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BVerfG 12.09.2023 - 1 BvR 1507/23
BVerfG 12.09.2023 - 1 BvR 1507/23 - Erfolgloser Eilantrag eines Arzneimittel-Reimporteurs gegen verschiedene Änderungen der §§ 130a, 130b und 130e SGB V (RIS: SGB 5) - schwerer Nachteil iSd § 32 Abs 1 BVerfGG nicht dargelegt
Normen
Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 130a Abs 1b SGB 5, § 130a Abs 3a S 1 SGB 5, § 130b Abs 3a S 2 SGB 5, § 130b Abs 3a S 3 SGB 5, § 130b Abs 3a S 4 SGB 5, § 130b Abs 3a S 5 SGB 5, § 130b Abs 3a S 6 SGB 5, § 130b Abs 3a S 7 SGB 5, § 130b Abs 3a S 8 SGB 5, § 130b Abs 3a S 9 SGB 5, § 130e SGB 5
Tenor
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführerin ist ein Unternehmen, das im Ausland erworbene Arzneimittel importiert und in der Bundesrepublik Deutschland vertreibt. Sie wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde und dem damit verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unmittelbar gegen § 130a Abs. 1b und Abs. 3a Satz 1, § 130b Abs. 3a Satz 2 bis 9 und § 130e des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, GKV-FinStG) vom 7. November 2022 (BGBl I S. 1990), die jeweils am 12. November 2022 in Kraft getreten sind.
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Bei den angegriffenen Regelungen handelt es sich um die Erhöhung des Rabattes der pharmazeutischen Unternehmer (§ 130a Abs. 1b SGB V), die Verlängerung des sogenannten Preismoratoriums gemäß § 130a Abs. 3a SGB V, die rückwirkende Geltung des Erstattungsbetrages (§ 130b Abs. 3a Satz 2 SGB V) und den neu eingeführten Kombinationsabschlag (§ 130e SGB V).
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II.
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Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG liegen nicht vor.
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1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Entscheidung über die einstweilige Anordnung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Maßnahmen vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache zu entscheidende Verfassungsbeschwerde erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 140, 99 106 Rn. 11>; 143, 65 87 Rn. 35>; stRspr). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile abwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 140, 99 106 Rn. 11>; 143, 65 87 Rn. 35>; 157, 332 377 Rn. 73>; 157, 394 401 f. Rn. 19>; 160, 336 340 Rn. 10> jeweils m.w.N.).
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Wird die Aussetzung des Vollzugs eines Gesetzes begehrt, gelten dafür besonders hohe Hürden (vgl. BVerfGE 140, 99 106 f. Rn. 12>; stRspr). Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, weil dies einen erheblichen Eingriff in die originäre Zuständigkeit des Gesetzgebers darstellt (vgl. zuletzt BVerfGE 157, 332 374 Rn. 67>; 157, 394 402 Rn. 20>; 160, 336 340 Rn. 11>; stRspr). Müssen die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe schon im Regelfall so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen, so müssen sie, wenn beantragt ist, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, darüber hinaus ganz besonderes Gewicht haben und in Ausmaß und Schwere deutlich die Nachteile überwiegen, die im Falle der vorläufigen Außerkraftsetzung eines sich als verfassungsgemäß erweisenden Gesetzes einträten (vgl. BVerfGE 122, 342 361 f.>; 157, 332 374 Rn. 67>; 160, 336 340 Rn. 11>; stRspr). Insoweit ist von entscheidender Bedeutung, ob die Nachteile irreversibel oder auch nur sehr erschwert revidierbar sind, um das Aussetzungsinteresse durchschlagen zu lassen (vgl. BVerfGE 118, 111 123>; 140, 211 219 Rn. 13>; stRspr).
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Dieser äußerst strenge Maßstab verlangt nicht nur eine besondere Schwere der Nachteile, die entstehen, wenn die einstweilige Anordnung nicht ergeht, sondern stellt auch sehr hohe Anforderungen an die nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG gebotene Begründung des Antrags, dass solche Nachteile zu gewärtigen sind (vgl. BVerfGE 160, 164 175 Rn. 37>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 13. Mai 2015 - 1 BvQ 9/15 -, Rn. 20 m.w.N.). Insoweit bedarf es in tatsächlicher Hinsicht zumindest im Sinne einer Plausibilitätskontrolle nachvollziehbarer individualisierter und konkreter Darlegungen (vgl. BVerfGE 160, 164 175 Rn. 37>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. Oktober 2020 - 1 BvR 972/20 -, Rn. 12). Fehlt es daran, kommt es auf eine Folgenabwägung nicht an (vgl. BVerfGE 160, 164 175 Rn. 37>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 22. Dezember 2020 - 1 BvR 2756/20 u.a. -, Rn. 4; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 29. Dezember 2020 - 1 BvQ 152/20 u.a. -, Rn. 11).
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2. Gemessen an diesen strengen Voraussetzungen hat der Eilantrag keinen Erfolg. Zwar ist die Verfassungsbeschwerde weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Die Beschwerdeführerin hat jedoch nicht in der den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechenden Weise dargelegt, dass ihr durch ein Abwarten bis zum Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens schwere Nachteile im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG entstehen.
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Die Darlegungen der Beschwerdeführerin lassen nicht erkennen, dass ihr derart gravierende und irreversible Folgen drohten, die es rechtfertigen würden, die angegriffenen gesetzlichen Regelungen außer Vollzug zu setzen. Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, dass sie bei Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache finanzielle Nachteile erleide, die nicht ausgleichbar seien, ist zunächst zu berücksichtigen, dass wirtschaftliche Nachteile, die Einzelnen durch den Vollzug eines Gesetzes entstehen, im Allgemeinen nicht geeignet sind, die Aussetzung von Normen zu begründen (vgl. BVerfGE 6, 1 6>; 7, 175 179, 182 f.>; 14, 153 153>; 160, 164 175 Rn. 37>; dazu auch BVerfGK 7, 188 191 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. Oktober 2020 - 1 BvR 972/20 -, Rn. 18). Etwas anderes kann sich dann ergeben, wenn die unmittelbare Gefahr besteht, dass ein Gewerbebetrieb unter Geltung und Vollzug der gesetzlichen Regelung, deren einstweilige Aussetzung beantragt ist, vollständig zum Erliegen käme und ihm dadurch ein Schaden entstünde, der im Falle der späteren Feststellung der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Regelung nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte (vgl. BVerfGE 14, 153 153 f.>; 40, 179 181>; 68, 233 236>; 131, 47 61 ff.>; BVerfGK 7, 188 192>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 15. September 1994 - 1 BvR 1651/94 -, NJW 1995, S. 771; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 18. Mai 2016 - 1 BvR 895/16 -, Rn. 42).
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Eine solche drohende Existenzgefährdung hat die Beschwerdeführerin nicht in der gebotenen nachvollziehbaren, individualisierten und konkreten Weise dargelegt. Der Hinweis darauf, dass "nicht mehr wie bisher mit Gewinn" gearbeitet beziehungsweise nicht "mehr so wie in der Vergangenheit" gewirtschaftet werden könne, genügt angesichts der besonders hohen Anforderungen an den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der eine gesetzliche Regelung außer Vollzug gesetzt werden soll, ebenso wenig wie die pauschale Behauptung einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung. Eine solche lässt sich auch den vorgelegten Unterlagen nicht entnehmen. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin in der Verfassungsbeschwerde selbst ausführt, dass der Antrag auf Gewährung einer Ausnahme vom Rabatt der pharmazeutischen Unternehmer nach § 130a Abs. 4 Satz 2 SGB V in Verbindung mit Art. 4 der Richtlinie 89/105/EWG von vornherein aussichtslos gewesen sei, da es an einer Existenzgefährdung der marktführenden Beschwerdeführerin fehle.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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