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BSG 19.07.2017 - B 5 RE 29/16 B
BSG 19.07.2017 - B 5 RE 29/16 B - Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung - Ausübung einer approbationspflichtigen heilkundlichen Tätigkeit
Normen
§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 4 S 1 SGG, § 162 SGG, § 169 SGG, BÄO, § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6
Vorinstanz
vorgehend SG Köln, 27. Februar 2015, Az: S 30 R 65/13
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 30. September 2016, Az: L 4 R 238/15, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. September 2016 wird als unzulässig verworfen.
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Die Beklagte hat dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. deren Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Gründe
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Mit Urteil vom 30.9.2016 hat das LSG Nordrhein-Westfalen einen Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI für seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 3. in der Zeit vom 9.3.2012 bis 31.1.2014 bejaht.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Beklagte Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.
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Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.
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Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
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das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder
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ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).
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Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
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Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff).
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Die Beklagte misst folgender Frage grundsätzliche Bedeutung bei:
"Ist die Frage, ob ein Arzt in seiner konkreten Tätigkeit den ärztlichen Beruf ausübt und insoweit im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI 'wegen' der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für die er die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht beantragt, Pflichtmitglied einer berufsständischen Kammer und der zugehörigen Versorgungseinrichtung ist, nicht nur anhand der jeweiligen landesrechtlichen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen, sondern auch nach Maßgabe des bundesrechtlichen Berufsrechts - insbesondere §§ 1 Abs. 1, 2a, 2 Abs. 1 und Abs. 5 Bundesärzteordnung (BÄO) - zu beurteilen mit der Folge, dass eine Befreiung nur bei Ausübung einer approbationspflichtigen heilkundlichen Tätigkeit in Betracht kommt?"
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Mit dieser Formulierung wird die Beklagte bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Die von ihr aufgeworfene Frage ist nicht hinreichend bestimmt.
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Sie lässt nicht erkennen, ob die Beklagte eine unmittelbare Anwendbarkeit der Vorschriften der Bundesärzteordnung (BÄO) oder aber die Zulässigkeit ihrer Heranziehung bei der Auslegung der jeweiligen landesrechtlichen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen im Rahmen des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI geklärt wissen möchte.
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Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl § 162 SGG) ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181).
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Obwohl es nicht Aufgabe des Senats ist, den Vortrag der Beklagten darauf zu analysieren, ob sich ihm eventuell eine eindeutige Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48), sei darauf hingewiesen, dass die weiteren Ausführungen der Beklagten ebenfalls nicht eindeutig klarstellen, welche konkrete Rechtsfrage in einem sich anschließenden Revisionsverfahren zu beantworten ist.
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Auf Seite 11 der Beschwerdebegründung führt die Beklagte unter Ziff 2.1.d aus, dass die jeweils fragliche Erwerbstätigkeit - im Sinne eines ersten Prüfungsschritts - zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und gleichzeitig in der berufsständischen Versorgung führen müsse. Die Frage, ob ein Arzt wegen seiner Beschäftigung bei seinem Arbeitgeber Pflichtmitglied der berufsständischen Versorgungseinrichtung sei, müsse ihrer Meinung nach in jedem Einzelfall auf der Grundlage des bundesrechtlichen Berufsrechts - der BÄO - geklärt werden. Auf Seite 12 der Beschwerdebegründung heißt es: In einem zweiten Prüfungsschritt sei zu klären, ob für die Ausübung der infrage stehenden Tätigkeit die Approbation (wie § 2a BÄO für das Führen der Berufsbezeichnung "Arzt" voraussetzt) objektiv erforderlich sei. Nur in diesem Fall bestehe die Pflichtmitgliedschaft in der Kammer "wegen" der Tätigkeit. Auf Seite 13 der Beschwerdebegründung erklärt die Beklagte unter Ziff 2.1.d, dass die landesrechtlichen Vorschriften des Kammerrechts auf der Ebene des zweiten Prüfungsschritts ihrer Ansicht nach keine Rolle spielten. Allein die Heranziehung der BÄO entspreche dem Charakter von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI als eng auszulegender Befreiungsvorschrift. Der gegenüber den kammer- und versorgungsrechtlichen Vorschriften abweichende Schutzzweck des Befreiungsrechts rechtfertige und erfordere eine engere Definition der ärztlichen Tätigkeit.
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Nach diesen Einlassungen, insbesondere auf Seite 11, geht die Beklagte offensichtlich davon aus, dass im Rahmen des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI die landesrechtlichen kammer- und versorgungsrechtlichen Vorschriften nicht nur nicht im zweiten Prüfungsschritt, sondern überhaupt nicht zu berücksichtigen seien und vielmehr "allein" die BÄO herangezogen werden müsse.
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Die aufgeworfene Rechtsfrage will dagegen klären lassen, ob die Frage des Befreiungsrechts eines Arztes nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI "nicht nur anhand der jeweiligen landesrechtlichen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen, sondern auch nach Maßgabe des bundesrechtlichen Berufsrechts … zu beurteilen" ist. In diesem Sinne formuliert die Beklagte auch auf Seite 14 unter Ziff 2.2 der Beschwerdebegründung, wenn sie darauf hinweist, dass die aufgeworfene Rechtsfrage die Klärung anstrebe, ob im Hinblick auf die verschiedenen Zielsetzungen von Kammer- und Befreiungsrecht "daneben" selbständig und nicht etwa in Form der bloßen Auslegung landesrechtlicher Vorschriften die bundesrechtliche BÄO heranzuziehen sei.
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Der letzte Satz (ähnlich wie die Ausführungen auf Seite 16 der Beschwerdebegründung unter Ziff 3.1) erläutert im Übrigen zwar, dass es der Beklagten - was der Rechtsfrage selbst nicht zu entnehmen ist - nicht um eine Anwendung des bundesrechtlichen Berufsrechts der Ärzte im Rahmen landesrechtlicher Vorschriften, sondern um eine unmittelbare Anwendung dieses Rechts in § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI geht. Diese Erklärungen tragen aber gleichwohl nicht zum hinreichend deutlichen Verständnis der zu klärenden Rechtsfrage bei, weil sie nicht mit den Ausführungen auf Seite 11 bis 13 der Beschwerdebegründung vereinbar sind, nach denen "allein" auf die BÄO abgestellt werden müsse.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass sich die Beigeladene zu 1. mit ihrem Antrag, die Nichtzulassungsbeschwerde zu verwerfen, am Kostenrisiko beteiligt hat und erfolgreich gewesen ist (vgl zur Erstattungsfähigkeit der Kosten von Beigeladenen BSG SozR 4-4200 § 7 Nr 5 RdNr 18).
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