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BVerfG 23.05.2023 - 2 BvR 2013/22
BVerfG 23.05.2023 - 2 BvR 2013/22 - Gegenstandswertfestsetzung im Verfassungsbeschwerdeverfahren für das Eil- sowie für das Hauptsacheverfahren nach Erledigterklärung - Erfolgsaussicht bei überschlägiger Beurteilung bejaht
Normen
§ 32 Abs 1 BVerfGG, § 90 BVerfGG, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG
Vorinstanz
vorgehend LG Verden, 17. Oktober 2022, Az: 6 T 88/22, Beschluss
vorgehend BVerfG, 17. November 2022, Az: 2 BvR 2013/22, Einstweilige Anordnung
Tenor
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1. Das Land Niedersachsen hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
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2. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 Euro (in Worten: zehntausend Euro) und für das Verfahren betreffend den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 5.000 Euro (in Worten: fünftausend Euro) festgesetzt.
Gründe
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1. Über die Verfassungsbeschwerde ist nicht mehr zu entscheiden, weil die Beschwerdeführer das Verfassungsbeschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 16. Januar 2023 für erledigt erklärt haben (vgl. BVerfGE 85, 109 113>).
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2. a) Nach der Erledigungserklärung der Beschwerdeführer ist über die Auslagenerstattung im Verfassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeit zu entscheiden.
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Zwar findet eine überschlägige Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Auslagenerstattungsverfahren regelmäßig nicht statt. Eine solche kursorische Prüfung entspricht nicht der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, verfassungsrechtliche Zweifelsfragen mit bindender Wirkung inter omnes zu klären (vgl. BVerfGE 33, 247 264 f.>; 85, 109 115 f.>; 87, 394 397 f.>). Eine Erstattung aus Billigkeitsgesichtspunkten kommt aber dennoch in Betracht, wenn die Verfassungsbeschwerde bei überschlägiger Beurteilung offensichtlich Aussicht auf Erfolg gehabt hätte und wenn im Rahmen der lediglich kursorischen Prüfung zu verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen nicht Stellung genommen zu werden braucht. Dies ist der Fall, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Billigkeitsentscheidung unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage bereits geklärt ist (vgl. BVerfGE 85, 109 115 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2016 - 2 BvR 1490/16 -, Rn. 9).
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Nach diesen Maßstäben entspricht es der Billigkeit, die Erstattung der notwendigen Auslagen anzuordnen. Die Verfassungsbeschwerde hatte bei kursorischer Prüfung offensichtlich Aussicht auf Erfolg. Die verfassungsrechtliche Lage ist geklärt.
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Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Eine unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und - in absoluten Ausnahmefällen - auf unbestimmte Zeit einzustellen ist. Ergibt die erforderliche Abwägung, dass die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Schuldners im konkreten Fall ersichtlich schwerer wiegen als die Belange, deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahmen dienen sollen, so kann ein gleichwohl erfolgender Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen (vgl. BVerfGE 52, 214 219>; BVerfGK 6, 5 10> m.w.N.).
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Die angegriffene fachgerichtliche Entscheidung stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) des gesundheitlich sehr stark beeinträchtigten Beschwerdeführers zu 2. dar. Das Gericht hat eine die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts in gebotenem Maß berücksichtigende Abwägung nicht vorgenommen. Es hat die konkreten Nachweise der Beschwerdeführer über die zeitnahe Beschaffung von Ersatzwohnraum bei der Abwägung nicht in dem gebotenen Maße berücksichtigt.
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b) Die Entscheidung über die Auslagenerstattung betreffend das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beruht ebenfalls auf § 34a Abs. 3 BVerfGG. Die Erstattung ist wegen des Obsiegens der Beschwerdeführer aus Billigkeitsgründen geboten.
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3. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.
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a) Danach war der Gegenstandswert für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf das Doppelte des gesetzlichen Mindestwerts festzusetzen. Weder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit weisen Besonderheiten auf, die zur Festsetzung eines höheren Werts Anlass geben.
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b) Der Gegenstandswert des Verfahrens betreffend den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist dagegen in Höhe des gesetzlichen Mindestwerts festzusetzen. Die Angelegenheit gibt unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe keinen Anlass zur Festsetzung eines höheren Werts.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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