilligung von PKH und die damit verbundene Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision ist nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes Voraussetzung, dass der PKH-Antrag nebst der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen auf dem dafür vorgeschriebenen Erklärungsformular (§ 117 Abs 2 bis 4 ZPO) bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden. Innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist (§ 160a Abs 1 Satz 2 SGG), die vorliegend am 21.1.2020 abgelaufen ist, hat der Kläger keinen formwirksamen PKH-Antrag gestellt. In Ermangelung eines wirksamen PKH-Antrags kommt es nicht entscheidend darauf an, dass der Kläger zudem die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht unterschrieben hat, wie es die als Anlage zur Prozesskostenhilfeformularverordnung vom 6.1.2014 (BGBl I 34) erlassenen Ausfüllhinweise unter Buchstabe K vorsehen (vgl dazu, dass eine fehlende Unterschrift unschädlich ist, wenn feststeht, von wem die Erklärung stammt, BGH Beschluss vom 10.7.1985 - IVb ZB 47/85 - NJW 1986, 62; zur Unschädlichkeit unvollständiger PKH-Unterlagen allgemein BGH Beschluss vom 19.11.2008 - IV ZB 38/08 - juris RdNr 10 mwN).
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a) In der E-Mail vom 20.1.2020 liegt kein formwirksamer PKH-Antrag.
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Der PKH-Antrag ist beim Prozessgericht schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle zu stellen (§ 73 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 117 Abs 1 Satz 1 ZPO). Nach § 65a Abs 1 SGG kann anstelle des schriftlich einzureichenden Antrags ein elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht werden. Dieses muss entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden (§ 65a Abs 3 Alt 1 SGG) oder signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (§ 65a Abs 3 Alt 2 SGG). Eine einfache E-Mail genügt dem nicht (Senatsbeschluss vom 9.5.2017 - B 13 R 113/17 B - juris RdNr 2; BSG Beschluss vom 4.7.2018 - B 8 SO 44/18 B - juris RdNr 5), was dem Kläger und seiner Bevollmächtigten offensichtlich bekannt ist. Aber auch eine von einem De-Mail-Konto aus versandte Nachricht erfüllt nicht in jedem Fall die Formerfordernisse für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten. Wird wie vorliegend eine E-Mail von einem De-Mail-Konto aus versandt, die nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist, liegt der dann erforderliche sichere Übertragungsweg iS von § 65a Abs 3 Alt 2 SGG nur vor, wenn erstens der Absender bei Versand der Nachricht sicher iS von § 4 Abs 1 Satz 2 De-Mail-Gesetz angemeldet ist und er sich zweitens die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs 5 De-Mail-Gesetz bestätigen lässt (§ 65a Abs 3 Alt 2 iVm Abs 4 Nr 1 SGG).
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Die E-Mail vom 20.1.2020 ist jedoch versandt worden, ohne dass der De-Mail-Anbieter (vorliegend: T-Online) die sichere Anmeldung bestätigt hat. Das ergibt sich aus der Bestätigungsnachricht des Anbieters, die zugleich mit der E-Mail beim BSG eingegangen ist. Um die notwendige Bestätigung zu erlangen, hätte die Mutter der Bevollmächtigten eine besondere Versandart wählen müssen, die bei ihrem Anbieter unter dem Namen "Absenderbestätigung" angeboten wird und die in aller Regel ein zusätzliches Entgelt anfallen lässt.
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Von den dargelegten Formerfordernissen kann selbst dann nicht abgesehen werden, wenn sich aus der übermittelten Nachricht die Urheberschaft und der Wille, das elektronische Dokument in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergibt (BSG Beschluss vom 22.2.2017 - B 1 KR 19/16 S - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 4.7.2018 - B 8 SO 44/18 B - juris RdNr 5). Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob die E-Mail vom 20.1.2020 und die Begleitumstände bereits ausreichend sicher erkennen lassen, dass diese Nachricht mit dem Willen des Klägers versandt worden ist.
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Der Kläger ist in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils auch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die elektronische Form nur durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewährt wird, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und entweder von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 65a Abs 4 SGG eingereicht worden ist. Lediglich ergänzend macht der Senat darauf aufmerksam, dass die Anbieter von De-Mail-Diensten gesetzlich verpflichtet sind, ihre Kunden auf die Rechtsfolgen der Nutzung dieser Dienste hinzuweisen (§ 9 Abs 1 Satz 1 De-Mail-Gesetz). In der aktuellen Fassung des Informationsblattes des Anbieters, dessen Dienste die Mutter der Bevollmächtigten nutzt, heißt es dazu beispielsweise: "Bitte beachten Sie, dass die De-Mail alleine für sich nicht das gesetzliche Schriftformerfordernis erfüllt … Ausnahme: … Bei … Versendung eines elektronischen Dokuments an die jeweilige Behörde mit der Versandart "Absenderbestätigung" (Ziff 2.1.3). Hierzu wird erläutert: "…Möchten Sie De-Mails mit erhöhter Beweiswirkung versenden, dann stehen Ihnen hierfür die Versandoptionen … oder "Absenderbestätigung" (§ 5 Abs 5 De-Mail-Gesetz) zur Verfügung" (Ziff 2.1.2).
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b) Eine weiterer, gegebenenfalls formwirksamer PKH-Antrag ist bis zum Ablauf der Beschwerdefrist nicht beim BSG eingegangen. Anhaltspunkte für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) sind insoweit nicht ersichtlich. Ein Hinweis in Erfüllung der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts (vgl BSG Beschluss vom 9.5.2018 - B 12 KR 26/18 B - SozR 4-1500 § 65a Nr 4 RdNr 10f) auf die Formunwirksamkeit des mittels E-Mail vom 20.1.2020 eingereichten Antrags hätte die Bevollmächtige des Klägers nicht mehr vor Fristablauf erreicht (vgl hierzu BSG Beschluss vom 20.12.2011 - B 4 AS 161/11 B - juris RdNr 9 mwN), denn aufgrund des Übersendungszeitpunkts gelangte diese Nachricht erst am 21.1.2020 und damit am letzten Tag der Beschwerdefrist in den Geschäftsgang des BSG.
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3. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig und daher durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG). Sie ist jedenfalls formunwirksam. Schon die Beschwerdeschrift muss von einem vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 iVm Abs 2 SGG) eingereicht werden. Hierauf ist der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils auch hingewiesen worden. Der Senat sieht gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG von einer weiteren Begründung ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
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