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BSG 17.12.2014 - B 10 ÜG 2/14 KL
BSG 17.12.2014 - B 10 ÜG 2/14 KL - Verwerfung einer offensichtlich unzulässigen Klage durch Beschluss - sozialgerichtliches Verfahren - überlanges Gerichtsverfahren - Entschädigungsklage vor dem Bundessozialgericht - Vertretungszwang - fehlende Prozessvertretung - analoge Anwendung der Vorschriften des Revisionsrechts
Normen
§ 73 Abs 4 SGG, § 169 S 2 SGG, § 169 S 3 SGG, § 105 Abs 1 S 2 SGG, § 105 Abs 2 S 2 SGG, § 202 S 2 Alt 2 SGG, § 201 Abs 1 S 2 GVG, § 198 GVG, Art 6 Abs 1 MRK
Vorinstanz
vorgehend SG Dortmund, 13. August 2013, Az: S 27 AS 2503/13 ER, Beschluss
vorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 10. September 2013, Az: L 19 AS 1632/13 B ER, Beschluss
vorgehend BSG, 30. Oktober 2013, Az: B 14 AS 290/13 S, Beschluss
vorgehend BSG, 20. Januar 2014, Az: B 10 ÜG 4/14 AR, Beschluss
vorgehend BGH, 31. Juli 2014, Az: III ZR (Ü) 1/14, Beschluss
Leitsatz
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1. Für beim BSG erhobene Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer gilt der allgemeine Vertretungszwang.
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2. Eine unzulässige Entschädigungsklage kann in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Revisionsrechts durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung verworfen werden.
Tenor
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Die Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Verfahrens B 14 AS 290/13 S vor dem Bundessozialgericht wird als unzulässig verworfen.
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Der Kläger trägt die Kosten für das Klageverfahren.
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Der Streitwert wird auf 50 000 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Der Kläger begehrt Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Verfahrens B 14 AS 290/13 S vor dem BSG.
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Im Ausgangsverfahren wandte sich der Kläger mit einer von ihm selbst verfassten Beschwerde und einem Prozesskostenhilfeantrag gegen einen Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen. Das LSG hatte seine Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von SGB-II-Leistungen zurückgewiesen (Beschluss vom 10.9.2013).
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Das BSG hat den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers mangels hinreichender Erfolgsaussicht der Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt und diese nach § 177 SGG als unzulässig verworfen (Beschluss vom 30.10.2013).
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Der Kläger hat dagegen eine von ihm so bezeichnete Rechtsbeschwerde eingelegt, Verzögerungsrüge erhoben und die beteiligten Berufsrichter des entscheidenden Senats als befangen abgelehnt.
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Diesen Befangenheitsantrag des Klägers hat das BSG als unzulässig zurückgewiesen (Beschluss vom 4.12.2013) und die Rechtsbeschwerde ebenso als unzulässig verworfen wie eine weitere Beschwerde des Klägers gegen den vorgenannten Beschluss (Beschluss vom 20.1.2014).
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Mit Schreiben vom 27.3.2014 hat der Kläger beim BGH Entschädigungsklage wegen der unangemessenen Dauer des Verfahrens vor dem BSG erhoben und zunächst eine Entschädigung in Höhe von 25 000 Euro verlangt, ua weil es sich bei den Entscheidungen um vorsätzliche Straftaten der an den BSG-Beschlüssen beteiligten Richter handele.
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Mit Beschluss vom 31.7.2014 hat der BGH das Verfahren nach Anhörung des Klägers an das BSG abgegeben.
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Der Kläger beantragt schriftlich sinngemäß,
die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Entschädigung in Höhe von 50 000 Euro wegen der Nachteile, die der Kläger vor dem BSG gezwungen zu erleiden war, nämlich Zwangshunger, Diskriminierung, sittenwidrige und menschenunwürdige Behandlung, sowie auch seelische Quälerei und Schikanierung, um ihn in die Richtung zu bewegen, die Beschreitung des Rechtswegs zu unterlassen, durch wiederholte Verzögerung und Straftaten, die die Richter dieses Gerichts begangen haben (Rechtsbeugung gemäß § 339 StGB), gemäß §§ 246, 247 BGB verzinst zu leisten.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
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II. Der Senat kann die offensichtlich unzulässige Klage (dazu unter 1.) durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter entsprechend § 169 S 2 und 3 SGG verwerfen (dazu unter 2.).
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1. Die Klage ist offensichtlich unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt worden ist. Gemäß § 201 Abs 1 S 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) iVm § 202 S 2 Var 2 SGG ist das BSG für die vom Kläger erhobene Klage auf Entschädigung gegen den Bund wegen der angeblichen Überlänge des vorangegangenen Verfahrens B 14 AS 290/13 S - ebenfalls vor dem BSG - zuständig. Vor dem BSG müssen sich die Beteiligten indes nach § 73 Abs 4 SGG außer im Prozesskostenhilfeverfahren von einem zur Vertretung vor dem BSG befugten Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. § 73 Abs 4 SGG ordnet den Vertretungszwang allgemein für alle Verfahren vor dem BSG an, eine Ausnahme für Entschädigungsklagen lässt sich § 198 GVG nicht entnehmen (ebenso für die Finanzgerichtsordnung <FGO> BFH, BFHE 240, 219 - "allgemeine Meinung"; vgl Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, Teil 2 E. § 155 FGO RdNr 9; BT-Drucks 17/3802 S 20; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 201 GVG RdNr 36; vgl für das Klageverfahren nach § 39 SGG Lüdtke in ders, SGG, 4. Aufl 2012, § 39 RdNr 5). Der Vertretungszwang dient in Entschädigungsverfahren wie auch sonst zum einen dem Schutz des Gerichts vor einer Belastung mit Rechtsmitteln, deren Erfolgsaussichten die Beteiligten nach ihrer Vorbildung nicht richtig einschätzen können und folglich auch nicht richtig und fachkundig zu führen wissen; zum anderen schützt er damit auch den Rechtssuchenden (BFH aaO). Entgegen dieser Voraussetzung hat der Kläger aber persönlich und damit in unzulässiger Form Klage erhoben.
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2. Die Klage ist in entsprechender Anwendung des § 169 S 2 SGG im Beschlusswege zu verwerfen (so schon erkennender Senat, Beschluss vom 9.7.2014 - B 10 ÜG 1/14 KL; die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen, Beschluss vom 23.9.2014 - 1 BvR 1045/14, 1 BvR 1088/14, 1 BvR 1197/14, 1 BvR 2081/14). Wie § 202 S 2 SGG iVm § 201 Abs 2 S 1 GVG bestimmen, sind auf die Entschädigungsklage zum BSG grundsätzlich die Vorschriften des SGG über das Verfahren im ersten Rechtszug entsprechend heranzuziehen. Zwar wäre auf dieser Grundlage der Erlass eines Gerichtsbescheids nach § 105 SGG ohne mündliche Verhandlung denkbar (vgl die zunächst als Gerichtsbescheid ergangene Entscheidung des BFH, BFHE 240, 219; allgemein Leitherer, aaO, § 105 RdNr 4), welche die Beteiligten nach § 105 Abs 2 S 2 SGG nachträglich noch erzwingen könnten. Die von § 105 Abs 1 S 2 SGG vorgeschriebene Anhörung der Beteiligten würde indes die Schwierigkeit aufwerfen, wie sich der anwaltlich nicht vertretene Kläger trotz § 73 Abs 4 SGG wirksam äußern könnte.
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Der Senat zieht für seinen Beschluss deshalb § 169 S 2 und 3 SGG entsprechend heran. Danach kann das BSG eine unzulässige Revision ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig verwerfen, ohne die ehrenamtlichen Richter hinzuzuziehen. § 169 S 2 SGG vereinfacht die Arbeitsweise des BSG und dient dadurch seiner Entlastung (vgl Lüdtke, aaO, § 169 RdNr 1). Denn der Gesetzgeber hat bei einer Verwerfung als unzulässig, mithin allein aus prozessualen Gründen, eine mündliche Verhandlung ebenso wenig wie eine Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter für erforderlich gehalten. Das BSG hat § 169 S 2 und 3 SGG schon vor der Einfügung von § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG entsprechend auf die Verwerfung unzulässiger Nichtzulassungsbeschwerden angewandt (vgl Leitherer, aaO, § 160a RdNr 21; BSG SozR 1500 § 160a Nr 1, Nr 5). Auch für die nunmehr neu eingeführte Entschädigungsklage zum BSG nach § 202 S 2 Var 2 SGG iVm § 201 Abs 1 S 2 GVG hält der Senat eine solche entsprechende Anwendung nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 169 SGG gerechtfertigt und zur Entlastung des BSG geboten. Denn eine solche Klage ist im Fall ihrer offensichtlichen Unzulässigkeit prozessual keineswegs bedeutsamer als eine unzulässige Revision, für die der Gesetzgeber die Verwerfung per Beschluss in § 169 S 2 und 3 SGG ausdrücklich vorgesehen hat (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 1).
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§ 202 S 2 Var 2 SGG iVm § 201 Abs 2 S 1 GVG ordnet für die Entschädigungsklage nach dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ohnehin lediglich die entsprechende Anwendung der Vorschriften über das erstinstanzliche Klageverfahren an. Der Gesetzgeber selbst hält somit das erstinstanzliche Verfahrensrecht bei Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer für ergänzungsbedürftig. Dies lässt Raum für seine angemessene Vervollständigung durch einzelne Bestimmungen des Revisionsrechts, soweit die entsprechend anwendbaren Normen über das erstinstanzliche Klageverfahren der §§ 87 ff SGG keine adäquaten Regelungen bereitstellen. Es bietet sich an, dafür solche Vorschriften des Revisionsrechts wie insbesondere § 169 S 2 und 3 SGG heranzuziehen, die an das BSG als handelndes Gericht anknüpfen (für das Klageverfahren nach § 39 SGG vgl Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 39 RdNr 7; Roos in Roos/Wahrendorf, SGG, § 39 RdNr 11).
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Der Vergleich mit den anderen öffentlich-rechtlichen Prozessordnungen bestätigt die Berechtigung und das Bedürfnis einer entsprechenden Anwendung von § 169 SGG. So hat das Bundesverwaltungsgericht in der vergleichbaren Konstellation einer dort erhobenen, unzulässigen Nichtigkeitsklage diese Klage in entsprechender Anwendung von § 585 ZPO iVm § 144 Abs 1 VwGO, der Parallelvorschrift zu § 169 S 2 SGG, als unzulässig verworfen (BVerwG Buchholz 310 § 144 VwGO Nr 6). Die FGO eröffnet im Gegensatz zum SGG in § 79a Abs 3 und 4 FGO von Gesetzes wegen erweiterte Möglichkeiten für eine vereinfachte Behandlung unzulässiger Klagebegehren. Dies spricht ebenfalls für die vom Senat gewählte entsprechende Anwendung des § 169 SGG auf die hier vorliegende Fallgestaltung einer offensichtlich unzulässigen Entschädigungsklage.
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Der auf dieser Rechtsgrundlage möglichen Entscheidung des Senats im Beschlusswege stehen auch nicht Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und der darin enthaltene Anspruch auf öffentliche mündliche Verhandlung entgegen. Denn nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) kann von der grundsätzlich von Art 6 Abs 1 EMRK vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung gleichwohl im Einzelfall abgesehen werden, wenn das Gericht nur über Rechtsfragen entscheiden muss, die nicht besonders schwierig und nicht von allgemeiner Bedeutung sind (vgl EGMR Entscheidung vom 6.12.2001 - Beschwerde Nr 31178/96 Werner Petersen/Deutschland, NJW 2003, 1921, 1923; Meyer-Ladewig, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl 2011, Art 6 RdNr 171 mwN). So liegt es hier, weil die vom Kläger entgegen § 73 Abs 4 SGG persönlich erhobene Klage schon nach hergebrachten und unstreitigen prozessualen Grundsätzen - unabhängig von dem damit verfolgten materiellen Anspruch - formell eindeutig unzulässig ist.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
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Die Streitwertentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1 und § 52 Abs 3 S 1 GKG. Der vom Kläger zuletzt gestellte schriftliche Klageantrag richtet sich auf Schadensersatz in Höhe von 50 000 Euro.
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