Rechtsdatenbank
Welche Fragen Arbeitgeber auch zum Thema Sozialversicherungsrecht bewegen: Die Rechtsdatenbank der AOK liefert die Antworten – einfach, fundiert und topaktuell.
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BVerfG 11.03.2022 - 1 BvR 1268/21, 1 BvR 1287/21, 1 BvR 1291/21, 1 BvR 1312/21, 1 BvR 1313/21, 1 BvR 1318/21, 1 BvR 1320/21, 1 BvR 1322/21, 1 BvR 1327/21, 1 BvR 1357/21,...
BVerfG 11.03.2022 - 1 BvR 1268/21, 1 BvR 1287/21, 1 BvR 1291/21, 1 BvR 1312/21, 1 BvR 1313/21, 1 BvR 1318/21, 1 BvR 1320/21, 1 BvR 1322/21, 1 BvR 1327/21, 1 BvR 1357/21, 1 BvR 1362/21 - Nichtannahmebeschluss: Keine Vorlagepflicht gem Art 267 Abs 3 AEUV hinsichtlich der Frage, wie weit die in § 17 Abs 2 S 1 KSchG normierte Pflicht des Arbeitgebers reicht, den Betriebsrat von Gründen für geplante Entlassungen zu unterrichten - keine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 S 2 GG) im arbeitsgerichtlichen Verfahren
Normen
Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 267 Abs 3 AEUV, § 72a Abs 3 S 2 Nr 1 ArbGG, § 72 Abs 2 Nr 1 ArbGG, § 72 Abs 5 ArbGG, EGRL 59/98, § 17 Abs 2 Nr 1 KSchG, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 Buchst b ZPO, § 559 Abs 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend BAG, 22. Februar 2021, Az: 2 AZN 974/20, Beschluss
vorgehend BAG, 22. Februar 2021, Az: 2 AZN 9/21, Beschluss
vorgehend BAG, 22. Februar 2021, Az: 2 AZN 1030/20, Beschluss
vorgehend BAG, 22. Februar 2021, Az: 2 AZN 13/21, Beschluss
vorgehend BAG, 22. Februar 2021, Az: 2 AZN 983/20, Beschluss
vorgehend BAG, 22. Februar 2021, Az: 2 AZN 22/21, Beschluss
vorgehend BAG, 22. Februar 2021, Az: 2 AZN 1037/20, Beschluss
vorgehend BAG, 22. Februar 2021, Az: 2 AZN 961/20, Beschluss
vorgehend BAG, 22. Februar 2021, Az: 2 AZN 1024/20, Beschluss
vorgehend BAG, 22. Februar 2021, Az: 2 AZN 1105/20, Beschluss
vorgehend BAG, 22. Februar 2021, Az: 2 AZN 981/20, Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführenden sind von einem Massenentlassungsverfahren betroffen. Nach einer Betriebsstilllegung blieben ihre Kündigungsschutzklagen und geltend gemachten Nachteilsausgleichsansprüche ohne Erfolg. Sie wenden sich gegen elf gleichgelagerte Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, mit denen ihre Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision gegen die Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts als unzulässig verworfen wurden.
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Mit den Verfassungsbeschwerden rügen die Beschwerdeführenden insbesondere eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Bundesarbeitsgericht habe ihnen ihren gesetzlichen Richter entzogen, weil die Revision nicht zugelassen wurde. Sie hätte nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG aber grundsätzliche Bedeutung, weil in einem künftigen Revisionsverfahren nahe gelegen hätte, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 267 Abs. 3 AEUV) zu richten, um zu klären, wie die Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (Abl EU Nr. L 225 vom 12. August 1998, S. 16) zu verstehen sei, damit zu § 17 Abs. 2 KSchG entschieden werden könne, wann die Arbeitgeberin gegenüber den Arbeitnehmervertretungen ihrer Pflicht zur "Mitteilung der Gründe für die geplanten Entlassungen" genügt. Jedenfalls wäre im Revisionsverfahren mit einer solchen Vorlage zu klären gewesen, ob das Bundesarbeitsgericht als letztinstanzliches Fachgericht allein auf der Grundlage des Urteils der Vorinstanz entscheiden dürfe oder aber das gesamte Parteivorbringen zu berücksichtigen sei (§ 559 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b ZPO, § 72 Abs. 5 ArbGG).
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II.
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Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind geklärt und die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstaben a, b BVerfGG; vgl. BVerfGE 90, 22 25 f.>). Die angegriffenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts verletzen die Beschwerdeführenden nicht in Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten, insbesondere nicht in ihrem Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG).
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1. a) Kommt ein Gericht der gesetzlich vorgesehenen Pflicht zur Zulassung eines Rechtsmittels nicht nach, so verstößt dies gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn die Entscheidung insoweit sachlich nicht zu rechtfertigen ist, sich damit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert (vgl. BVerfGE 42, 237 241>; 67, 90 94 f.>; 87, 282 284 f.>; 101, 331 359 f.>; entsprechend zu Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfGE 125, 104 137>; 134, 106 117 f. Rn. 34>). Dies gilt auch für die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts selbst, mit der es eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels - hier der Revision - zurückweist. Hingegen genügt nicht bereits die einfachrechtlich fehlerhafte Handhabung der maßgeblichen Zulassungsvorschriften (vgl. BVerfGE 67, 90 95>; 87, 282 284 f.>; 101, 331 359 f.>).
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Stellt sich eine entscheidungserhebliche und der einheitlichen Auslegung bedürfende Frage des Unionsrechts, ist bereits mit der sich voraussichtlich in einem künftigen Revisionsverfahren ergebenden Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 267 Abs. 3 AEUV) auch der Zulassungsgrund der "grundsätzlichen Bedeutung" im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG gegeben (vgl. für § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Oktober 2015 - 1 BvR 137/13 -, Rn. 13 m.w.N.; siehe auch BVerfGE 82, 159 196> zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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b) Die Entscheidung eines Revisionsgerichts, die Revision nicht gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, und die ihr zugrundeliegende Annahme, dass sich eine entscheidungserhebliche, einen Zulassungsgrund im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG bildende Frage des Unionsrechts nicht stelle, sind an den für die Handhabung des Art. 267 Abs. 3 AEUV herausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstäben zu messen (zuletzt BVerfGE 129, 78 105 ff.>; 135, 155 231 f. Rn. 179 ff.>; für § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. Oktober 2015 - 1 BvR 137/13 -, Rn. 14 m.w.N.).
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2. Das Recht auf den gesetzlichen Richter ist danach nicht verletzt. Bei objektiver Betrachtung lag es hier nicht nahe, dass sich in einem künftigen Revisionsverfahren die Notwendigkeit einer Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ergeben würde. Die Frage, wie weit die in § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG in direkter Umsetzung des europäischen Rechts zur Massenentlassung normierte Pflicht des Arbeitgebers reicht, den Betriebsrat von Gründen für geplante Entlassungen zu unterrichten, hat das Landesarbeitsgericht beantwortet. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat insofern bereits klargestellt, dass die Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen keine Bestimmungen darüber enthält, unter welchen Umständen der Arbeitgeber Massenentlassungen in Erwägung ziehen muss, und dass die Richtlinie seine Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Frage, ob und wann er einen Plan für Massenentlassungen aufstellen muss, in keiner Weise einschränkt (vgl. EuGH <GK>, Urteil vom 21. Dezember 2016, AGET Iraklis, C-201/15, EU:C:2016:972, Rn. 30 ff.). Das Bundesarbeitsgericht hat vor diesem Hintergrund vertretbar dargelegt, warum es ein Vorabentscheidungsersuchen für nicht notwendig erachtet und daher die Revisionen nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung einer Rechtsfrage zuzulassen sind.
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3. Die Beschwerdeführenden sind durch die Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts auch nicht in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Das Bundesarbeitsgericht ist auch insoweit in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die von den Beschwerdeführenden aufgeworfene Rechtsfrage, ob es mit Unionsrecht vereinbar sei, auf Basis der festgestellten Tatsachen der Vorinstanzen die Entscheidungserheblichkeit zu beurteilen, bereits hinreichend geklärt ist. Eine Vorlagefrage ist danach nicht zu stellen, um allgemeine oder hypothetische Fragen beantworten zu lassen, sondern muss für die Entscheidung eines konkreten Rechtsstreits erforderlich sein. Es ist bereits entschieden, dass ein Revisionsgericht, dass nach den nationalen Verfahrensvorschriften - hier auch mit Blick auf die Beschränkungen des § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG und § 559 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 72 Abs. 5 ArbGG - davon ausgeht, dass ein Vorbringen der Parteien nicht zu berücksichtigen sei, eine somit für ein Verfahren nicht entscheidungserhebliche Frage nicht stellen muss (vgl. EuGH, Urteil vom 15. März 2017, Aquino, C-3/16, EU:C:2017:209, Rn. 43 ff.).
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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