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BVerfG 22.07.2021 - 2 BvC 4/21
BVerfG 22.07.2021 - 2 BvC 4/21 - Verwerfung einer Nichtanerkennungsbeschwerde (Art 93 Abs 1 Nr 4c GG, § 13 Nr 3a BVerfGG): Beschwerdeführerin im Nichtanerkennungsbeschwerdeverfahren nicht ordnungsgemäß vertreten - zudem unzureichende Bescherdebegründung - hier: Erfolglose Nichtanerkennungsbeschwerde der "Allianz Vielfalt & Mitbestimmung"
Normen
Art 93 Abs 1 Nr 4c GG, § 13 Nr 3a BVerfGG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 96a Abs 2 BVerfGG, § 18 Abs 3 S 2 BWahlG, § 2 Abs 1 S 1 PartG, § 11 Abs 3 S 2 PartG
Tenor
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Die Nichtanerkennungsbeschwerde wird verworfen.
Gründe
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I.
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Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ablehnung ihrer Anerkennung als Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag.
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1. Am 8. Juli 2021 stellte der Bundeswahlausschuss fest, dass die Beschwerdeführerin nicht als Partei für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag anzuerkennen ist. Die formellen Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 BWahlG seien zwar erfüllt. Nicht erfüllt seien hingegen die Kriterien der Parteieigenschaft gemäß § 2 PartG, da die Beschwerdeführerin insbesondere keine Angabe zur Zahl ihrer Mitglieder und zu ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit gemacht habe.
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2. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 10. Juli 2021 Nichtanerkennungsbeschwerde erhoben, wobei das Schreiben von einem Vorstandsmitglied "für den Bundesvorstand" unterzeichnet wurde. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass sie 2020 an einer Kommunalwahl teilgenommen und im Rahmen der Beteiligungsanzeige alle Unterlagen bei der Landes- und Bundeswahlleitung hinterlegt habe. Der Bundeswahlleiter habe auf Versäumnisse hinweisen und Gelegenheit zur Mangelbeseitigung geben müssen. Das Kriterium des Hervortretens in der Öffentlichkeit sei in Zeiten der Pandemie für eine neue, kleine Partei, die sich an Abstands- und Kontaktregeln halte, eine unangemessene Härte. Man halte digital Kontakt zu Mitgliedern und Interessenten. Auch das Kriterium ihrer Mitgliederzahl (28 Mitglieder in drei Ländern) sei wenig geeignet, da man gerade Menschen ansprechen wolle, die bereit seien, sich zu engagieren, ohne Parteimitglied zu werden. Dass bei der Beschwerdeführerin eine politische Willens- und Meinungsbildung auch ohne Mitgliedschaft erfolgreich stattfinde, zeige sich daran, dass für sie zahlreiche Nichtparteimitglieder bei der Kommunalwahl angetreten seien. Für ihre potentiellen Kreiswahlkandidaturen stelle die Nichtzulassung wegen des eingeschränkten Wiedererkennungseffekts eine besondere Härte dar.
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3. Dem Bundeswahlausschuss ist Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Der Bundeswahlleiter hat am 15. Juli 2021 ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei im Rahmen des Mängelbeseitigungsverfahrens mehrfach darauf hingewiesen worden, dass keine Nachweise zur Parteieigenschaft eingereicht worden seien. Zudem seien ihr wiederholt die Anforderungen mittels Broschüren und Checklisten deutlich gemacht worden. Belege zur Mitgliederanzahl und zur Öffentlichkeitsarbeit seien jedoch zu keinem Zeitpunkt eingereicht worden. In der Sitzung des Bundeswahlausschusses hätten mangels Anwesenheit eines Vertreters der Beschwerdeführerin keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden können.
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4. Die Beschwerdeführerin hat daraufhin ihr Vorbringen bekräftigt; im Hinblick auf die zahlreich durchgeführten Online-Veranstaltungen habe man schon aus datenschutzrechtlichen Gründen von Screenshots oder ähnlichen Nachweisen abgesehen.
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Eine Vorlage verfahrensrelevanter Unterlagen ist nicht erfolgt.
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II.
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Die Nichtanerkennungsbeschwerde ist unzulässig.
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1. Der Antrag ist bereits nicht wirksam anhängig gemacht worden, da die Beschwerdeführerin nicht ordnungsgemäß vertreten wurde.
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Dabei kann dahinstehen, ob für die Frage der ordnungsgemäßen Vertretung der Partei oder Vereinigung im Nichtanerkennungsbeschwerdeverfahren auf § 11 Abs. 3 Satz 2 PartG in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB abzustellen (vgl. Detterbeck, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 93 Rn. 104b; Lenz/Hansel, BVerfGG, 3. Aufl. 2020, § 96a Rn. 5; Lechner/Zuck, BVerfGG, 8. Aufl. 2019, § 96a Rn. 12) oder ob in Zweifelsfällen (vgl. Bechler/Neidhardt, NVwZ 2013, S. 1438 1440>) oder gar regelmäßig (vgl. Schlaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, 11. Aufl. 2018, Rn. 345c; Hummel, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 96a Rn. 14) § 18 Abs. 2 Satz 3 BWahlG entsprechend heranzuziehen ist.
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Bei Heranziehung von § 18 Abs. 2 Satz 3 BWahlG wäre die vorliegende Beschwerde mangels ordnungsgemäßer Vertretung unzulässig, da die Beschwerdeschrift nicht von mindestens drei Mitgliedern des Bundesvorstands der Beschwerdeführerin unterzeichnet worden ist. Nichts Anderes ergäbe sich auf Grundlage von § 11 Abs. 3 Satz 2 PartG, da die Beschwerdeführerin nach § 14 Abs. 1 ihrer Satzung "durch zwei Mitglieder des Bundesvorstands, darunter mindestens eine Vorsitzende oder die Schatzmeisterin gemeinsam gerichtlich und außergerichtlich vertreten" wird. Vorliegend wurde die Beschwerde jedoch nur durch ein Mitglied des Bundesvorstands unterzeichnet.
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2. Die Nichtanerkennungsbeschwerde entspricht zudem nicht den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 96a Abs. 2 BVerfGG. Danach hat die Beschwerdeführerin sich mit den Erwägungen des Bundeswahlausschusses auseinanderzusetzen und die "erforderlichen" Beweismittel vorzulegen (vgl. BTDrucks 17/9391, S. 11 und BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 25. Juli 2017 - 2 BvC 4/17 -, Rn. 8). Daran fehlt es.
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Nachdem der Bundeswahlausschuss seine ablehnende Entscheidung maßgeblich darauf gestützt hat, dass die Beschwerdeführerin die Kriterien der Parteieigenschaft nicht erfülle und insbesondere keine Angaben zur Zahl ihrer Mitglieder und zu ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit gemacht habe, hätte es der Beschwerdeführerin oblegen, sich mit den Kriterien des § 2 PartG auseinanderzusetzen und zumindest entsprechende Unterlagen vorzulegen. Die Beschwerdeführerin hat jedoch auch im Beschwerdeverfahren keinerlei Nachweise vorgelegt. Gemessen an ihrem Einwand, sie habe bereits in der Vergangenheit die nötigen Unterlagen hinterlegt und der Bundeswahlausschuss habe sie zur Nachbesserung auffordern müssen, bleibt im Dunkeln, warum sie trotz mehrerer entsprechender Aufforderungen bis zuletzt keinerlei nach § 18 Abs. 2 Satz 6 BWahlG nachholbare Belege im Hinblick auf ihre Parteieigenschaft eingereicht hat.
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Schon anhand der Behauptungen der Beschwerdeführerin erscheint es fernliegend, dass sie die Anforderungen an die Annahme einer wahlvorschlagsberechtigten Partei (vgl. etwa BVerfGE 146, 319 <322 ff. Rn. 14 ff.) erfüllt und die Entscheidung des Bundeswahlausschusses zu beanstanden sein könnte. Die behauptete Anzahl von nur 28 Mitgliedern in drei Ländern trotz des mehrjährigen Bestehens der am 14. Juli 2019 gegründeten Beschwerdeführerin (vgl. dazu BVerfGE 146, 319 326 Rn. 23>) und der Werbungsversuche von Mitgliedern über ihre Website lässt nicht erkennen, wie sie auf Bundesebene Einfluss auf die politische Willensbildung des Volkes nehmen sowie einen Wahlkampf mit dem Ziel parlamentarischer Vertretung führen will (vgl. BVerfGE 134, 131 134 Rn. 12>). Dass die Partei über das Bestehen eines Bundesverbandes hinaus weitere organisatorische Strukturen (wie etwa Gebietsverbände oder sonstige Organisationsstrukturen) aufweist und als hinreichend organisatorisch verfestigt angesehen werden kann, wird allein durch die behauptete Kandidatur einer unbestimmten Zahl von Nichtmitgliedern bei einer bereits um ein Jahr zurückliegenden Kommunalwahl nicht dargetan.
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Auch ist die Beschwerdeführerin in der Öffentlichkeit bislang kaum hervorgetreten. Hinsichtlich der von ihr behaupteten Öffentlichkeitsarbeit in den digitalen Medien weist lediglich einer der seit 6. Dezember 2019 auf der Website der Beschwerdeführerin gelisteten Blogbeiträge einen Kommentar und damit eine erkennbare Resonanz auf. Im Rahmen des Mikroblogging-Dienstes Twitter folgen den Beiträgen der Beschwerdeführerin nur 41 Personen. Diese geringe Präsenz in den sozialen Medien bietet keine Gewähr für die Ernsthaftigkeit der Zielsetzung der Beschwerdeführerin, die politische Willensbildung im Bund oder in einem Land zu beeinflussen (vgl. dazu BVerfGE 146, 319 326 f. Rn. 25>) und eine parlamentarische Vertretung anzustreben. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin außerhalb der sozialen Medien auf sich und ihre politischen Ziele in relevantem Umfang aufmerksam macht.
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