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BSG 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R
BSG 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R - Krankenversicherung - Krankengeld - rechtzeitige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit - Erforderlichkeit einer persönlichen Untersuchung - keine Berufung auf fehlerhaften Hinweis des Arztes - keine Hinweispflichten der Krankenkasse
Normen
§ 5 Abs 1 Nr 2 SGB 5, § 19 Abs 2 S 1 SGB 5, § 44 Abs 1 S 1 SGB 5, § 46 S 1 Nr 2 SGB 5, § 92 Abs 1 S 2 Nr 7 SGB 5, § 190 Abs 2 SGB 5, § 192 Abs 1 Nr 2 SGB 5, § 4 Abs 1 S 2 AURL
Vorinstanz
vorgehend SG Heilbronn, 22. November 2012, Az: S 12 KR 1803/12, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Baden-Württemberg, 11. Dezember 2013, Az: L 5 KR 5378/12, Urteil
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2013 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. November 2012 zurückgewiesen.
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Kosten sind auch im Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Zahlung von Krankengeld (Krg) über den 9.3.2012 hinaus.
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Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin war nach vorausgegangener Kündigung bis zum 29.2.2012 als Bürokraft bei dem E.
e.V. beschäftigt. Internist Dr. K. stellte bei der Klägerin erstmals am 2.2.2012 wegen ICD-10-GM (2012) R53 (Unwohlsein und Ermüdung) Arbeitsunfähigkeit (AU) voraussichtlich bis 8.2.2012 fest (weitere Bescheinigungen vom 7.2.2012 - AU bis 10.2.2012; vom 13.2.2012 - AU bis 26.2.2012, jetzt auch wegen ICD-10-GM 2012> F32.9 <Depressive Episode, nicht näher bezeichnet>). Am 27.2.2012 stellte Dr. K. AU bis voraussichtlich 9.3.2012 wiederum wegen ICD-10-GM (2012) R53 fest. Am 28.2.2012 erhielt die Klägerin im Rahmen eines Beratungsgesprächs mit einer Mitarbeiterin der Beklagten "Wichtige Hinweise zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit und zur mitgliedschaftserhaltenden Wirkung des Bezuges von Krankengeld" als Merkblatt ausgehändigt. Die Klägerin erhielt Entgeltfortzahlung bis zum 29.2.2012. Am 5.3.2012 führte die Klägerin mit Dr. K. ein Telefonat, in dem er ihr mitteilte, er werde am 9.3.2012, einem Freitag, nicht in der Praxis sein. Sie solle die auf diesen Tag zurückdatierte Folge-AU-Bescheinigung am 12.3.2012 "abholen". Die Klägerin begab sich am 9.3.2012 in die Praxis von Dr. K. und Dr. B., ohne dass eine ärztliche Feststellung erfolgte. Der am 12.3.2012 ausgestellte Krg-Auszahlungsschein wies AU wegen ICD-10-GM (2012) F32.9 und R53 bis voraussichtlich 26.3.2012 aus und enthielt die Angabe, die Klägerin habe sich zuletzt am 12.3.2012 vorgestellt. Dr. K. stellte sodann eine diese ersetzende, auf den 9.3.2012 datierende AU-Bescheinigung aus, wonach sich die Klägerin zuletzt am 9.3.2012 vorgestellt habe, korrigierte sich aber gegenüber der Beklagten mit Telefax vom 19.3.2012 dergestalt, dass an diesem Tag kein Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden habe. Die Klägerin war danach fortlaufend wegen ICD-10-GM (2012) F 32.1 (Mittelgradige depressive Episode) arbeitsunfähig. Die Beklagte gewährte der Klägerin Krg bis 9.3.2012, lehnte jedoch für die Zeit danach Krg ab (Bescheid vom 16.3.2012, Widerspruchsbescheid vom 25.4.2012), weil ein Krg-Anspruch erst am Tag nach der ärztlichen Feststellung, hier am 12.3.2012, entstehen könne. Zu diesem Zeitpunkt habe aber keine Versicherung mit Krg-Berechtigung mehr bestanden. Die Klägerin ist seit 10.3.2012 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten ohne Anspruch auf Krg. Das SG hat die auf Krg-Weitergewährung gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 22.11.2012). Das LSG hat den Gerichtsbescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin über den 9.3.2012 hinaus Krg zu gewähren: Der Krg-Anspruch entstehe zwar erst an dem Tag, der dem Tag nach der AU-Feststellung folge, hier am 13.3.2012. Zu diesem Zeitpunkt habe keine Versicherung mit Anspruch auf Krg mehr bestanden. Es liege aber ein Ausnahmefall vor, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung der AU nach höchstrichterlicher Rechtsprechung rückwirkend nachgeholt werden könne, weil die Klägerin alles in ihrer Macht Stehende getan habe, um ihren Mitwirkungsobliegenheiten nachzukommen. Es sei ihr nicht zumutbar gewesen, einen anderen Arzt aufzusuchen (Urteil vom 11.12.2013).
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Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 46 S 1 Nr 2 und des § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V. Um eine Mitgliedschaft als Pflichtversicherter zu erhalten, müsse vor Ablauf des letzten Abschnitts der Krg-Bewilligung die AU erneut ärztlich festgestellt werden. Unterbleibe dies, ende die den Krg-Anspruch vermittelnde, auf der Beschäftigtenversicherung beruhende Mitgliedschaft. Die am 12.3.2012 erfolgte ärztliche AU-Feststellung habe hier auch nicht ausnahmsweise rückwirkend nachgeholt werden können.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Dezember 2013 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. November 2012 zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Der Klägerin steht für die Zeit nach dem 9.3.2012 kein Krg-Anspruch nach § 44 Abs 1 SGB V aus der Beschäftigtenversicherung zu. Die den Krg-Anspruch vermittelnde, auf der Beschäftigtenversicherung beruhende Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten endete mit Ablauf des 9.3.2012 (dazu 1.). Die Klägerin kann einen Anspruch auf Krg für die Zeit bis zum 9.4.2012 auch nicht ganz oder teilweise auf § 19 Abs 2 SGB V stützen (dazu 2.).
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1. Die Klägerin war ab 10.3.2012 nicht mehr beruhend auf ihrer bis 29.2.2012 ausgeübten Beschäftigung mit Anspruch auf Krg versichert (dazu a). Sie ist auch nicht so zu stellen, als hätte sie noch am letzten Tag des Krg-Bezugs eine ärztliche Feststellung über ihre AU herbeigeführt (dazu b).
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a) Nach § 44 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krg, wenn - abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung - Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Ob und in welchem Umfang Versicherte Krg beanspruchen können, bestimmt sich nach dem Versicherungsverhältnis, das im Zeitpunkt des jeweils in Betracht kommenden Entstehungstatbestands für Krg vorliegt (vgl BSGE 98, 33 = SozR 4-2500 § 47 Nr 6, RdNr 10; BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 48 Nr 4 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 4 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 46 Nr 2 RdNr 12; BSG Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 2/07 R - Juris RdNr 12 = USK 2007-33).
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Nach § 46 S 1 SGB V entsteht der Anspruch auf Krg 1. bei Krankenhausbehandlung oder Behandlung in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs 4, § 24, § 40 Abs 2 und § 41 SGB V) von ihrem Beginn an, 2. im Übrigen von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der AU folgt. Wird Krg wegen ärztlich festgestellter AU begehrt, ist für den Umfang des Versicherungsschutzes demgemäß grundsätzlich auf den Tag abzustellen, der dem Tag nach Feststellung der AU folgt (BSG SozR 4-2500 § 46 Nr 2 RdNr 11). Wie der Senat bereits entschieden und ausführlich begründet hat, bietet das Gesetz weder einen Anhalt für das Verständnis des § 46 S 1 Nr 2 SGB V als bloßer Zahlungsvorschrift noch dafür, dass der Krg-Anspruch gemäß § 44 SGB V schon bei Eintritt der AU entsteht (vgl BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 13 mwN).
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Die - hier durch die Beschäftigtenversicherung begründete - Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger besteht unter den Voraussetzungen des § 192 SGB V fort. Sie bleibt nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V ua erhalten, solange Anspruch auf Krg besteht (vgl auch BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 16; BSG Beschluss vom 16.12.2003 - B 1 KR 24/02 B - Juris RdNr 7; Berchtold, Krankengeld, 2004, RdNr 454). § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V verweist damit wieder auf die Vorschriften über den Krg-Anspruch, die ihrerseits voraussetzen, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krg vorliegt. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es aus, dass Versicherte am letzten Tage des Versicherungsverhältnisses mit Anspruch auf Krg - hier des Beschäftigungsverhältnisses - alle Voraussetzungen erfüllen, um spätestens mit Beendigung dieses Tages - und damit zugleich mit Beginn des nächsten Tages - einen Krg-Anspruch entstehen zu lassen (vgl BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5 LS 1; ablehnend Hammann, NZS 2014, 729, der aber den Auslegungsspielraum zu Gunsten der Versicherten vernachlässigt). Das folgt aus Entwicklungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck, ohne dass der Wortlaut der Normen einer solchen Auslegung entgegensteht (eingehend BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 12). Die Aufrechterhaltung der Beschäftigtenversicherung setzt insoweit nur eine Nahtlosigkeit von Beschäftigung und Entstehung des Rechts auf die Sozialleistung voraus, also die Entstehung des Anspruchs auf die Sozialleistung in unmittelbarem zeitlichen Anschluss an das Ende des Beschäftigungsverhältnisses (BSG, aaO, RdNr 15).
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Bei fortdauernder AU, aber abschnittsweiser Krg-Bewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig zu prüfen (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 16 mwN; BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 24). Für die Aufrechterhaltung des Krg-Anspruchs aus der Beschäftigtenversicherung ist es deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, dass die AU vor Ablauf des Krg-Bewilligungsabschnitts erneut ärztlich festgestellt wird (BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 12 RdNr 16 mwN; BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 17; BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 24; aA Berchtold, Krankengeld, 2004, RdNr 527). Ausgehend von der - nicht mit Verfahrensrügen wirksam angegriffenen (dazu sogleich) - den Senat bindenden Feststellung des LSG (§ 163 SGG), dass nach dem 27.2.2012 und vor dem 12.3.2012 keine ärztliche AU-Feststellung getroffen worden sei, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die den Anspruch vermittelnde, auf der Beschäftigtenversicherung beruhende Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten endete hiernach mit Ablauf des 9.3.2012, des letzten Tages der von Dr. K. am 27.2.2012 vorgenommenen befristeten AU-Feststellung. Als die Klägerin am 12.3.2012 erneut Dr. K. aufsuchte, war sie deshalb nicht mehr nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V mit Anspruch auf Krg versichert. Dabei kann der Senat offenlassen, ob Dr. K. am 12.3.2012 im Rechtssinne überhaupt eine ärztliche AU-Feststellung traf. Ein bloßes "Abholen" der AU-Bescheinigung, wie von Dr. K. als Zeuge in seiner schriftlichen Befragung (§ 118 Abs 1 SGG iVm § 377 Abs 3 ZPO) vom 24.7.2013 angegeben, genügt dafür jedenfalls nicht.
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Soweit die Revisionserwiderung die Verfahrensrüge erhebt (zu den Darlegungsvoraussetzungen vgl § 164 Abs 2 S 3 SGG; näher BSG Urteil vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 68 ff, insoweit in BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1 nicht abgedruckt; BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 27 f mwN; ausführlich zu den Anforderungen s ferner BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 8/13 R - RdNr 21 f mwN; zur Anwendung auf eine Verfahrensrüge des Revisionsbeklagten vgl BSG Urteil vom 24.5.1966 - 1 RA 281/64 - Juris RdNr 15 = AP Nr 12 zu § 554 ZPO; BSG SozR 1500 § 164 Nr 24; Zeihe, SGG, Stand Juli 2014, § 164 RdNr 32a) und geltend macht, das LSG hätte sich gedrängt fühlen müssen, durch die zeugenschaftliche Vernehmung von Dr. K. aufzuklären, dass er im Rahmen des Telefonats am 5.3.2012 eine AU-Feststellung getroffen habe, muss der Verfahrensrüge wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit des Beweisthemas der Erfolg versagt bleiben. § 46 S 1 Nr 2 SGB V setzt unabdingbar sowohl bei der Erstfeststellung der AU als auch bei nachfolgenden Feststellungen die persönliche Untersuchung des Versicherten durch einen Arzt voraus (vgl BSGE 94, 247 = SozR 4-2500 § 44 Nr 6, RdNr 22 unter Hinweis auf § 31 S 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte; vgl ferner § 4 Abs 1 S 2 Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB V; Kummer in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1 Krankenversicherungsrecht, 1994, § 23 RdNr 53). Eine telefonische Befragung genügt nicht (vgl Schmidt in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, SGB V, Stand 1. Juli 2014, § 46 RdNr 31a; Kummer, MedSach 1986, 86, 88). Dies folgt schon aus der durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V vorgegebenen Notwendigkeit, Krg nur auf der Grundlage einer bestmöglich fundierten ärztlichen Einschätzung zu gewähren. Unter den realen Bedingungen und Erschwernissen (vertrags-)ärztlichen Versorgungsgeschehens im Praxisalltag sind AU-Feststellungen nicht selten auf unsicherer Grundlage und zudem schnell vorzunehmen. Auch sind die KKn im Verwaltungsvollzug angesichts der Krg-Fälle als Massenphänomen mit faktisch nur eingeschränkten Prüfmöglichkeiten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in besonderer Weise auf eine sorgfältige ärztliche Begutachtung angewiesen, um rechtswidrige Krg-Bewilligungen zu vermeiden. Eine ausreichende Bewältigung dieser aus tatsächlichen Gegebenheiten resultierenden Schwierigkeiten vermag nur eine unmittelbare persönliche Untersuchung des Versicherten durch den Arzt zu gewährleisten. Bei den Fällen, bei denen der Arzt aufgrund sorgfältiger Untersuchung des Versicherten absehen kann, dass dessen AU längere Zeit andauern wird, kann er dem insbesondere durch eine entsprechend längere Befristung der voraussichtlichen AU-Dauer Rechnung tragen. Macht der Arzt von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch, muss er sich bei jeder (Folge-)AU-Feststellung erneut durch eine unmittelbare persönliche Untersuchung des Versicherten die Gewissheit verschaffen, dass und gegebenenfalls wie lange die AU voraussichtlich noch andauern wird. Hier behauptet die Klägerin selbst nicht, dass Dr. K. sie am 5.3.2012 persönlich untersucht und gestützt darauf AU festgestellt habe.
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b) Ausgehend von den bindenden Feststellungen des LSG ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Sachverhalt, bei dem die AU-Feststellung für einen weiteren Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise - rückwirkend auf den letzten Tag des abgelaufenen Krg-Bezugs - hätte nachgeholt werden können (vgl zu den in den Verantwortungsbereich der KKn fallenden Hinderungsgründen, insbesondere bei ärztlicher Fehlbeurteilung der Arbeitsfähigkeit BSGE 95, 219 = SozR 4-2500 § 46 Nr 1, RdNr 18 ff, zur Verhinderung wegen Geschäfts- oder Handlungsunfähigkeit BSGE 25, 76, 77 f = SozR Nr 18 zu § 182 RVO, zur Falschberatung durch die KK vgl BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R - RdNr 25 ff, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
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Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 10.5.2012 (BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5) die Auffassung als rechtsfehlerhaft verworfen, dass auch unzutreffende ärztliche Meinungsäußerungen und Handlungsempfehlungen gegenüber Versicherten zu rechtlichen Voraussetzungen des Krg-Anspruchs der KK des Versicherten zuzurechnen sind. Insoweit fehlt es bereits an einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung (aaO RdNr 24 f; bestätigt durch BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 18). Von KKn nicht veranlasste, unzutreffende rechtliche Ratschläge von zur Behandlung Versicherter zugelassenen Ärzten können zwar ggf Schadensersatzansprüche gegen die Ärzte, nicht aber Krg-Ansprüche gegen KKn auslösen (vgl BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 27; bestätigt durch BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 20; s ferner BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 19/14 R - RdNr 16, 18). Hieran hält der Senat fest. Die Klägerin kann sich danach gegenüber der Beklagten nicht wirksam darauf berufen, sie habe sich auf die Äußerung von Dr. K.
verlassen, zur Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Krg genüge - wie geschehen - die Ausstellung einer AU-Bescheinigung mit Rückdatierung der AU-Feststellung auf den 9.3.2012. Der Senat muss daher nicht der Frage nachgehen, ob das Verhalten von Dr. K. schon den objektiven Tatbestand des § 278 StGB (Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse) erfüllt (vgl auch BGH Urteil vom 8.11.2006 - 2 StR 384/06 - MedR 2007, 248).
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Auch ist es nicht Sache der KK, den Versicherten rechtzeitig vor Ablauf des schon festgestellten AU-Zeitraums auf die besondere gesetzliche Regelung und deren im Regelfall gravierende Folgen hinzuweisen. KKn sind nicht gehalten, Hinweise auf den gesetzlich geregelten Zeitpunkt einer ggf erneut erforderlichen AU-Feststellung zu geben oder solche Hinweise in den Formularen zur Bescheinigung der AU vorzusehen. Insbesondere besteht auch keine Pflicht zur Aufklärung der Versicherten über ihre Obliegenheiten (BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 19). Hier erläuterte die Beklagte aber der Klägerin mit einem am 28.2.2012 ihr ausgehändigten, klar verständlichen und inhaltlich zutreffenden Merkblatt ihre Obliegenheit zur Aufrechterhaltung der Versicherung mit Anspruch auf Krg. Wie das Verhalten der Klägerin zeigt, war ihr die Obliegenheit der rechtzeitigen weiteren AU-Feststellung bewusst, als sie sich am 5.3.2012 telefonisch mit diesem Anliegen an Dr. K. wandte und am 9.3.2012 sogar zum Zwecke der AU-Feststellung die Praxis der Dres. K. und B. aufsuchte. Die Klägerin hätte die Möglichkeit gehabt, entweder bereits in den Tagen vom 5. bis 8.3.2012 Dr. K. oder jedenfalls am 9.3.2012 einen anderen Arzt zur Feststellung der AU aufzusuchen. Soweit Dr. K. von der Beklagten nicht veranlasste, unzutreffende rechtliche Ratschläge gegeben hat, stehen der Klägerin ggf Schadensersatzansprüche gegen diesen, nicht aber ein Krg-Anspruch gegen die Beklagte zu (BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 192 Nr 6 RdNr 20).
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2. Der Klägerin steht auch kein nachgehender Leistungsanspruch (§ 19 Abs 2 SGB V) für die Zeit ab dem 10.3. bis zum 9.4.2012 zu. In diesem Zeitraum war die Klägerin freiwillig versichert (§ 9 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V), sodass ein Krg-Anspruch nicht auf § 19 Abs 2 SGB V gestützt werden kann.
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Nach § 19 Abs 2 S 1 SGB V besteht, wenn die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger endet, Anspruch auf Leistungen längstens für einen Monat nach dem Ende der Mitgliedschaft, solange keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kommt ein solcher nachgehender Anspruch - abgesehen von der Konkurrenz mit der Auffangversicherung (vgl § 5 Abs 1 Nr 13 und Abs 8a SGB V sowie hierzu BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 30 ff) - lediglich in Betracht, falls die Klägerin ab 10.3.2012 nicht auf andere Weise Krankenversicherungsschutz genoss (vgl BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 14 RdNr 25). Denn der aus der früheren Mitgliedschaft abgeleitete Versicherungsschutz ist gegenüber Ansprüchen aus einem aktuellen Versicherungsverhältnis grundsätzlich nachrangig, auch wenn das im Wortlaut des § 19 Abs 2 SGB V unmittelbar nicht zum Ausdruck kommt (stRspr, vgl BSGE 89, 254, 255 f = SozR 3-2500 § 19 Nr 5 mwN; BSG Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 2/07 R - Juris RdNr 20 - USK 2007-33; aA Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand November 2014, K § 19 RdNr 61, wonach der Vorrang des aktuellen Versicherungsverhältnisses nur bei gleichen oder gleichwertigen Leistungsansprüchen besteht). Daran fehlt es, wie bereits ausgeführt.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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