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BVerfG 11.10.2021 - 2 BvR 1713/21
BVerfG 11.10.2021 - 2 BvR 1713/21 - Erfolgreicher Eilantrag: einstweilige Untersagung des Vollzugs einer Auslieferung - unzureichende fachgerichtliche Prüfung der mit einem Ortswechsel verbundenen Risiken für die psychische Gesundheit des Betroffenen
Normen
§ 32 Abs 1 BVerfGG, § 32 IRG, Art 3 MRK
Vorinstanz
vorgehend OLG Düsseldorf, 10. September 2021, Az: III-3 AR 28/21, Beschluss
vorgehend OLG Düsseldorf, 2. August 2021, Az: III-3 AR 28/21, Beschluss
nachgehend BVerfG, 30. März 2022, Az: 2 BvR 1713/21, Einstweilige Anordnung
nachgehend BVerfG, 20. April 2022, Az: 2 BvR 1713/21, Stattgebender Kammerbeschluss
Tenor
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Die Übergabe des Beschwerdeführers an die schwedischen Behörden wird bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, einstweilen untersagt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf wird mit der Durchführung der einstweiligen Anordnung beauftragt.
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Die − derzeit nicht vollzogene − Auslieferungshaft bleibt von der einstweiligen Anordnung unberührt.
Gründe
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Zur Verfahrenssicherung wird die Übergabe des Beschwerdeführers an die schwedischen Behörden gemäß § 32 Abs. 1 und Abs. 2 BVerfGG bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von sechs Monaten, einstweilen untersagt.
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1. Das Bundesverfassungsgericht kann einen Zustand durch einstweilige Anordnung gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 55, 1 3>; 82, 310 312>; 94, 166 216 f.>; 104, 23 27>; 106, 51 58>).
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Als Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes hat die einstweilige Anordnung auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren die Aufgabe, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern; sie soll auf diese Weise dazu beitragen, Wirkung und Bedeutung einer erst noch zu erwartenden Entscheidung in der Hauptsache zu sichern und zu erhalten (vgl. BVerfGE 42, 103 119>). Deshalb bleiben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht, es sei denn, die Hauptsache erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 89, 38 43 f.>; 103, 41 42>; 118, 111 122>; stRspr). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, so hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich lediglich im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 105, 365 371>; 106, 351 355>; 108, 238 246>; 125, 385 393>; 132, 195 232 f. Rn. 87>; stRspr).
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2. Nach diesen Maßstäben ist eine einstweilige Anordnung zu erlassen.
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a) Die Verfassungsbeschwerde, die sich gegen die Überstellung des Beschwerdeführers, eines afghanischen Staatsangehörigen, in den Maßregelvollzug nach Schweden richtet, ist weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. In Anbetracht der bisherigen Krankengeschichte des Beschwerdeführers erscheint es vielmehr möglich, dass ihn die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seinem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 3 Abs. 1 GRCh verletzt, weil das Gericht seiner Aufklärungsverpflichtung zu der Frage, welche Folgen die Überstellung und insbesondere der damit verbundene Ortswechsel für die psychische Gesundheit des Beschwerdeführers haben könnte, nicht hinreichend nachgekommen ist.
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b) Die nach § 32 Abs. 1 BVerfGG erforderliche Folgenabwägung geht zugunsten des Beschwerdeführers aus. Die Folgen, die einträten, wenn der Beschwerdeführer überstellt werden würde, sich später aber herausstellte, dass die Überstellung rechtswidrig war, wiegen erheblich schwerer als die Folgen, die entstünden, wenn die Überstellung einstweilen untersagt bliebe, sich später aber herausstellte, dass sie ohne Rechtsverstoß hätte durchgeführt werden können. Denn im erstgenannten Fall wäre dem Beschwerdeführer eine erfolgreiche Geltendmachung seiner Einwände gegen die Überstellung voraussichtlich nicht mehr möglich. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass es im Falle einer Überstellung zu einer Exazerbation der bestehenden paranoiden Schizophrenie mit einer damit einhergehenden erheblichen Verschlechterung seines gesundheitlichen Zustands kommen könnte, ohne dass ein späteres Obsiegen im Verfassungsbeschwerdeverfahren diese Rechtsbeeinträchtigung kompensieren könnte. Demgegenüber könnte der Beschwerdeführer, sollte sich die geplante Überstellung als rechtmäßig erweisen, zu einem späteren Zeitpunkt an die schwedischen Behörden übergeben werden. Sein Aufenthalt in Deutschland würde sich lediglich bis zu einem solchen späteren Termin verlängern.
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