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BVerfG 15.11.2023 - 2 BvG 1/19, 2 BvG 1/21
BVerfG 15.11.2023 - 2 BvG 1/19, 2 BvG 1/21 - Anträge der Freistaaten Sachsen und Thüringen im Bund-Länder-Streit bzgl der Kostentragung für vereinigungsbedingte ökologische Altlasten unzulässig - mangelnde Antragsbefugnis - verfassungsrechtliche Pflicht des Bundes zur Kostentragung nicht dargelegt
Normen
Art 30 GG, Art 83 GG, Art 84 GG, Art 93 Abs 1 Nr 3 GG, Art 93 Abs 1 Nr 3 GG, § 13 Nr 7 BVerfGG, § 64 Abs 1 BVerfGG, § 68 BVerfGG, § 69 BVerfGG, Art 1 § 4 Abs 3 URaG
Leitsatz
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Zur Antragsbefugnis im Bund-Länder-Streit (Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7 BVerfGG).
Tenor
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1. Die Verfahren 2 BvG 1/19 und 2 BvG 1/21 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
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2. Die Anträge werden verworfen.
Gründe
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Die beiden Bund-Länder-Streitigkeiten betreffen die Frage, ob ungeachtet der jeweils durch einen Generalvertrag getroffenen Regelungen der Bund zukünftige Kosten für ökologische Altlasten zu tragen hat, die durch ehemalige Staatsbetriebe der Deutschen Demokratischen Republik verursacht wurden.
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A.
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I.
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1. Im Zuge der Wiedervereinigung wurden die staatseigenen Betriebe der Deutschen Demokratischen Republik in die Treuhandanstalt (nachfolgend: Treuhand) überführt, eine nach der Wiedervereinigung der Fach- und Rechtsaufsicht des Bundesministers der Finanzen unterstellte Anstalt des öffentlichen Rechts. Ihre Aufgabe war die Verwaltung und Privatisierung staatseigenen Vermögens im Interesse der Allgemeinheit.
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2. Im Rahmen der Privatisierung der Betriebe durch die Treuhand wurde in vielen Fällen eine Freistellung des Käufers von der Verantwortlichkeit für bereits bestehende Umweltschäden vertraglich vereinbart. Diese sollte aber nur dann greifen, wenn keine Haftungsfreistellung nach gesetzlichen Vorschriften, insbesondere nach Art. 1 § 4 Abs. 3 des Umweltrahmengesetzes (URaG) in Betracht kam. Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG sieht nach der Neufassung durch Art. 12 des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen vom 22. März 1991 (BGBl I S. 766 788>; berichtigt S. 1928) unter folgenden Voraussetzungen eine Freistellung vor:
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Eigentümer, Besitzer oder Erwerber von Anlagen und Grundstücken, die gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, sind für die durch den Betrieb der Anlage oder die Benutzung des Grundstücks vor dem 1. Juli 1990 verursachten Schäden nicht verantwortlich, soweit die zuständige Behörde im Einvernehmen mit der obersten Landesbehörde sie von der Verantwortung freistellt. Eine Freistellung kann erfolgen, wenn dies unter Abwägung der Interessen des Eigentümers, des Besitzers oder des Erwerbers, der durch den Betrieb der Anlage oder die Benutzung des Grundstücks möglicherweise Geschädigten, der Allgemeinheit und des Umweltschutzes geboten ist. Die Freistellung kann mit Auflagen versehen werden. Der Antrag auf Freistellung muss spätestens innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Beseitigung von Hemmnissen bei der Privatisierung von Unternehmen und zur Förderung von Investitionen gestellt sein. Im Falle der Freistellung treten an Stelle privatrechtlicher, nicht auf besonderen Titeln beruhender Ansprüche zur Abwehr benachteiligender Einwirkungen von einem Grundstück auf ein benachbartes Grundstück Ansprüche auf Schadensersatz. Die zuständige Behörde kann vom Eigentümer, Besitzer oder Erwerber jedoch Vorkehrungen zum Schutz vor benachteiligenden Einwirkungen verlangen, soweit diese nach dem Stand der Technik durchführbar und wirtschaftlich vertretbar sind. Im Übrigen kann die Freistellung nach Satz 1 auch hinsichtlich der Ansprüche auf Schadensersatz nach Satz 5 sowie nach sonstigen Vorschriften erfolgen; auch in diesem Falle ist das Land Schuldner der Schadensersatzansprüche.
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Ob die Voraussetzungen für eine Freistellung nach dieser Vorschrift vorlagen, war im Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung für die Parteien in aller Regel nicht absehbar, da zu diesem Zeitpunkt noch keine abschließende Entscheidung der zuständigen Landesbehörde ergangen war.
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Die Länder waren angesichts der Vertragspraxis der Treuhand der Auffassung, dass unter Hinweis auf den Wortlaut von Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG nach Abschluss eines Privatisierungsvertrags eine gesetzliche Freistellung nicht mehr geboten war, soweit die Treuhand bereits im Rahmen einer solchen Vereinbarung für Altlasten entsprechende vertragliche Freistellungsregelungen vorgesehen hatte. Entsprechend zurückhaltend wurden in der Praxis Freistellungen nach Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG erteilt.
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3. Aufgrund dessen entstand ein Interessenkonflikt zwischen der Treuhand und den Ländern. Um diesen aufzulösen, schlossen der Bund und die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am 1. Dezember 1992 das Verwaltungsabkommen über die Regelung der Finanzierung der ökologischen Altlasten (nachfolgend: Verwaltungsabkommen). Dieses wurde mehrfach ergänzt und fortgeschrieben. Es sieht in seiner ab 1. Januar 1995 geltenden Fassung im Wesentlichen vor, dass die Länder die Voraussetzungen für eine Beschleunigung der gesetzlichen Freistellungsverfahren schaffen. Die Kosten der Freistellung nach Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG für Unternehmen der Treuhand werden von der Treuhand zu 60 % und vom jeweiligen Land zu 40 % getragen. Für Großprojekte wurde eine abweichende Quote von 75 % (Treuhand) zu 25 % (Land) vereinbart. Bei kostenintensiven Maßnahmen mussten die Gefahrenabwehr- und Sanierungsmaßnahmen einvernehmlich festgelegt werden. Zur Koordinierung und Abstimmung von Einzelfragen bei der Vertragsdurchführung wurde eine Gemeinsame Arbeitsgruppe Bund/Treuhand/Länder gebildet.
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4. Praktische Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Verwaltungsabkommens führten dazu, dass einige Länder für einzelne Großprojekte mit der Treuhand, zum 1. Januar 1995 umbenannt in Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, Pauschalvereinbarungen abschlossen. Nach Beschluss der Gemeinsamen Arbeitsgruppe konnte unter bestimmten Voraussetzungen der Finanzierungsanteil der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben verbindlich durch eine abschließende Einmalzahlung pauschaliert werden, so dass das jeweilige Land bei der Durchführung der notwendigen Sanierungsmaßnahmen nicht mehr auf das Einvernehmen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben angewiesen war. Aus den Pauschalvereinbarungen für einzelne Großprojekte entwickelten sich die sogenannten Generalverträge als jeweils landesbezogene Gesamtlösung.
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Die Generalverträge modifizieren die Bestimmungen des Verwaltungsabkommens. Sie regeln die Verteilung der Finanzierungslasten für vor dem 1. Juli 1990 verursachte ökologische Schäden. Dafür wurden die voraussichtlichen Sanierungskosten im Verantwortungsbereich der ehemaligen Treuhand-Unternehmen und Treuhand-Nachfolgeeinrichtungen ermittelt. Die Kostenschätzung erfolgte auf Basis des jeweiligen Wissenstandes im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Die Generalverträge sehen vor, dass die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben an die Länder auf Basis der geschätzten Kosten und der voraussichtlichen Laufzeit der jeweiligen Sanierungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der im Verwaltungsabkommen festgelegten Quoten eine diskontierte abschließende Zahlung auf die im Verwaltungsabkommen übernommenen Refinanzierungsverpflichtungen leistet und im Anschluss weitere Ansprüche aus dem Verwaltungsabkommen künftig nicht mehr bestehen. Im Gegenzug entfällt das dort geregelte Erfordernis eines Einvernehmens der Vertragsparteien über die Gefahrenabwehr- und Sanierungsmaßnahmen sowie die Mittelverwendung. Weiter übernehmen die Länder die alleinige künftige Kostenverantwortung für die Beseitigung ökologischer Altlasten und stellen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben insoweit von Altlastenansprüchen der Vertragspartner aus den Privatisierungsverträgen frei.
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Die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben schloss den ersten Generalvertrag mit dem Antragsteller zu II. im Jahr 1999 sowie weitere Generalverträge mit dem Land Sachsen-Anhalt im Jahr 2001, mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2002 und mit dem Antragsteller zu I. im Jahr 2008. Mit den Ländern Berlin und Brandenburg wurden keine Generalverträge geschlossen.
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Die Generalverträge enthalten bei der Überschreitung eines jeweils festgelegten Kostenschwellenwerts binnen zehn Jahren Nachverhandlungsklauseln (sog. Revisionsklauseln). Ziel dieser Klauseln ist die Teilung der Mehrkosten entsprechend der im Verwaltungsabkommen festgelegten Quoten.
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a) Im Generalvertrag mit dem Antragsteller zu I. gingen die Vertragsparteien von einem Gesamtsanierungsaufwand von 350 Millionen Euro aus. Sollte nach Ablauf von zehn Jahren nach dem 1. Januar 2008 feststehen, dass der Gesamtsanierungsaufwand 425 Millionen Euro übersteigt oder in absehbarer Zeit übersteigen wird, wollten die Parteien in Verhandlungen über die Kostenteilung hinsichtlich der Mehrkosten treten.
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Mit inhaltsgleichen Schreiben vom 8. Oktober 2018 wandte sich der Antragsteller zu I. an das Bundesministerium der Finanzen und an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Rechtsnachfolgerin der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben. Er teilte mit, dass die geschätzten Zukunftskosten von 350 Millionen Euro im Jahr 2027 erreicht sein und aus der Umsetzung des Vertrages im Anschluss weitere Mehrkosten von etwa 234 Millionen Euro entstehen würden. Die Mehrkosten seien zum einen auf die Steigerung des Baupreisindexes um über 30 % und zum anderen auf erhöhte Anforderungen an die Altlastensanierung nach zwischenzeitlich erfolgter weiterer Erkundung der Altlastenfälle zurückzuführen. Der Antragsteller zu I. sah daher die Voraussetzungen der Revisionsklausel als erfüllt an und begehrte die Aufnahme von Nachverhandlungen über die Mehrkosten. Eine Nachverhandlungspflicht der Antragsgegnerin ergebe sich zudem aus dem Verfassungsrecht, da zum einen einzelne Länder überdurchschnittlich mit Finanzmitteln bedacht worden seien und zum anderen die verfassungsrechtlich gebotene Mitfinanzierungspflicht der Antragsgegnerin nicht durch das Verwaltungsabkommen oder den Generalvertrag habe abbedungen werden können. Im Übrigen appellierte der Antragsteller zu I. an die politische Pflicht der Antragsgegnerin, ungeachtet der vertraglichen Regelungen ihrer Verantwortung für die ökologischen Altlasten gerecht zu werden.
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Mit Schreiben vom 9. November 2018 wies die Antragsgegnerin das Nachverhandlungsverlangen des Antragstellers zu I. zurück. Es sei unklar, wann der vereinbarte Schwellenwert von 425 Millionen Euro überschritten werde. Die Formulierung "in absehbarer Zeit" könne nur so verstanden werden, dass die Zeitspanne deutlich unterhalb der Frist von zehn Jahren gemäß § 2.6 des Vertrages liegen müsse. Im Übrigen seien die dargelegten Kostensteigerungen nicht auf neue, nicht erwartbare oder unbekannte Risiken zurückzuführen, so dass die Klausel auch insoweit nicht einschlägig sei.
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b) Im Generalvertrag mit dem Antragsteller zu II. gingen die Vertragsparteien von einem Gesamtsanierungsaufwand von etwa 1,3 Milliarden Deutsche Mark aus, wobei über die Hälfte der geschätzten Kosten auf das Großprojekt "Kali" entfiel. Sollte nach Ablauf von zehn Jahren nach Wirksamwerden des Generalvertrags aus dem Jahr 1999 feststehen, dass dem Land bis dahin aufgrund des Vertrages Mehrausgaben von über 20 % der dem Vertrag zugrunde gelegten Gesamtkosten entstanden sind, wollten die Parteien in Verhandlungen über die Kostenteilung hinsichtlich der Mehrkosten treten. Im Jahr 2009 zeichnete sich ab, dass die Kosten für die beiden Großprojekte "Rositz" und "Kali" wesentlich höher ausfielen, als zunächst in der Kostenschätzung des Vertrages berücksichtigt, und die Kostengrenze in den nächsten Jahren überschritten würde. Nach Berechnung des Antragstellers zu II. wurde die Kostengrenze tatsächlich im Jahr 2017 überschritten.
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Nach diversen Schriftwechseln forderte der Antragsteller zu II. mit Schreiben vom 2. Dezember 2020 die Antragsgegnerin sowie die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben unter Fristsetzung bis zum 21. Dezember 2020 und Klageandrohung abschließend auf, die Ansprüche des Antragstellers auf Nachverhandlungen zur erneuten Kostenbeteiligung anzuerkennen und hierzu in Verhandlungen mit dem Antragsteller einzutreten. Eine Reaktion auf diese Schreiben erfolgte nicht.
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Am 30. Dezember 2020 erhob der Antragsteller zu II. gegen die Antragsgegnerin und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben Klage zum Verwaltungsgericht. Er macht Ansprüche unmittelbar aus dem Generalvertrag und aus dem Verwaltungsabkommen als verwaltungsrechtliche Verträge nicht verfassungsrechtlicher Art geltend. Der Antragsteller zu II. begehrt dort mit seinem Hauptantrag die Anpassung des Generalvertrags und die Verpflichtung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zur Aufnahme von Nachverhandlungen mit dem Ziel der Übernahme der Kosten nach Maßgabe des Verwaltungsabkommens durch diese. Weiter wird die Feststellung einer gesamtschuldnerischen Haftung der Antragsgegnerin beantragt. Hilfsweise begehrt der Antragsteller zu II. die Feststellung der teilweisen Nichtigkeit der Revisionsklausel und deren Ersetzung durch eine rechtmäßige Revisionsklausel. Höchst hilfsweise begehrt er die Feststellung der Nichtigkeit des Generalvertrags wegen Verstoßes gegen Art. 104a Abs. 1 GG sowie die Kostenübernahme nach den Grundsätzen des Verwaltungsabkommens.
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5. Der Antragsteller zu I. hat mit im Mai 2019 beim Bundesverfassungsgericht eingegangenem Schriftsatz, der Antragsteller zu II. mit im Juni 2021 eingereichtem Schriftsatz die vorliegenden Bund-Länder-Streitigkeiten angestrengt.
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II.
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1. Die Antragsteller halten ihr Begehren jeweils für zulässig.
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a) Der Antragsteller zu I. vertritt die Auffassung, dass die Weigerung der Antragsgegnerin vom 9. November 2018, wonach sie unter Berufung auf den Generalvertrag eine Übernahme von künftigen Mehrkosten ablehne, eine rechtserhebliche Maßnahme sei.
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aa) Die Meinungsverschiedenheiten zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin in Bezug auf die Finanzierungsverpflichtungen für vereinigungsbedingte ökologische Altlasten und die Freistellung hiervon für künftig noch durchzuführende Maßnahmen seien zulässiger Verfahrensgegenstand eines Bund-Länder-Streits nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG. Das zugrunde liegende Rechtsverhältnis sei verfassungsrechtlicher Natur.
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(1) Konkret stehe im Streit, ob und in welcher Höhe die Antragsgegnerin entsprechende Finanzierungsverpflichtungen zu tragen habe. Der Antragsteller zu I. ist der Auffassung, dass eine Disposition über finanzverfassungsrechtliche Finanzierungspflichten nicht möglich und der Generalvertrag sowie das Verwaltungsabkommen nichtig seien, weil sie gegen Art. 104a GG verstießen. Gehe es, wie vorliegend, um die Zuordnung von Finanzlasten dem Grunde nach, beruhe das streitige Rechtsverhältnis verfassungsrechtlich auf Art. 104a Abs. 1 GG. Folglich sei die Frage der Finanzierungsverpflichtung nicht Gegenstand der Handhabung der Verwaltungspraxis oder vertraglicher Regelungen, sondern allein Gegenstand des Verfassungsrechts. Die Frage der Finanzierungsverpflichtung könne auch nicht dispositiver Gegenstand vertraglicher Regelungen sein, da über Art. 104a GG und die Aufgabenzuweisung der Art. 83 ff. GG als zwingendes Recht nicht verfügt werden könne. Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern seien auch mit Zustimmung der Beteiligten nicht zulässig.
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Für die hier gegenständlichen Bereiche obliege die Finanzierungsverantwortung allein der Antragsgegnerin. Der Umgang mit vereinigungsbedingten Altlasten und speziell die Altlastenfreistellung seien Aspekte, die im Kontext der Wiedervereinigung Deutschlands dem Bereich der Privatisierung ehemaliger staatseigener Betriebe zuzuordnen seien. Dies sei für die Altlastenfreistellung weithin anerkannt und gelte auch und gerade für Altlastenfreistellungen nach dem Umweltrahmengesetz. Die Regelung des Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG habe wirtschaftsfördernden Charakter. Der Sache nach handele es sich bei der Altlastenfreistellung nicht um den Vollzug von Umweltrecht oder allgemeinem Ordnungsrecht, sondern um eine Verschonungssubvention. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass die Intention des Umweltrahmengesetzes darin liege, Investitionshemmnisse zu beseitigen und Anreize für Investoren zu schaffen. Im Ergebnis sei die Altlastenfreistellung als Instrument der Wirtschaftsförderung zu verstehen, welches für die Privatisierung staatseigenen Vermögens durch die Treuhand geschaffen worden sei. Die Privatisierung der staatseigenen Betriebe sei originäre Aufgabe des Bundes gewesen. Dies gelte sowohl materiell als auch verwaltungsstrukturell. Im Einigungsvertrag (BGBl II 1990 S. 885 ff., nachfolgend EV) werde abweichend vom allgemeinen Verwaltungs- und Finanzvermögen (vgl. Art. 21, 22 EV) das Wirtschaftsvermögen der Deutschen Demokratischen Republik nicht den Ländern, sondern der Treuhand als bundeseigene Anstalt zur Verwaltung und Verwertung überlassen. Daraus werde deutlich, dass eine Verwaltungskompetenz der Länder für die Vorgänge der Privatisierung und damit auch für ein zentrales Instrument der Privatisierung, die Altlastenfreistellung, augenscheinlich nicht vorgesehen sei.
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Folglich habe die Antragsgegnerin für die Privatisierung der ehemals staatseigenen Wirtschaftseinheiten und die in diesem Kontext mögliche Altlastenfreistellung die Verwaltungskompetenz im Sinne der Art. 83 ff. GG. Dies ergebe sich daraus, dass die Privatisierung unter den Gesetzgebungstitel des Art. 74 Nr. 11 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG falle. Jedenfalls bestehe nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11. März 1997 (vgl. BVerfGE 95, 243 248 f.>) im Hinblick auf die Regelungen zur Verteilung des öffentlichen Vermögens der Deutschen Demokratischen Republik und damit auch in Bezug auf die hier gegenständliche Regelung eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes kraft Natur der Sache.
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Ausgehend von der Gesetzgebungskompetenz der Antragsgegnerin für die Sachmaterie ergebe sich aus Art. 87 Abs. 3 GG auch ihre entsprechende Verwaltungskompetenz für die Einrichtung der Treuhand als bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts. Hieraus folge, dass es sich bei der Sachmaterie um einen Gegenstand der Bundesverwaltung handele, für die hinsichtlich der Rechtsfolgen Art. 86 GG gelte. Damit bestehe bereits eine geschriebene Verwaltungskompetenz der Antragsgegnerin für die hier gegenständliche Materie.
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Jedenfalls aber sei aufgrund der gesamtdeutschen Aufgabe eine Verwaltungskompetenz kraft Natur der Sache gegeben. Die staatliche Aufgabe der Systemliquidierung und Systemumstellung in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gehe in einem übergreifenden Sinn nicht nur in ihren Auswirkungen über die Grenzen der einzelnen Länder hinaus, sondern könne insgesamt nur durch den Bund wirksam wahrgenommen werden. Daraus folge für den Bund eine übergreifende Aufgabengesamtverantwortung für den Vereinigungsprozess.
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Eine abweichende Zuordnung der Ausgabenlast komme nicht in Betracht. Weder existiere hierfür eine verfassungsrechtliche Rechtsgrundlage, die die Ausgabenlast den Ländern zuordne, noch bestehe eine verfassungsrechtlich zulässige Möglichkeit, über die Tragung der Ausgabenlast zu disponieren; bei den gegenständlichen verfassungsrechtlichen Vorschriften handle es sich um zwingendes Recht.
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(2) Selbst wenn man der Freistellungsregelung im Umweltrahmengesetz eine ordnungsrechtliche Zielsetzung beimessen und von einer überschneidenden Aufgabenzuständigkeit zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin für die Altlastenfreistellung ausgehen wolle, führe dies gleichwohl nicht zur verfassungsrechtlichen Rechtmäßigkeit der Verweigerung einer künftigen, wenigstens anteiligen Finanzierung der Ausgaben durch die Antragsgegnerin. Zwar sei dann eine Vereinbarung über die Kostenaufteilung rechtlich zulässig. Dennoch müsse die Quote in Anknüpfung an die Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabe bestimmt werden. Nach dem Sinn und Zweck der Altlastenfreistellung und im Hinblick auf den gesetzlichen Auftrag der Treuhand zur Privatisierung der ehemals staatlichen Wirtschaftseinheiten könne einer originär ordnungsrechtlichen Zielsetzung der Altlastenfreistellung allenfalls untergeordnete Bedeutung zukommen. Vor diesem Hintergrund sei jedenfalls eine überwiegende Finanzierung durch den Bund verfassungsrechtlich geboten.
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(3) Gleiches gelte für die unterschiedliche Vertragspraxis des Bundes im Hinblick auf die einzelnen Länder. Die Weigerung, sich an den künftigen Kosten der ökologischen Altlasten zu beteiligen, führe zu einer Verletzung der verfassungsrechtlichen Gebote der Bundestreue und der föderativen Gleichbehandlung der Länder. Zumindest mit Blick auf die Länder Berlin und Brandenburg liege eine willkürliche Ungleichbehandlung vor, da sich die Antragsgegnerin bei diesen Ländern auch weiterhin nach den Quoten des Verwaltungsabkommens an den Kosten der ökologischen Altlasten beteilige.
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(4) Die streitentscheidenden Normen seien im vorliegenden Fall Art. 104a Abs. 1 GG sowie diesem vorgelagert Art. 83 ff. GG beziehungsweise bei Verletzung des Gebots der Bundestreue und der föderativen Gleichbehandlung der Länder Art. 20 Abs. 1 GG und damit verfassungsrechtlicher Natur.
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bb) Sollte der Antrag nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG unzulässig sein, wäre seine Zulässigkeit jedenfalls aus der subsidiären Bund-Länder-Streitigkeit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG, § 13 Nr. 8, § 71 f. BVerfGG gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei der Streit um Rechte aus dem Einigungsvertrag - wie vorliegend - als tauglicher Antragsgegenstand anerkannt.
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b) Der Antragsteller zu II. vertritt die Auffassung, das Ausbleiben einer Antwort der Antragsgegnerin auf die mit Schreiben vom 2. Dezember 2020 gesetzte Frist stelle eine rechtserhebliche Unterlassung der Antragsgegnerin dar, die seine verfassungsrechtliche Rechtsstellung für die Zukunft beeinträchtige.
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aa) Dem Bund-Länder-Streit liege ein statthafter Streitgegenstand zugrunde.
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(1) Zum einen beruhe das zwischen den Beteiligten streitige Rechtsverhältnis auf Art. 104a Abs. 1 GG. Bei der Weigerung der Antragsgegnerin, sich an der weiteren Finanzierung der Mehrkosten der ökologischen Altlastensanierung in Thüringen zu beteiligen, gehe es um die Zuordnung von Finanzlasten und damit um die Beantwortung der Frage, ob der Bund gegenüber dem Antragsteller - ungeachtet der getroffenen verwaltungsvertraglichen Vereinbarungen - von Verfassungs wegen verpflichtet sei, die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung der Aufgabe "Altlastensanierung in Thüringen" ergäben, weiterhin anteilig zu tragen. Der Antragsteller mache dabei keine Rechte aus den Vereinbarungen oder durch die Vereinbarungen begründete Rechte geltend. Ebenso wenig begehre er die Auslegung der vertraglichen Regelungen oder Feststellungen zur konkreten Höhe der die Beteiligten jeweils treffenden Pflicht zur Kostentragung. Die Klärung dieser Fragen bleibe Aufgabe der Verwaltungsgerichte. Es gehe vielmehr um die Zuordnung von Finanzlasten dem Grunde nach. Kern des Streites sei nicht der Inhalt der vertraglichen Regelungen, sondern die verfassungsrechtliche Frage, ob Art. 104a Abs. 1 GG unabhängig vom Vertragsverhältnis zwischen den Beteiligten eine unmittelbare Anspruchsgrundlage für das Begehren des Antragstellers darstelle, eine weitere Finanzierungsbeteiligung der Antragsgegnerin zu erreichen.
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(2) Zum anderen beruhe der von dem Antragsteller zu II. geltend gemachte Verstoß gegen das Gebot der föderativen Gleichbehandlung auf einem Bund und Land umspannenden materiellen Verfassungsrechtsverhältnis. Das Gebot föderativer Gleichbehandlung folge aus dem Bundesstaatsprinzip und dem Gleichheitsgrundsatz. Der Antragsteller zu II. mache insofern keinen in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten wurzelnden Anspruch geltend, sondern stehe auf dem Standpunkt, dass die Antragsgegnerin unmittelbar aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebots der föderativen Gleichbehandlung verpflichtet sei, ihn im Hinblick auf die Bedingungen für Nachverhandlungen über die Kostentragung ebenso günstig zu behandeln wie den Antragsteller zu I.
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bb) Der Zulässigkeit des Antrags stehe nicht die Rechtshängigkeit des Rechtsstreits vor dem Verwaltungsgericht entgegen, da die unterschiedlichen Streitgegenstände des verwaltungsgerichtlichen und des verfassungsgerichtlichen Verfahrens wesensverschieden seien. Im Übrigen bestehe auch ein Rechtsschutzbedürfnis, da es keine Subsidiarität des Bund-Länder-Streits gegenüber dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren gebe. Die streitigen Fragen zur Reichweite der finanzverfassungsrechtlichen Verpflichtungen der Antragsgegnerin könnten nicht anderweitig einer bundesverfassungsgerichtlichen Klärung zugeführt werden. Es komme weder eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG in Betracht, noch sei eine Verfassungsbeschwerde gegen die das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung zulässig.
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2. Die Antragsgegnerin hält die Anträge für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.
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a) Im Verfahren 2 BvG 1/19 sei der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht zwar gegeben, weil es sich um eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art handele. Der Antragsteller zu I. sei der Auffassung, ausschließlich die Antragsgegnerin solle für die Kosten der sogenannten vereinigungsbedingten ökologischen Altlasten aufkommen. Damit rüge er vorrangig eine Verletzung des Konnexitätsprinzips des Art. 104a Abs. 1 GG. Auch soweit der Antragsteller zu I. einen Verstoß gegen das Gebot der föderativen Gleichbehandlung geltend mache, leite sich dieses aus dem Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ab. Allerdings richteten sich Haupt- und Hilfsantrag nicht gegen die eigentlich maßgebliche rechtserhebliche Maßnahme der Antragsgegnerin, die die Meinungsverschiedenheit ausgelöst habe, sondern gegen spätere Schreiben. Auch ergebe sich der von dem Antragsteller geltend gemachte Anspruch weder aus Art. 104a Abs. 1 GG noch aus dem Gebot der föderativen Gleichbehandlung.
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aa) Die Antragsgegnerin sei nicht verpflichtet, für die Vergangenheit oder künftig die Kosten des Antragstellers zu I. zu übernehmen. Die Pflicht zur Kostentragung richte sich gemäß Art. 104a Abs. 1 GG danach, wem die entsprechende Verwaltungszuständigkeit nach den Art. 83 ff., 30 GG obliege. Soweit im Grundgesetz nichts anderes geregelt sei, begründeten die allgemeinen Kompetenzregelungen der Art. 83 ff., 30 GG deshalb eine umfassende Aufgaben- und somit auch Ausgabenverantwortung der Länder. Ihnen obliege es grundsätzlich, die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit auszuführen.
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Der Antragsteller zu I. verkenne, dass er die Verwaltungszuständigkeit für die Altlastenfreistellung nach Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG, für die Gefahrenabwehr auf dem Gebiet des Umweltrechts und nicht zuletzt für die Förderung der regionalen Wirtschaft durch Verschonungssubvention habe. Dabei sei unerheblich, welche Gebietskörperschaft die gesetzliche Regelung erlassen habe, da Art. 104a Abs. 1 GG nicht auf das Veranlassungsprinzip abstelle. Allein maßgebend sei die Verwaltungskompetenz. Eine ausschließliche Verwaltungskompetenz des Bundes sei vorliegend nicht gegeben. Eine Durchbrechung der Zuweisung der Verwaltungskompetenzen an die Länder nach Art. 83 ff., 30 GG und die Begründung einer stillschweigenden Verwaltungskompetenz aus der Natur der Sache sei nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich und setze voraus, dass der Zweck des auszuführenden Gesetzes durch ein einzelnes Land nicht erreicht werden könne. Allein eine möglicherweise zweckmäßigere Ausführung durch den Bund reiche nicht aus.
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Unbeachtlich sei, dass der Treuhand nach Art. 25 Abs. 1 Satz 1 EV die Verwaltungszuständigkeit für die Privatisierung der volkseigenen Wirtschaftsbetriebe zugewiesen sei. Die Treuhand als bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts (Art. 87 Abs. 3 GG) übe Aufgaben des Bundes aus. Zur Erfüllung ihrer Privatisierungsaufgabe habe die Treuhand in Verträgen mit Investoren eine Altlastenhaftung übernehmen dürfen. Die Ausgabenverantwortung obliege insoweit nach Art. 104a Abs. 1 GG der Antragsgegnerin. Bei einer solchen faktischen Überschneidung von Verwaltungsaufgaben hinsichtlich des gleichen Lebenssachverhalts erlaube Art. 104a Abs. 1 GG eine Verständigung über die Aufteilung der Kostenlast. Von dieser Möglichkeit hätten der Antragsteller und die Antragsgegnerin mit dem Verwaltungsabkommen und dem Generalvertrag Gebrauch gemacht. Selbst für den Fall, dass diese Verträge unwirksam wären, müsste der Antragsteller die ihm aus dem Vollzug des Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG entstehenden Kosten allein tragen. Daher könne offenbleiben, ob sich aus der objektiv-rechtlichen Vorschrift über die bundesstaatliche Ordnung des Art. 104a Abs. 1 GG ein subjektives Recht des Antragstellers zu I. auf Kostenübernahme herleiten ließe.
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bb) Der Antragsteller zu I. könne seinen Anspruch auf Übernahme der ihm entstandenen und noch entstehenden Kosten aus Freistellungen nach Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG auch nicht auf das Gebot der föderativen Gleichbehandlung stützen. Dies scheitere schon daran, dass er den Anspruch nicht schlüssig darlege. Die Antragsgegnerin trage gegenüber keinem der neuen Länder vollständig die entstandenen und künftig noch entstehenden Freistellungskosten.
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b) Auch im Verfahren 2 BvG 1/21 sei der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht gegeben. Der Antragsteller zu II. habe den Antrag so formuliert, dass er das verfassungsrechtliche Grundverhältnis berühre. Er sei der Auffassung, das Konnexitätsprinzip des Art. 104a Abs. 1 GG verpflichte die Antragsgegnerin, die derzeit anfallenden Kosten zur Sanierung ökologischer Altlasten ehemaliger Staatsbetriebe in Thüringen, die von der Treuhand übernommen worden seien, anteilig und mindestens in Höhe des Verwaltungsabkommens zu tragen oder auf die Kostentragung durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hinzuwirken. Auch soweit er einen Verstoß gegen das Gebot der föderativen Gleichbehandlung geltend mache, leite sich dieses aus dem Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG ab. Auf eine eigenständige Verletzung des Grundsatzes der Bundestreue könne der Antragsteller zu II. seinen Anspruch auf Nachverhandlung hingegen nicht stützen. Dieser sei akzessorischer Natur und könne nur innerhalb eines anderweitig begründeten Rechtsverhältnisses Bedeutung gewinnen.
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Allerdings richte sich der Antrag nicht gegen die rechtserhebliche Maßnahme der Antragsgegnerin, die den Antragsteller zu II. nach seinem Vortrag in seiner verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition berühre. Der von dem Antragsteller zu II. geltend gemachte Anspruch ergebe sich weder aus Art. 104a Abs. 1 GG noch aus dem Gebot der föderativen Gleichbehandlung.
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aa) Es bestehe keine ausschließliche Verwaltungskompetenz der Antragsgegnerin und damit keine Pflicht, sämtliche Lasten des Beitritts der neuen Länder inklusive der ökologischen Altlasten zu tragen. Vielmehr komme es vorliegend zu einer Kompetenzüberschneidung. Wie der Antragsteller zu II. zutreffend ausführe, übe er die Verwaltungszuständigkeit für die Altlastenfreistellung nach Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG aus. Er verkenne aber, dass ihm darüber hinaus auch die Verwaltungszuständigkeiten für das Umweltverwaltungsrecht, das Bergrecht und die Wirtschaftsförderung oblägen, welche ebenfalls erlaubten, Unternehmen von den Kosten der ökologischen Altlasten zu entlasten. Diese umfassende Aufgabenzuständigkeit ermögliche es ihm, die Kosten bei der Umsetzung der entsprechenden hoheitlichen Maßnahmen in vollem Umfang zu übernehmen, auch soweit eine Befreiung nach Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG nicht möglich oder nicht gewährt worden sei. Sowohl der Antragsteller zu II. als auch die Antragsgegnerin hätten ihre Verwaltungszuständigkeiten wahrgenommen, als sie sich auf eine gemeinsame Finanzierung der Beseitigung der von den ehemaligen Staatsbetrieben der Deutschen Demokratischen Republik verursachten ökologischen Altlasten verständigt hätten. Dabei sei unerheblich, ob die jeweilige Gebietskörperschaft auf subjektiver Ebene tatsächlich auf der Grundlage einer entsprechenden Verwaltungskompetenz habe handeln wollen oder nicht. Entscheidend sei allein, ob das jeweilige Handeln objektiv in ihre Zuständigkeit falle. Dies sei vorliegend bei dem Antragsteller zu II. für die vom Generalvertrag umfassten Freistellungen vollumfänglich der Fall.
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bb) Die Antragsgegnerin verstoße auch nicht gegen das Gebot der föderativen Gleichbehandlung, weil sie sich weigere, mit dem Antragsteller zu II. unter Anwendung der Konditionen zu verhandeln, zu denen sich die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben im Generalvertrag mit dem Antragsteller zu I. zu einer Nachverhandlung verpflichtet habe, oder weil sie nicht entsprechend auf die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zur Aufnahme von Nachverhandlungen einwirke. Der Antragsteller zu II. verkenne, dass die Antragsgegnerin selbst keine Vertragspartei sei und daher durch den Generalvertrag nicht verpflichtet werde. Sie habe daher auch keine Pflicht, über eine Anpassung des Vertrages zu verhandeln, weder mit dem Antragsteller zu I. noch mit dem Antragsteller zu II. Im Übrigen sei die sachliche Differenzierung auch nach der Eigenart der Verhältnisse gerechtfertigt und daher nicht willkürlich.
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III.
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Die gemäß § 69 in Verbindung mit § 65 Abs. 2 BVerfGG Äußerungsberechtigten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Hiervon haben die Antragsteller für das jeweilige Parallelverfahren Gebrauch gemacht.
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B.
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Die Anträge sind unzulässig.
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I.
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Dem Antragsteller zu I. fehlt hinsichtlich seines Antrags zu Ziffer 1 die Antragsbefugnis.
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1. Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7 BVerfGG entscheidet das Bundesverfassungsgericht bei Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder, insbesondere bei der Ausführung von Bundesrecht durch die Länder und bei der Ausübung der Bundesaufsicht. Die Zulässigkeit eines Bund-Länder-Streits nach den genannten Vorschriften setzt eine Maßnahme oder Unterlassung voraus, die innerhalb eines Bund und Land umspannenden materiellen Verfassungsrechtsverhältnisses eine verfassungsrechtliche Rechtsposition des Landes verletzen oder unmittelbar gefährden kann (vgl. BVerfGE 13, 54 72 f.>; 81, 310 329>; 92, 203 226>; 95, 250 262>; 104, 238 245>; 109, 1 5>; 116, 271 298>).
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Als Maßnahme ist dabei jedes rechtlich erhebliche Verhalten zu werten. Es muss sich um einen Vorgang oder um ein Verhalten handeln, aus dem sich eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung des Antragstellers ergeben kann. Diese Voraussetzung ist vor allem dann zu bejahen, wenn ein Beteiligter eine Kompetenz beansprucht, die die föderative Zuständigkeitsordnung zu beeinflussen vermag (vgl. BVerfGE 109, 1 10>). Ebenso kommt als Streitgegenstand ein rechtlich erhebliches Unterlassen in Betracht. Das Unterlassen einer Maßnahme ist immer dann rechtserheblich, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsgegner zur Vornahme dieser Maßnahme von Verfassungs wegen verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 96, 264 277>; 103, 81 86>; 116, 271 299>). Dies bedeutet, dass ausgehend vom Wortlaut des § 64 Abs. 1 BVerfGG, der gemäß § 69 BVerfGG bei einem Bund-Länder-Streit Anwendung findet, ein materielles Verfassungsrechtsverhältnis dann vorliegt, wenn "eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners" den Prüfungsgegenstand des Streits bildet und "durch das Grundgesetz übertragene Rechte und Pflichten" des Antragstellers verletzt oder unmittelbar gefährdet sind; daraus folgt eine Beschränkung auf einen rein verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab. Ein materielles Verfassungsrechtsverhältnis ist mithin dann anzunehmen, wenn sowohl das als Prüfungsgegenstand zugrunde liegende Rechtsverhältnis, also die Anspruchsgrundlage der begehrten Handlung, als auch der im konkreten Fall anzulegende Prüfungsmaßstab dem Verfassungsrecht zu entnehmen ist (vgl. BVerfGE 99, 361 365 f.>; Schultzky, VerwArch 100 2009>, S. 552 566>).
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2. Das vom Antragsteller zu I. angegriffene Schreiben der Antragsgegnerin vom 9. November 2018 bringt zwar deren (endgültige) Weigerung zum Ausdruck, weitere Kosten für die Altlastensanierung zu übernehmen oder unter den Voraussetzungen der im Generalvertrag enthaltenen Revisionsklausel zumindest darüber zu verhandeln. Eine Verletzung oder unmittelbare Gefährdung durch das Grundgesetz übertragener Rechte und Pflichten bedeutet dies indes nicht. Der Antragsteller zu I. zeigt kein materielles Verfassungsrechtsverhältnis und damit auch keine verfassungsrechtlich abzuleitende Pflicht der Antragsgegnerin zur begehrten Kostentragung oder zum Eintritt in Vertragsverhandlungen auf. Eine solche Pflicht ist weder im Hinblick auf Art. 104a Abs. 1 GG (a) noch auf ungeschriebene Verfassungsgrundsätze (b) dargelegt. Dass die Verfahrensbeteiligten die Rechtsnatur des Streitverhältnisses übereinstimmend abweichend beurteilen, ist unerheblich (vgl. BVerfGE 42, 103 110 f.>; 62, 295 313>; 109, 1 6>).
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a) Der Antragsteller zu I. zeigt keine verfassungsrechtliche Pflicht der Antragsgegnerin zur Kostentragung aus Art. 104a Abs. 1 GG auf. Seine Argumentation zur ausschließlichen Verwaltungszuständigkeit der Antragsgegnerin im Hinblick auf den Umgang mit vereinigungsbedingten Altlasten ist schon in ihrem rechtlichen Ansatz lückenhaft und in sich widersprüchlich (aa). Des Weiteren macht er nicht deutlich, weshalb sich im Falle einer überschneidenden Aufgabenzuständigkeit (vgl. Rn. 55) - entgegen dem Urteil des Zweiten Senats vom 17. Oktober 2006 (BVerfGE 116, 271) - aus Art. 104a Abs. 1 GG ein Anspruch auf Kostentragung gegenüber der Antragsgegnerin ergeben kann (bb).
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aa) Der Antragsteller zu I. macht geltend, dass der Umgang mit vereinigungsbedingten Altlasten und speziell die Altlastenfreistellung ausschließliche Bundesaufgaben seien und der Generalvertrag sowie das Verwaltungsabkommen eine verfassungsrechtlich unzulässige Mischfinanzierung vorsähen, so dass beide wegen eines Verstoßes gegen Art. 104a GG nichtig seien. Er setzt sich aber nicht substantiiert mit der verfassungsrechtlichen Aufgabenzuweisung im Hinblick auf die Freistellung nach Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG auseinander und legt insbesondere nicht hinreichend dar, dass hierfür die Aufgaben- und Verwaltungszuständigkeit vollumfänglich bei der Antragsgegnerin liegt.
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(1) Für die Zuordnung der Finanzierungsverantwortung ist nach Art. 104a Abs. 1 GG an die Verwaltungsverantwortung anzuknüpfen (vgl. BVerfGE 26, 338 390>). Die Verwaltungsverantwortung für Freistellungen nach Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG bestimmt sich nach Art. 30, 83 ff. GG. Danach führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus. Nur soweit nach dem Grundgesetz abweichend von der allgemeinen Regel des Art. 30 GG Verwaltungskompetenzen des Bundes ausdrücklich vorgesehen sind oder als ungeschriebene Kompetenzen bestehen, liegt auch die Finanzierungsverantwortung beim Bund. Für den Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder als eigene Angelegenheit im Sinne von Art. 83, 84 GG liegt die Ausgabenverantwortung hingegen bei den Ländern. Sie besitzen insoweit die volle Verwaltungskompetenz und sind zur administrativen und finanziellen Sicherstellung eines recht- und zweckmäßigen Gesetzesvollzugs verpflichtet (vgl. Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 104a Rn. 53).
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(2) Ausgehend von diesem Maßstab hat der Antragsteller zu I. nicht hinreichend dargelegt, dass vorliegend ein Ausnahmetatbestand einschlägig und nach dem Grundgesetz die Verwaltungskompetenz und damit auch die Finanzierungsverantwortung vollumfänglich der Antragsgegnerin zugewiesen ist. Für die Bestimmung der Verwaltungskompetenz für das Umweltrahmengesetz ist nicht entscheidend, dass die Treuhand als bundeseigene Anstalt - entsprechend ihrer Aufgabenzuweisung zur Privatisierung der staatseigenen Betriebe der Deutschen Demokratischen Republik (Art. 25 Abs. 1 EV) - bei der Veräußerung von Betrieben in vielen Fällen vertragliche Freistellungsverpflichtungen für ökologische Altlasten der veräußerten Betriebe gegenüber dem jeweiligen Investor vereinbart hatte. Diese Freistellung auf privatrechtlicher Grundlage begründet keine Annexzuständigkeit für die öffentlich-rechtliche Freistellung nach dem Umweltrahmengesetz, dessen Vollzug durch die Landesbehörden vorgesehen ist und entsprechend erfolgt. Bei lediglich faktischer Überschneidung verschiedener Aufgaben verbleibt es bei der Finanzierungsverantwortung entsprechend der Verwaltungszuständigkeit, selbst wenn die andere staatliche Ebene die Ausgaben letztlich veranlasst hat (vgl. BVerfGE 26, 338 390>; BVerwGE 44, 351 364 f.>; BVerwG, Urteil vom 11. Juni 1991 - 7 C 1/91 -, NVwZ 1992, S. 264 265>) oder möglicherweise daraus einen Nutzen für ihre eigenen Aufgaben zieht (vgl. Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 104a Rn. 54).
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(3) Gleiches gilt, soweit der Antragsteller zu I. eine Verwaltungszuständigkeit des Bundes kraft Natur der Sache annehmen will. Eine solche Zuständigkeit für die Antragsgegnerin als Durchbrechung der im Grundgesetz festgelegten Verwaltungskompetenzen kommt nur dann in Betracht, wenn bei Vollzug eines Gesetzes der angestrebte Gesetzeszweck durch das Verwaltungshandeln eines einzelnen Landes nicht erreicht werden kann. Bloße Zweckmäßigkeitserwägungen sind nicht ausreichend (vgl. BVerfGE 11, 6 17 f.>; 22, 180 216 f.>; 41, 291 312>).
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Soweit der Antragsteller zu I. in diesem Zusammenhang die Übernahme der Altlastenfreistellung für ehemalige staatseigene Betriebe generell als gesamtdeutsche Aufgabe qualifizieren und daraus eine Verwaltungszuständigkeit der Antragsgegnerin hinsichtlich Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG kraft Natur der Sache ableiten will, steht dem ebenfalls der tatsächliche Vollzug durch die Landesbehörden entgegen. Zudem lässt er unbeantwortet, weshalb der Zweck des auszuführenden Gesetzes durch ein einzelnes Land nicht erreicht werden kann. Zu einer Auseinandersetzung mit dieser Frage hätte deshalb Veranlassung bestanden, weil der vom Antragsteller zu I. eingenommene Standpunkt den tatsächlichen Gegebenheiten widerspricht, da für das Land Sachsen mit Abschluss des Generalvertrags der Vollzug der Altlastenfreistellungen vollumfänglich ihm allein obliegt, ohne jegliche Möglichkeit einer Einflussnahme seitens der Antragsgegnerin.
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Ein weiterer Wertungswiderspruch ergibt sich zum Landesrecht des Antragstellers zu I. Darin hat er mit § 10 des Ersten Gesetzes zur Abfallwirtschaft und zum Bodenschutz im Freistaat Sachsen (EGAB) eine an Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG anknüpfende Freistellungsmöglichkeit für Umweltschäden implementiert, die in Teilen über die Freistellungsmöglichkeiten des Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG sogar hinausgeht. Eine Ausführung von Landesgesetzen durch die Antragsgegnerin ist nach dem Grundgesetz indes ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 21, 312 325>). Die Qualifikation der Altlastenfreistellung für ehemalige staatseigene Betriebe als generelle gesamtdeutsche Aufgabe ist nach alledem weder dargetan noch sonst ersichtlich.
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bb) Auch unter der Annahme einer überschneidenden Aufgabenzuständigkeit vermag der Antragsteller zu I. keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf vollständige oder teilweise Kostenerstattung aus Art. 104a Abs. 1 GG herzuleiten. Die Bestimmung nimmt lediglich die Primärzuordnung der aufgabenbezogenen Ausgabenlast zwischen Bund und Ländern vor, ohne aber einen Anspruch auf Kostentragung zu begründen (vgl. BVerfGE 116, 271 310 ff.>; Kment, in: Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl. 2022, Art. 104a Rn. 7). Sie verbietet im Rahmen dieser Primärzuordnung, dass der Bund in ausschließlich den Ländern zugewiesenen Kompetenzbereichen die Erfüllung von Aufgaben finanziert oder mitfinanziert, ebenso wie umgekehrt die Länder in Bereichen der ausschließlichen Verwaltungskompetenz des Bundes keine Aufgaben des Bundes finanzieren oder mitfinanzieren dürfen. Hingegen steht sie Regelungen nicht entgegen, mit denen Bund und Länder in Wahrnehmung jeweils eigener Aufgabenzuständigkeiten zur Erreichung eines bestimmten Ziels zusammenarbeiten und dabei - wie hier - Vereinbarungen über eine Kostenaufteilung nach dem Maß ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Wahrnehmung der Aufgabe abschließen (vgl. BVerwGE 81, 312 314>; Tappe, in: Bonner Kommentar, Bd. 19, Art. 104a Rn. 151 <Mai 2017>; Schwarz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 104a Rn. 48 <Nov. 2018>; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu, GG, 15. Aufl. 2022, Art. 104a Rn. 24; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 104a Rn. 54; Heintzen, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2021, Art. 104a Rn. 27; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 2018, Art. 104a Rn. 21; Dolde/Porsch, NVwZ 2011, S. 833 834>; Siekmann, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 104a Rn. 18a; ablehnend Meyer, DVBl 2011, S. 449 453>).
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Gegenstand des Verwaltungsabkommens und des Generalvertrags ist die Konkretisierung der Aufgaben- und Lastenverteilung im Sinne einer Verständigung über den jeweiligen Anteil an der Aufgabenwahrnehmung und der daraus abzuleitenden Kostenquote zwischen Bund und Land sowie die technische Abwicklung der Aufgabe "Altlastenfreistellung". Hierdurch wird indes kein materielles Verfassungsrechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller zu I. und der Antragsgegnerin begründet. Die Verträge gehen nach ihrem Inhalt und der Materie, die sie regeln, nicht über verwaltungsrechtliche Gegenstände hinaus. Derartige Verträge können zwar die Aufgabenverteilung und Kostentragung zwischen Bund und Land für den Einzelfall konkretisieren, sind aber nicht verfassungsrechtlicher Natur. Dies folgt unter anderem daraus, dass mit ihnen die verfassungsrechtlich vorgegebene grundsätzliche Aufgabenverteilung zwischen Bund und Land nicht verändert werden kann (vgl. BVerwGE 102, 119 124>; Tappe, in: Bonner Kommentar, Bd. 19, Art. 104a Rn. 151 <Mai 2017>; Hellermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 104a Rn. 54).
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Der Generalvertrag beschränkt sich auch hinsichtlich der dort geregelten Kostenverteilung auf eine rein verwaltungsrechtliche Materie. Danach wurde anhand der geschätzten Gesamtkosten und Umsetzungsdauer ein den Quoten entsprechender diskontierter Zahlungsbetrag ermittelt. Selbst für den Fall, dass die Kosten oder die Dauer der Umsetzung erheblich von der vereinbarten Schätzgrundlage abweichen sollten, lässt dies die grundsätzliche Zuordnung der Finanzlasten unberührt. Eine Aufspaltung der Finanzlasten in einen Zeitraum bis zur Erreichung der geschätzten Kosten und einen Zeitraum danach ist im Vertrag nicht vorgesehen. Ob es im Ergebnis mit der vereinbarten Pauschalierung sein Bewenden hat oder aufgrund der Revisionsklausel eine Vertragsanpassung vorzunehmen ist, ist eine Frage der Vertragsauslegung, die zwar unter Beachtung von Art. 104a Abs. 1 GG zu erfolgen hat. Mögliche aus den Verträgen ableitbare Ansprüche auf Kostentragung oder -erstattung haben aber keine verfassungsrechtliche Grundlage. Es handelt sich bei den Vereinbarungen auch nicht um rein deklaratorische Regelungen, die nur bestätigen, was sich ohnehin schon aus einem Verfassungsrechtssatz ergibt (vgl. BVerfGE 42, 103 115>), denn ein Verfassungsrechtssatz, welcher dem Antragsteller zu I. für die konkrete Aufgabe bei einer überschneidenden Aufgabenzuständigkeit die begehrte Kostenquote zuweist, lässt sich dem Grundgesetz gerade nicht entnehmen. Vielmehr ist bei einer überschneidenden Aufgabenzuständigkeit die einfachgesetzliche Ausgestaltung der unterschiedlichen Aufgaben durch den Gesetzgeber und gegebenenfalls durch im Gefolge dessen abgeschlossene vertragliche Regelungen entscheidend. Die hieraus resultierenden Fragen zur konkreten Höhe des Anspruchs sind tatrichterlicher Natur, und ihre Beantwortung ist grundsätzlich der Verwaltungsgerichtsbarkeit vorbehalten. Das Bundesverfassungsgericht hat sich mit diesen Fragen nicht zu befassen (vgl. BVerfGE 99, 361 366>; 109, 1 7>; 116, 271 297 f., 326>; stRspr).
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b) Soweit der Antragsteller zu I. eine Verletzung des Gebots der Bundestreue und der föderativen Gleichbehandlung der Länder aus Art. 20 Abs. 1 GG rügt, weil die Antragsgegnerin mit den einzelnen Ländern unterschiedliche Vereinbarungen über die Kostenübernahme zur Beseitigung der Altlasten geschlossen habe, legt er ebenfalls kein materielles Verfassungsrechtsverhältnis dar. Denn insoweit kann lediglich der anzulegende Prüfungsmaßstab dem Verfassungsrecht entnommen werden. Der von dem Antragsteller zu I. begehrte Anspruch auf Vertragsanpassung hingegen gründet nicht in einer verfassungsrechtlichen Pflicht, sondern leitet sich aus nichtverfassungsrechtlichen Verträgen ab.
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aa) Zwar können sich verfassungsrechtliche Rechte und Pflichten für Bund und Länder auch aus den ungeschriebenen Verfassungsgeboten der föderativen Gleichbehandlung und der Bundestreue ergeben (vgl. BVerfGE 21, 312 326>; 81, 310 337>; 150, 1 103 Rn. 210 ff.>; Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 7. Aufl. 2018, Art. 93 Rn. 142; E. Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 4. Aufl. 2020, § 29 Rn. 1109). Allerdings entfalten diese ihre Wirksamkeit nicht isoliert, sondern nur akzessorisch innerhalb von zwischen den Beteiligten bereits bestehenden Rechtsverhältnissen (vgl. BVerfGE 42, 103 117>; 95, 250 262 f., 265 f.>; 103, 81 88>; 104, 238 247 f.>; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 3. Aufl. 2008, § 126 Rn. 141; Meyer, in: von Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 7. Aufl. 2021, Art. 93 Rn. 87; Lechner/Zuck, BVerfGG, 8. Aufl. 2019, Vorbem. vor §§ 68 ff. Rn. 11; Selmer, in: Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 1, 2001, S. 576; E. Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 4. Aufl. 2020, § 29 Rn. 1109). Der Grundsatz der Bundestreue gewinnt daher nur an Bedeutung, wenn er im Rahmen eines anderweitig begründeten Rechtsverhältnisses oder einer anderweitig rechtlich begründeten selbständigen Rechtspflicht diese anderen Rechte und Pflichten moderiert, variiert oder durch Nebenpflichten ergänzt (vgl. BVerfGE 42, 103 117>; 103, 81 88>).
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Die selbständigen Rechte und Pflichten müssen keineswegs verfassungsrechtlicher Natur sein, denn der Grundsatz der Bundestreue sowie das ebenfalls aus dem Bundesstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) abgeleitete Gebot der föderativen Gleichbehandlung (zur Herleitung vgl. BVerfGE 122, 1 38>; 150, 1 103 Rn. 210 f.>) durchwirken als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab alle Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Bund und Ländern, seien sie verfassungs-, privat- oder verwaltungsrechtlicher Natur (vgl. BVerfGE 35, 263 271 f.>; 103, 81 88>; Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 3. Aufl. 2008, § 126 Rn. 140).
- 65
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bb) In einem Bund-Länder-Streit kann sich der Antragsteller zu I. aber nur dann auf die akzessorischen Verfassungsgrundsätze der föderativen Gleichbehandlung und der Bundestreue berufen, wenn das anderweitig begründete Rechtsverhältnis unmittelbar der Verfassung entstammt. Andernfalls fehlt es an einem materiellen Verfassungsrechtsverhältnis, denn die ungeschriebenen Verfassungsgrundsätze formen nicht jedes Rechtsverhältnis, in dem sie sich auswirken, automatisch in ein verfassungsrechtliches um (vgl. BVerfGE 95, 250 266>; 103, 81 88>; 104, 238 248>). Sonst bestünde die Gefahr, dass weite Teile des Rechts zu verfassungsrechtlichen Ge- und Verboten transformiert würden. Daher ist das im Streit stehende Rechtsverhältnis als Prüfungsgegenstand auf seinen eigenen verfassungsrechtlichen oder nichtverfassungsrechtlichen Gehalt zu untersuchen. Es ist also das allgemeine verfassungsrechtliche Fundament, auf dem die Tätigkeit des Bundes und der Länder ruht, von den vom Bund oder Land unternommenen selbständigen, in herkömmlichen Rechtsfiguren des Handelns bestehenden Schritten - hier des jeweiligen Vertragsschlusses - zur Verwirklichung einer verfassungsmäßigen Ordnung zu unterscheiden. Das Verwaltungshandeln teilt dabei nicht ohne Weiteres die Qualität des verfassungsrechtlichen Fundaments. Das wäre - wie ausgeführt (vgl. Rn. 61) - nur anders, wenn und soweit der jeweilige Vertrag den Inhalt eines Verfassungsrechtssatzes lediglich bestätigte (vgl. BVerfGE 42, 103 115>).
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II.
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Auch die weiteren Anträge des Antragstellers zu I. sind unzulässig.
- 67
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1. Der hilfsweise geltend gemachte Antrag zu Ziffer 2 ist gleichfalls mangels Antragsbefugnis unzulässig.
- 68
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Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG begründet die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts in anderen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist. Folglich ist nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 GG das Bundesverfassungsgericht für aus dem Einigungsvertrag erwachsende Streitigkeiten grundsätzlich zuständig (vgl. BVerfGE 94, 297 309 f.>). Allerdings zeigt der Antragsteller zu I. durch die Nichtübernahme der Mehrkosten seitens der Antragsgegnerin keine eigenständige Verletzung von Rechten oder Pflichten aus dem Einigungsvertrag auf, da dieser hier keine über das Grundgesetz hinausgehenden Rechte und Pflichten zugunsten des Antragstellers zu I. regelt.
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2. Der Antragsteller zu I. kann ferner mit seinen Anträgen zu Ziffer 3 und 4 nicht durchdringen, weil ihm auch insoweit die Antragsbefugnis fehlt. Hinsichtlich der gerügten Verletzung des Gebots der föderativen Gleichbehandlung (vgl. Rn. 62 ff.) kann der Antragsteller zu I. keine aus diesem Gebot abgeleiteten erhöhten Transparenzanforderungen betreffend die vertraglichen Vereinbarungen der Antragsgegnerin mit weiteren Ländern im Rahmen des vorliegenden Bund-Länder-Streits geltend machen.
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III.
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Die Anträge des Antragstellers zu II. sind ebenfalls unzulässig.
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1. Der Antragsteller zu II. ist als Land, ebenso wie die Antragsgegnerin, parteifähig. Dabei ist unschädlich, dass in der Antragsschrift zum Verfahren 2 BvG 1/21 als Antragsteller und Antragsgegnerin nicht die jeweilige Gebietskörperschaft selbst, sondern das jeweilige Organ, die Thüringer Landesregierung und die Bundesregierung, als Antragstellerin und Antragsgegnerin aufgeführt ist. Dies steht im Einklang mit dem Wortlaut von § 68 BVerfGG, welcher die Antragsberechtigung im Bund-Länder-Streit regelt. Partei des Verfahrens ist dennoch die jeweilige Gebietskörperschaft (vgl. BVerfGE 129, 108 115>). Die Antragsschrift ist entsprechend auszulegen.
- 72
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2. Allerdings fehlt dem Antragsteller zu II. die Antragsbefugnis. Die von ihm angegriffene und mit dem erfolglosen Fristablauf manifestierte endgültige Ablehnung der Antragsgegnerin, anteilige Mehrkosten zu übernehmen oder auf eine kostenmäßige Beteiligung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hinzuwirken, lässt eine Verletzung oder unmittelbare Gefährdung durch das Grundgesetz übertragener Rechte und Pflichten nicht erkennen. Auch der Antragsteller zu II. legt nicht dar, dass sich aus Art. 104a Abs. 1 GG - entgegen dem Urteil des Zweiten Senats vom 17. Oktober 2006 (BVerfGE 116, 271) - eine Pflicht der Antragsgegnerin zur Kostentragung in geforderter Höhe ergibt. Ebenso wenig lässt sein Vortrag eine Verletzung des Gebots der Bundestreue und der föderativen Gleichbehandlung der Länder aus Art. 20 Abs. 1 GG erkennen. Insoweit kann auf obige Ausführungen verwiesen werden (vgl. Rn. 62 ff. und 65).
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