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BSG 17.02.2016 - B 6 KA 38/15 B
BSG 17.02.2016 - B 6 KA 38/15 B - Vertragsärztliche Versorgung - Kassenärztliche Vereinigung - Honorarvereinbarung mit zuständigem Landesverband der Betriebskrankenkassen - Berücksichtigung von Wohnsitzausländern - Bindung der jeweiligen BKK an Vereinbarung - Honorarstreitigkeit - keine notwendige Beiladung der Krankenkassenverbände
Normen
§ 85 Abs 3 S 1 SGB 5 vom 14.11.2003, § 85 Abs 4 SGB 5 vom 26.03.2007, § 87a Abs 3 S 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 75 Abs 2 Alt 1 SGG
Vorinstanz
vorgehend SG Hamburg, 17. Juli 2013, Az: S 27 KA 56/11, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Hamburg, 1. April 2015, Az: L 5 KA 58/13, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 1. April 2015 wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
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Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 71 062 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Im Streit steht die Frage, ob Wohnsitzausländer bei der Berechnung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) zu berücksichtigen sind.
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Die Klägerin - eine Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) - begehrt von der beklagten Krankenkasse (KK) die Zahlung höherer Gesamtvergütungen für die Quartale I/2009 bis IV/2012 unter Einbeziehung der Anzahl derjenigen Versicherten der Beklagten, die ihren Wohnsitz im Ausland hatten ("Wohnsitzausländer"). Das SG hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, mit der in den jeweiligen Honorarvereinbarungen vereinbarten Verwendung der Satzart "ARZTRG87c4" bzw "ANZVER87c4" liege eine ausreichende Verständigung über die Art und Höhe der Gesamtvergütung für Wohnsitzausländer vor (Urteil des SG vom 17.7.2013). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil des LSG vom 1.4.2015). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, nach § 2 Abs 3 der "Vereinbarung zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Wohnortprinzips" (Anlage 14 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte - BMV-Ä) hätten sich die Partner der Gesamtverträge im Bereich der KÄV, in deren Bezirk die KK ihren Sitz hat, über Art und Höhe der Gesamtvergütung zu verständigen, sofern ein Mitglied der KK, die Verträge nach § 83 Abs 1 Satz 1 SGB V geschlossen hat, seinen Wohnsitz im Ausland hat. Eine derartige Verständigung sei nicht zustande gekommen. Zwar könne eine solche Verständigung auch darin liegen, dass sich die Beteiligten auf ein bestimmtes Vorgehen bei der Berechnung der Versichertenzahl einigten: So könne die Vereinbarung einer bestimmten Satzart genügen, wenn damit Wohnsitzausländer eindeutig (mit)einbezogen würden. Dies sei aber hier nicht der Fall. Die nach Anlage 3 der Honorarvereinbarung 2010 für den Leistungsbedarf maßgebliche Satzart "ARZTRG87c4" und die für die Übermittlung der Versichertenzahl vorgesehene Satzart "ANZVER87c4", die in den Anlagen 2 und 3 zum Beschluss des Bewertungsausschusses aus seiner 154. Sitzung beschrieben seien, seien insoweit gerade nicht eindeutig.
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Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG), Rechtsprechungsabweichungen (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) sowie Verfahrensmängel (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend.
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II. Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Soweit sie nicht bereits unzulässig ist, ist sie jedenfalls unbegründet.
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1. Soweit die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist ihre Beschwerde unzulässig, denn ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Darlegungsanforderungen. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss danach in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet (vgl BVerfGE 91, 93, 107 = SozR 3-5870 § 10 Nr 5 S 31 f; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 37 f) und ausgeführt werden, inwiefern diese Rechtsfrage in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich (klärungsfähig) sowie klärungsbedürftig ist. Es muss ersichtlich sein, dass sich die Antwort nicht ohne Weiteres aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt. Bei einer Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde ist es Aufgabe des Prozessbevollmächtigten, die einschlägige Rechtsprechung aufzuführen und sich damit zu befassen; eine Beschwerdebegründung, die es dem Gericht überlässt, die relevanten Entscheidungen zusammenzusuchen, wird den Darlegungserfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht gerecht. Auch lediglich kursorische Hinweise ohne Durchdringung des Prozessstoffs reichen nicht aus (vgl BVerfG <Kammer>, DVBl 1995, 35). Dem wird die Beschwerde der Klägerin nicht gerecht.
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Soweit die Klägerin die Rechtsfrage aufwirft,
ob "eine einzelne Krankenkasse berechtigt ist, eigenmächtig von den für sie verpflichtend durch den die Krankenkasse in den Vertragsverhandlungen vertretenden zuständigen Landesverband geschlossenen Honorarvereinbarungen nach § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V - hinsichtlich der getroffenen Einigung zur Berücksichtigung der Wohnsitzausländer - abzuweichen",
legt sie bereits nicht ausreichend dar, wieso diese Frage klärungsbedürftig ist. Es steht nach der Rechtsprechung des Senats außer Zweifel, dass eine KK an die von ihrem Landesverband geschlossenen Vereinbarungen gebunden ist, sofern diese nicht ausnahmsweise nichtig sind (vgl BSGE 95, 141 RdNr 10 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 4 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 83 Nr 5 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 72 RdNr 18). Warum "hinsichtlich der getroffenen Einigung zur Berücksichtigung der Wohnsitzausländer" etwas anderes gelten könnte bzw solches der Klärung bedürfte, legt die Klägerin weder dar noch ist dies erkennbar.
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Soweit die Klägerin die Rechtsfrage aufwirft,
"wo die richterliche Kontrolle bei zwischen einer KÄV und den KK nach § 87a Abs 3 SGB V geschlossenen Honorarvereinbarungen als Teil der Gesamtverträge endet und wann ein Eingriff des Gerichts in den Grundsatz der Gestaltungsfreiheit vorliegt, wenn das Gericht die zwischen den Vertragspartnern der Gesamtverträge getroffene Einigung zur Berücksichtigung der Wohnsitzausländer durch Verständigung auf eine bestimmte Satzart abändert",
ist diese in ihrer Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Zudem geht die Frage am Streitgegenstand vorbei, weil sie eine Einigung der Gesamtvertragspartner über die Berücksichtigung der Wohnsitzausländer unterstellt, obwohl gerade die Frage, ob dies der Fall ist, den Schwerpunkt des Rechtsstreits gebildet hat, und die Frage vom LSG negativ beantwortet wurde.
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Eine Zulässigkeit der Beschwerde ergibt sich insoweit auch nicht unter Einbeziehung der weiteren Ausführungen der Klägerin. Wenn sie - ergänzend - ausführt, zu klären sei die Frage, wer eine solche Einigung über die Berücksichtigung von Wohnsitzausländern bei der Berechnung der MGV herbeiführen könne, geht auch dies am Kern des Rechtsstreits vorbei, weil überhaupt nicht strittig ist, dass diese Klärung durch die regionalen Vertragspartner herbeizuführen ist (§ 2 Abs 3 der Anlage 14 zum BMV-Ä). Es wäre daher Sache der Klägerin gewesen, mit der Beklagten eine solche Verständigung herbeizuführen bzw im Falle einer Nichteinigung das Schiedsamt nach § 89 SGB V anzurufen, soweit die in § 2 Abs 3 der Anlage 14 zum BMV-Ä schiedsamtsfähig ist, was hier nicht weiter geklärt werden kann.
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2. Soweit die Klägerin Rechtsprechungsabweichungen geltend macht, ist ihre Beschwerde ebenfalls unzulässig. Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Divergenzrüge ist, dass Rechtssätze aus dem LSG-Urteil und aus einer höchstrichterlichen Entscheidung einander gegenübergestellt werden und dargelegt wird, dass sie nicht miteinander vereinbar sind und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht. Dabei ist der jeweils aktuelle Stand der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde maßgebend (vgl dazu zB BSG SozR 1500 § 160 Nr 61; BSG Beschluss vom 23.4.2008 - B 6 KA 47/07 B - jeweils mwN).
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Die Klägerin stellt bereits keine (divergierenden) Rechtssätze des BSG und des LSG gegenüber. Angesichts dessen bleibt unklar, worin die Klägerin eine Abweichung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des BSG zu erblicken meint. Dass die beklagte KK an die von der Klägerin mit den Landesverbänden der KKn geschlossenen Gesamtvergütungsvereinbarung gebunden ist, hat das LSG nicht in Frage gestellt. Dazu hatte es auch gar keine Veranlassung, weil im Fokus des Rechtsstreits die Frage stand, ob es überhaupt eine Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrten Zahlungen gibt. Dies hat das LSG verneint, sodass sich die Frage einer Bindung an eine - nicht getroffene - Vereinbarung von vornherein nicht gestellt hat. Fehl geht daher auch ihr Hinweis auf die den Partnern der Gesamtvergütungsvereinbarung vom BSG eingeräumten Gestaltungsfreiheit. Diese würde nur dann relevant, wenn die Vertragspartner überhaupt eine Regelung getroffen hätten; dies war aber - aus der Sicht des LSG - gerade nicht der Fall.
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3. Eine Revisionszulassung kommt auch nicht wegen Verfahrensmängeln in Betracht.
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Soweit die Klägerin einen Verfahrensmangel darin sieht, dass das LSG eine notwendige Beiladung der Partner der Gesamtvergütungsvereinbarung auf Kassenseite unterlassen hat, ist ihre Beschwerde jedenfalls unbegründet, weil es einer solchen Beiladung nicht bedurft hat. Nach § 75 Abs 2 1. Alt SGG sind Dritte dann, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derartig beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, (notwendig) zum Verfahren beizuladen. Diese Voraussetzungen liegen dann, wenn in einem Rechtsstreit zwischen einer KK und einer KÄV über die Höhe der zu zahlenden Gesamtvergütung eine Auslegung des Inhalts der Gesamtvergütungsvereinbarung erforderlich ist, nicht vor.
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Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Notwendigkeit einer Beiladung der Krankenkassenverbände als Vertragspartner der Honorarverteilung (nach dem bis zum 31.12.2011 geltenden Recht) in vertragsärztlichen Honorarstreitigkeiten verneint (vgl BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 66 RdNr 14). Allein der Gesichtspunkt, dass es in einem Rechtsstreit auf den Inhalt, die Auslegung oder die Wirksamkeit der (Honorarverteilungs-)Regelung ankommt, führt nicht dazu, dass die Entscheidung gegenüber den an der Normsetzung Beteiligten nur einheitlich ergehen kann und deren Beiladung in jedem Vergütungsrechtsstreit deshalb notwendig wird (BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 66 RdNr 14 mwN; ebenso BSG Urteil vom 29.6.2011 - B 6 KA 20/10 R - RdNr 11 - Juris = MedR 2012, 413). Für die nach § 85 Abs 3 Satz 1 SGB V bzw § 87a Abs 3 Satz 1 SGB V zu schließenden Gesamtvergütungsvereinbarungen gilt nichts anderes. Auch insoweit hat der Senat lediglich eine einfache, nicht jedoch eine notwendige Beiladung des zuständigen Landesverbandes für erforderlich erachtet (BSGE 95, 141 RdNr 5 f = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 13 f - zu einem zwischen einer KK und einer KÄV geführten Streit über die Höhe der Gesamtvergütung).
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Dass dann, wenn inzident die Auslegung einer Gesamtvergütungsvereinbarung im Streit steht, eine einfache Beiladung der Vertragspartner regelmäßig sinnvoll ist, ist vorliegend nicht relevant, denn das Unterlassen einer einfachen Beiladung stellt keinen Verfahrensfehler dar (stRspr des Senats, vgl BSGE 95, 141 RdNr 6 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 39 RdNr 28-29; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 66 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 25 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 121a Nr 3 RdNr 12).
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Soweit die Klägerin offenbar auch darin einen Verfahrensmangel sieht, dass das LSG ihren Hinweis, dass die Beklagte an die Gesamtvergütungsvereinbarung gebunden sei, weder zu Protokoll genommen noch in seiner Entscheidung berücksichtigt und gewürdigt habe, hat sie keinen Verfahrensmangel bezeichnet. Wie bereits dargelegt, kommt es unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des LSG auf die Bindungswirkung der Gesamtvergütungsvereinbarung überhaupt nicht an, weil es danach in Bezug auf eine Berücksichtigung von Wohnsitzausländern bereits an einer Vereinbarung fehlt, die Bindungswirkung entfalten kann.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin auch die Kosten des von ihr ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).
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Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der Festsetzung der Vorinstanz vom 1.4.2015, die von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG).
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