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BSG 19.04.2011 - B 13 R 187/10 B
BSG 19.04.2011 - B 13 R 187/10 B - Fremdrentenrecht - Übergangsregelung - Kürzung der Entgeltpunkte aus fremdrechtlichen Beitrags- und Beschäftigungszeiten - Verfassungsmäßigkeit
Normen
§ 22 Abs 4 FRG vom 25.09.1996, § 100 Abs 1 BVFG vom 21.12.1992, § 90 BVFG vom 21.12.1992, § 90a BVFG vom 25.06.1990, KfbG, Art 6 § 4c FANG vom 20.04.2007, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a SGG, Art 16 Nr 1 RVAltGrAnpG, Art 3 Nr 4 Buchst b WFG, Art 14 Abs 1 S 1 GG, Art 14 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG
Vorinstanz
vorgehend SG Koblenz, 25. August 2009, Az: S 10 R 49/08
vorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, 5. Mai 2010, Az: L 4 R 417/09, Urteil
Leitsatz
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Die Übergangsvorschriften des zum 1.1.1993 durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz modifizierten Vertriebenenrechts (§ 100 Abs 1 BVFG nF) stehen einer Kürzung der nach Fremdrentenrecht zu berücksichtigenden Entgeltpunkte um 40 vH bei Aussiedlern, die vor diesem Zeitpunkt eingereist sind, nicht entgegen.
Tenor
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Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Mai 2010 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. K., F., zu bewilligen, wird abgelehnt.
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorstehend bezeichneten Urteil wird zurückgewiesen.
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Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
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I. Der Kläger begehrt im Zugunstenverfahren eine Neuberechnung seiner Altersrente. Er verlangt - soweit im Beschwerdeverfahren noch von Bedeutung - die Nichtanwendung der Kürzung auf dem FRG beruhender Entgeltpunkte auf 60 vH ihres Werts (vgl § 22 Abs 4 FRG).
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Der im Jahr 1940 in der Ukraine geborene deutschstämmige Kläger wurde nach eigenen Angaben im Februar 1943 nach Potsdam verschleppt; er erwarb laut einer am 4.1.1944 in D./G. ausgestellten Einbürgerungsurkunde zusammen mit seinen in J./G. lebenden Eltern und Geschwistern die deutsche Staatsangehörigkeit. Nach Kriegsende sei er in die Sowjetunion verbracht worden, wo er bis März 1956 in W. und Perm unter Kommandanturaufsicht gestanden habe. Im Februar 1990 siedelte er von seinem letzten Wohnort S. (in der russischen O.) in die Bundesrepublik Deutschland über und erhielt den Ausweis für Vertriebene und Flüchtlinge "B" samt Berechtigung zur Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen gemäß § 10 Abs 2 Nr 2 BVFG aF (als Spätheimkehrer aus der Sowjetunion nach dem 31.12.1952). Nachfolgend war er in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 2.8.2004 ab 1.9.2004 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit auf der Grundlage von 32,2465 persönlichen Entgeltpunkten (pEP). Mit seinem Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X vom 11.10.2006 forderte der Kläger die volle Berücksichtigung der bislang lediglich zu 5/6 angerechneten Tabellenwerte der nach dem FRG anerkannten Beschäftigungszeiten und beanstandete darüber hinaus deren Kürzung um 40 vH als verfassungswidrig.
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Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 24.5.2007 und Widerspruchsbescheid vom 12.12.2007 ab. Während die Klage vor dem SG erfolglos geblieben ist, hat das LSG die Beklagte aufgrund eines Teilanerkenntnisses verurteilt, die Rente ohne 5/6-Kürzung für den Zeitraum von 1978 bis 1984 neu zu berechnen und die insoweit erhöhte Rente rückwirkend ab 1.1.2002 zu zahlen; im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 5.5.2010). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Kürzung der FRG-Zeiten um 40 vH gemäß § 22 Abs 4 FRG sei nach der Entscheidung des BVerfG vom 13.6.2006 (BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5) verfassungsgemäß; der Kläger falle aufgrund des Rentenbeginns im September 2004 auch nicht unter die vom Gesetzgeber nachträglich geschaffene, ihrerseits nicht zu beanstandende Übergangsregelung in Art 6 § 4c Abs 2 FANG.
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Der Kläger macht mit seiner beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel geltend. Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens beantragt er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten.
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II. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens unter Beiordnung von Rechtsanwalt K. ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Satz 1 ZPO), denn die Nichtzulassungsbeschwerde ist - wie sogleich ausgeführt wird - hinsichtlich aller geltend gemachter Zulassungsgründe offensichtlich unbegründet.
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III. Die Beschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Dabei kann dahinstehen, ob seine Beschwerdebegründung vom 19.7.2010 den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) oder an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) genügt (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Jedenfalls vermag keiner der von ihm geltend gemachten Gründe eine Zulassung der Revision zu rechtfertigen.
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1. Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl Senatsbeschluss vom 25.2.2010 - SozR 4-2600 § 77 Nr 7 RdNr 6 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus bereits vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung ergibt (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 7 RdNr 8). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl BVerfG <Kammer> SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f, Nr 16 RdNr 4 f).
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Nach diesen Maßstäben kommt den vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung zu.
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(1) Er bezeichnet als grundsätzlich bedeutsam zunächst die Frage,
"ob die durch Beitragszahlungen an einen fremden Versicherungsträger erworbenen Rentenansprüche eines deutschen Staatsangehörigen, der im Zusammenhang mit den Ereignissen des 2. Weltkrieges in Gefangenschaft geraten ist, verschleppt und anschließend an derartige Handlungen im Ausland bis zu seiner Heimkehr festgehalten worden ist, dann, wenn sie mit Beitragsleistungen in der Bundesrepublik Deutschland, die im Anschluss an die Heimkehr erbracht worden sind, zusammentreffen, den Eigentumsschutz nach Art 14 GG unterfallen, bzw dann, wenn sie diesen Schutz unterfallen, dennoch um den Faktor 0,6 gekürzt werden können",
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und nimmt dabei ausdrücklich Bezug auf "die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.06.2006, 1 BvR 9/00, 1 BvR 10/04" (gemeint ist damit offenbar der Beschluss des BVerfG vom 13.6.2006, 1 BvL 9/00, 1 BvL 10/04 ua, BVerfGE 116, 96 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5), die festgestellt habe, dass "Rentenansprüche, die erst durch das FRG gedeckt werden, Art 14 GG nicht verletzen können". In jener Entscheidung sei offen gelassen worden, ob "Rentenanwartschaften nach dem FRG dann Art 14 GG unterfallen können, wenn sie sich zusammen mit dem in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften zu einer rentenrechtlichen Gesamtposition verbinden und die Gesamtheit der erworbenen Anwartschaften eine rentenrechtliche Einheit bilden". Diese Frage und - bei ihrer Bejahung - die Folgefrage, ob dann die FRG-Zeiten "dennoch um den Faktor 0,6 gekürzt werden können", müsse nunmehr einer Klärung zugeführt werden.
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Der Kläger lässt jedoch außer Acht, dass das BVerfG in der von ihm selbst angeführten Entscheidung die genannten Rechtsfragen bereits mit deutlichen Worten geklärt hat: Die Vorlagen machten keine Entscheidung der Frage erforderlich, ob die aus dem FRG abgeleiteten Anwartschaften dem Eigentumsschutz des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG dann unterlägen, wenn sie sich zusammen mit den in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften zu einer rentenrechtlichen Gesamtrechtsposition verbänden. "Selbst wenn man die Gesamtheit der erworbenen Anwartschaften als rentenrechtliche Einheit dem Eigentumsschutz des Art 14 Abs 1 GG unterstellen würde …, hätte der Gesetzgeber durch § 22 Abs 4 FRG 1996 von seiner Befugnis zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art 14 Abs 1 S 2 GG) - vorbehaltlich des noch zu prüfenden Gesichtspunkts des Vertrauensschutzes … - einen verfassungsgemäßen Gebrauch gemacht. Das Ergebnis ist daher kein anderes als wenn im vorliegenden Fall der Eigentumsschutz auf die Anteile der rentenrechtlichen Position beschränkt wäre, denen in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegte Beitragszeiten zugrunde liegen" (BVerfGE 116, 96, 124 = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 84; dies jüngst erneut bekräftigend BVerfG <Kammer> vom 15.7.2010 - 1 BvR 1201/10 - SozR 4-5050 § 22 Nr 11 RdNr 29).
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Damit steht fest, dass die (erste) Frage nach der Reichweite des Eigentumsschutzes im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich ist, weil es auf sie für das Ergebnis nicht ankommt; die weitere Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs 4 FRG bei Zugrundelegung einer "rentenrechtlichen Gesamtposition" ist hingegen bereits höchstrichterlich geklärt (bejaht). Die diesbezüglichen Ausführungen des BVerfG sind nicht bloß "obiter dicta", welche nicht ohne Weiteres zur Klärung der Rechtslage führen. Vielmehr waren in vier von fünf Fällen, die der Entscheidung des BVerfG vom 13.6.2006 zugrunde lagen, die Versicherten sowohl im Ausland (Rumänien) als auch - nach Übersiedlung - in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, ehe sie Altersrente bezogen (vgl BVerfGE 116, 96, 103, 108, 109, 110 f = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 29, 40, 46, 49). Der Kläger muss hiernach die Kürzung der ihm nach dem FRG aus Gründen besonderer staatlicher Fürsorge zuerkannten pEP für in der Sowjetunion zurückgelegte Beschäftigungszeiten um 40 vH hinnehmen.
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Weiterer Klärungsbedarf besteht insoweit auch nicht unter dem eigentumsrechtlich irrelevanten Gesichtspunkt, dass er die Beiträge an den Versicherungsträger in der Sowjetunion während fortdauernder Verschleppung gezahlt hat (vgl BVerfGE 116, 96, 122 f = SozR 4-5050 § 22 Nr 5 RdNr 82). Ebenso unerheblich ist die in Rechtsfrage (1) hervorgehobene deutsche Staatsangehörigkeit des Personenkreises, dem der Kläger angehört. Dass auch deutsche Staatsangehörige von den Regelungen des FRG erfasst werden, ergibt sich unmittelbar aus § 1 Buchst c FRG iVm Art 116 Abs 1 GG.
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(2) Als grundsätzlich klärungsbedürftig benennt der Kläger weiterhin die Frage,
"ob § 22 Abs 4 FRG, der erst im Jahre 1996 eingeführt worden ist, auf Personen, die ihren Wohnsitz als deutsche Staatsbürger nach Heimkehr aus Kriegsgefangenschaft oder Verschleppung vor dem 01.01.1993 im Bundesgebiet genommen und damit vor diesem Zeitpunkt die Vertriebeneneigenschaft nach § 1 Abs 2 Nr 3 BVFG erworben haben, anwendbar ist oder ob § 100 Abs 1 BVFG der Anwendung entgegensteht".
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Auch diese Frage bedarf keiner weiteren höchstrichterlichen Klärung in einem Revisionsverfahren, weil die Antwort zweifelsfrei auf der Hand liegt.
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§ 100 BVFG, dessen heutige Regelung mit Wirkung vom 1.1.1993 durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz (KfbG - vom 21.12.1992, BGBl I 2094) nach der neu eingefügten Überschrift "Achter Abschnitt - Übergangs- und Schlussvorschriften" erstmals normiert wurde, hat folgenden Wortlaut:
"(1) Für Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 finden die vor dem 1. Januar 1993 geltenden Vorschriften nach Maßgabe der Absätze 2 bis 8 Anwendung.
(2) …
(7) § 90a Abs. 2 ist bis zum 30. Juni 1993 in der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe für einen Zeitraum im Dezember 1992 bestanden haben.
(8) § 90a Abs. 1, 3 und 4 ist in der bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung weiterhin anzuwenden."
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Der Kläger meint, dem Wortlaut der Vorschrift sowie den "Materialien des BVFG" sei der deklarierte Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, dass alle Personen, die bis zum 31.12.1992 in das Bundesgebiet übergesiedelt sind, die bis zu diesem Stichtag "erworbenen Rechte nach allen gesetzlichen Normen, die Rechte und Vergünstigungen für Vertriebene vorsahen, behalten und die noch nicht geltend gemachten Ansprüche unter ausschließlicher Berücksichtigung der bis zum 1.1.1993 geltenden Rechtsnormen geltend machen können"; hierzu gehörten auch die rentenrechtlichen Ansprüche "gemäß § 90 FRG" (gemeint ist offenbar § 90 BVFG aF iVm den Regelungen des FRG). Die so verstandene "Ewigkeitsgarantie des am 31.12.1992 geltenden günstigeren Rechts" als unverrückbarer Besitzstand schließe eine Anwendung des erst im Jahr 1996 eingeführten Abschlags auf rentenrechtliche Zeiten nach § 22 Abs 4 FRG nF zu Lasten der bereits bis zum 31.12.1992 nach Deutschland übergesiedelten Personen aus.
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Dass diese Rechtsmeinung des Klägers unzutreffend ist, ergibt sich bereits aus dem vollständigen Inhalt der Regelungen des § 100 BVFG nF. Wäre seine Interpretation von § 100 Abs 1 BVFG nF richtig, hätte es der ausdrücklichen Anordnung in § 100 Abs 8 BVFG nF zur Fortgeltung der Regelungen des § 90a BVFG in der bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung (aF) zum Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nicht bedurft; sie wäre vollständig überflüssig. Der Gesetzgeber hat jedoch ausweislich der Materialien zum Gesetzgebungsverfahren in der Übergangsregelung des § 100 Abs 1 BVFG nF "die weitere Anwendung des BVFG in seiner bis zum Inkrafttreten des KfbG geltenden Fassung für Vertriebene und Flüchtlinge" angeordnet, damit für Personen im Sinne der §§ 1 bis 3 BVFG "auch künftig das bisherige Vertriebenenrecht … uneingeschränkt weiterhin anzuwenden ist" (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum KfbG, BT-Drucks 12/3212 S 27 - Zu § 100). Die Norm regelt mithin lediglich die weitere Geltung der Vorschriften des BVFG im Hinblick auf die den besonderen Status als Vertriebener, Emigrant, Um- oder Aussiedler begründenden Tatbestände, befasst sich jedoch nicht mit den gemäß § 90 Abs 3 BVFG aF ohnehin in einem eigenen Bundesgesetz gesondert zu regelnden sozialversicherungsrechtlichen Ansprüchen dieser Personengruppe.
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Aber selbst wenn - was nicht der Fall ist - § 100 Abs 1 BVFG in der ab 1.1.1993 geltenden Fassung in dem vom Kläger reklamierten Sinne zu verstehen wäre, könnte daraus keinesfalls abgeleitet werden, dass diese Regelung der vom Kläger angegriffenen späteren Änderung des FRG durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG - vom 25.9.1996, BGBl I 1461) entgegensteht. Denn bereits nach der allgemeinen Rechtsregel, dass eine später erlassene themenidentische Norm die frühere verdrängt ("lex posterior derogat legi priori"), hat § 22 Abs 4 FRG (idF des WFG) iVm Art 6 § 4c FANG (idF von Art 16 Nr 2 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007, BGBl I 554) zur Folge, dass jedenfalls ab 1.10.1996 aus der allgemeinen Übergangsvorschrift des § 100 Abs 1 BVFG nF keine weitergehenden Rechte mehr hergeleitet werden könnten.
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2. Ein Verfahrensmangel, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Revisionszulassung führen könnte, liegt ebenfalls nicht vor.
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Der Kläger rügt insoweit eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG), weil sich das LSG im Berufungsurteil nicht ausdrücklich mit seinem Vortrag zur Unanwendbarkeit der Regelung des § 22 Abs 4 FRG nF im Hinblick auf die ihm zukommende Privilegierung gemäß § 100 Abs 1 BVFG befasst, sondern lediglich auf die Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 116, 96, 101) hingewiesen habe. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass das Berufungsgericht entscheidungserhebliches Vorbringen des Klägers unter Verletzung von Art 103 Abs 1 GG nicht in Erwägung gezogen hat. Das LSG hat vielmehr die Rechtsmeinung des Klägers zur Unanwendbarkeit des § 22 Abs 4 FRG nF aufgrund der ihm aus § 100 Abs 1 BVFG nF zukommenden Rechtsposition im Tatbestand seines Urteils (dort Seite 5 unten/ Seite 6) ausführlich wiedergegeben. Wenn es sich in den Entscheidungsgründen darauf beschränkt hat, seine Rechtsauffassung von der Anwendbarkeit des § 22 Abs 4 FRG nF im Fall des Klägers mit einem Hinweis auf die maßgebliche Entscheidung des BVerfG zu untermauern, so liegt darin keine Gehörsverletzung.
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3. Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 25.8.2010 zusätzlich "auf die Senatsentscheidung vom 19.05.2009, B 5 R 17/06 R" hinweist (eine solche gibt es nicht; gemeint ist möglicherweise das Urteil vom 19.5.2009 - B 5 R 14/08 R - SozR 4-2600 § 250 Nr 6), eine Anerkennung weiterer Ersatzzeiten fordert und eine gegen Art 3 GG verstoßende Diskriminierung beklagt, kann das Vorbringen schon deshalb nicht zur Revisionszulassung führen, weil er es nach Ablauf der am 19.7.2010 endenden Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde erstmals geltend gemacht hat (vgl § 160a Abs 2 Satz 1 SGG). Im Übrigen erfüllt dieser Vortrag auch sonst nicht die Anforderungen an die Darlegung von Revisionszulassungsgründen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
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4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen einer Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbs 2 SGG).
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.
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