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BVerfG 26.06.2023 - 2 BvR 474/23
BVerfG 26.06.2023 - 2 BvR 474/23 - Nichtannahmebeschluss: Verletzung der Gewährleistung des gesetzlichen Richters in einem sog "Diesel-Verfahren" nicht hinreichend dargelegt - Verwerfung eines offensichtlich unzulässigen Ablehnungsgesuchs - Vorbefassung mit einer Rechtsfrage in anderem Verfahren kann Besorgnis der Befangenheit nicht begründen
Normen
Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 18 Abs 1 Nr 2 BVerfGG, § 19 Abs 1 BVerfGG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG
Vorinstanz
vorgehend OLG Koblenz, 21. März 2023, Az: 13 U 1526/22, Beschluss
vorgehend OLG Koblenz, 1. März 2023, Az: 13 U 1526/22, Urteil
Tenor
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Das Ablehnungsgesuch gegen den Richter Offenloch wird als unzulässig verworfen.
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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Der Beschwerdeführer wendet sich in einem sogenannten "Diesel-Verfahren" gegen das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 1. März 2023 und den Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. März 2023, in dem seine Gehörsrüge abschlägig beschieden wurde.
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1. a) Der Beschwerdeführer beantragt, die für die Verfassungsbeschwerde zuständige Kammer solle ohne Mitwirkung des Richters Offenloch entscheiden. Hierzu trägt er im Wesentlichen vor, der abgelehnte Richter habe zuvor bereits an Entscheidungen des Bundesgerichtshofs mitgewirkt, die für die Verfassungsbeschwerde unmittelbar relevant seien. Dies betreffe insbesondere die Frage nach der möglichen Drittwirkung der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung oder Art. 5 Verordnung 715/2007/EG sowie die Frage nach der Vorlagepflicht zum Europäischen Gerichtshof. Insoweit sei die Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter durch Richter Offenloch gerügt. Vor dem Hintergrund dieser Grundrechtsverletzung und des europarechtlichen Bezugs sei die Besorgnis der Befangenheit begründet. Zudem habe die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts unter Beteiligung von Richter Offenloch in einer ähnlich gelagerten Angelegenheit kürzlich eine Verfassungsbeschwerde einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen.
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b) Das Ablehnungsgesuch ist offensichtlich unzulässig.
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Ein Ablehnungsgesuch, das lediglich Ausführungen enthält, die zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet sind, ist offensichtlich unzulässig. In diesem Fall bedarf es keiner dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterinnen und Richter; diese sind auch von der Entscheidung über das offensichtlich unzulässige Ablehnungsgesuch nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 153, 72 73 Rn. 2>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. März 2022 - 1 BvR 125/22 -, Rn. 2). Im Hinblick auf eine richterliche Vorbefassung bestimmt § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG abschließend, dass eine solche nur dann zum Ausschluss führt, wenn sie in einem früheren Rechtszug erfolgt ist und eine Mitwirkung an der angefochtenen Entscheidung zum Inhalt hatte. Nicht ausgeschlossen ist ein Richter, der sich bereits früher - in anderen Verfahren - zu einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage in bestimmter Weise geäußert hat (vgl. BVerfGE 131, 239 253 f.>; 133, 377 406 Rn. 71>).
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So liegt der Fall hier. Unabhängig davon, ob die Vorbefassung des Richters Offenloch überhaupt eine hier entscheidungserhebliche Frage betrifft - wofür mit Blick auf die angefochtene Entscheidung und den vom Oberlandesgericht verneinten Fahrlässigkeitsvorwurf an die Beklagte wenig spricht -, kann aus einer Vorbefassung mit einer Rechtsfrage in einem anderen Verfahren eine Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 19 BVerfGG nicht abgeleitet werden. Sowohl die Verneinung einer Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof in einem anderen Verfahren als auch die Mitwirkung bei der Nichtannahme einer anderen Verfassungsbeschwerde sind daher zur Begründung des Ablehnungsgesuches gänzlich ungeeignet. Darüberhinausgehende besondere Umstände, die eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters begründen könnten, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Januar 2018 - 2 BvR 2691/17 -, Rn. 3; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. März 2022 - 1 BvR 125/22 -, Rn. 8).
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie bereits den Darlegungsanforderungen der § 92, § 23 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BVerfGG nicht genügt.
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a) Die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung muss sich mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (BVerfGE 89, 155 171>). Dazu bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit der Entscheidung und ihrer Begründung (BVerfGE 101, 331 345>). Der Beschwerdeführer muss substantiiert dartun, mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Entscheidung nach seiner Auffassung kollidiert (vgl. BVerfGE 108, 370 386 f.>). Soweit das Bundesverfassungsgericht für bestimmte Fragen verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung anhand dieser Maßstäbe aufgezeigt werden (vgl. BVerfGE 99, 84 87>; 101, 331 345 f.>; 102, 147 164>).
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Bei der Rüge einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen Missachtung gerichtlicher Vorlagepflichten ist demnach darzulegen, aus welchen Gründen es nach Auffassung des Beschwerdeführers nötig gewesen wäre, eine Entscheidung eines anderen Gerichts einzuholen; zudem ist darzustellen, inwieweit die Nichtbeachtung der Vorlagepflicht willkürlich sein soll oder darauf beruhen könnte, dass das vermeintlich vorlagepflichtige Gericht Bedeutung und Tragweite des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. April 2009 - 1 BvR 3424/08 -, Rn. 14).
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b) Diesen Darlegungsanforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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