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BVerfG 03.06.2020 - 1 BvR 1246/20
BVerfG 03.06.2020 - 1 BvR 1246/20 - Erlass einer einstweiligen Anordnung: Verletzung der prozessualen Waffengleichheit (Art 3 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG) durch Erlass einer einstweiligen Verfügung in einer äußerungsrechtlichen Sache ohne Anhörung der Gegenseite
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 707 S 2 ZPO, § 924 Abs 3 ZPO, § 935 ZPO, § 936 ZPO, § 937 Abs 2 ZPO
Vorinstanz
vorgehend LG Berlin, 30. April 2020, Az: 27 O 169/20, Beschluss
nachgehend BVerfG, 6. Dezember 2021, Az: 1 BvR 1246/20, Kammerbeschluss
Tenor
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1. Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 30. April 2020 - 27 O 169/20 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit gemäß Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Seine Wirksamkeit wird bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache oder bis zu einer erneuten Entscheidung des Landgerichts, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.
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2. Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen im Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten.
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde und der damit verbundene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung richten sich gegen eine einstweilige Verfügung, die das Landgericht Berlin ohne Anhörung des beschwerdeführenden Vereins in einer äußerungsrechtlichen Angelegenheit erlassen hat.
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1. Das zugrundeliegende Verfahren betrifft einen Streit zwischen zwei Polizeigewerkschaften um eine Äußerung im Rahmen der Vorbereitung der Personalratswahlen bei der Bundespolizei. Zwischen den Gewerkschaften bestand Streit um die Möglichkeiten und Tunlichkeit einer Durchführung der für den Monat Mai vorgesehenen und tatsächlich durchgeführten Wahlen trotz der zu diesem Zeitpunkt ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Im Zuge der Auseinandersetzung veröffentlichte der Beschwerdeführer unter der Überschrift "Ohne Rücksicht auf Verluste - DPolG und BdK fassungslos! GdP-geführter Hauptwahlvorstand hält am Wahltermin fest und vergibt große Chance!" auf seiner Homepage die folgende Meldung:
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"[…] Berlin, 16.04.20 - In einem heute an alle Beschäftigten der Bundespolizei veröffentlichten Schreiben teilt der Hauptwahlvorstand mit, dass […] die Wahlen vom 12.-14. Mai 2020 ordnungsgemäß durchgeführt werden können.
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Eindrucksvoller kann man seine Distanz zur Basis nicht dokumentieren! DPolG und BDK sind gemeinsam für die Beschäftigten […] bis in die 'Hohe Politik' marschiert, um u.a. eine Verschiebung des Wahltermins zu ermöglichen. Am 8. April 2020 hat sich das Bundeskabinett mit der Initiative von DPolG und BDK befasst. Sowohl die Wahlordnung, als auch das BPersVG sollen im Sinne unserer Initiative geändert werden […]. Der GdP-geführte Hauptwahlvorstand hat sich aus dem Gesetzespaket nur den Teil herausgesucht, der ihm genehm war, nämlich die Durchführung der Briefwahl. […]. Da es keine sachlichen Gründe gegen eine Verschiebung der Wahl gibt und es bei der Ablehnung unserer Initiative offenbar ausschließlich darum ging, Machtspielchen auf dem Rücken der Beschäftigten der Bundespolizei auszutragen, ist es jetzt um so wichtiger, von Ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen und das Kreuz an die richtige Stelle des Stimmzettels zu setzen."
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2. Wegen dieser Meldung mahnte die Antragstellerin des Verfügungsverfahrens, die Gewerkschaft der Polizei - Bundespolizei (GdP), den Beschwerdeführer mit anwaltlichem Schreiben vom 17. April 2020 ab und forderte ihn zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auf, in der jeweils nur der Satzteil "GdP geführter" als zu unterlassen unterstrichen war. Die Äußerungen seien falsche Tatsachenbehauptungen, da eine Verschiebung der Wahl rechtlich nicht zulässig gewesen sei und auch der Wahlvorstand nicht allein von der GdP geführt werde. Der Beschwerdeführer wies dieses Begehren anwaltlich vertreten zurück. Der als unzutreffend gerügte Eindruck, dass nach der aktuellen Rechtslage eine Wahlverschiebung rechtlich möglich gewesen sei, dränge sich aufgrund der Meldung nicht unabweisbar auf. Zudem treffe die Meldung zu, weil durch die angestrebte Änderung des Personalvertretungsgesetzes auch die Möglichkeit einer Wahlverschiebung bestehe. Die Verantwortung der GdP für die Entscheidung des Wahlvorstands ergebe sich aus den dortigen Stimmverhältnissen und dem Abstimmungsverhalten. Vorsorglich weise man auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hin, wonach der Beschwerdeführer in einem Verfügungsverfahren aus Gründen prozessualer Waffengleichheit anzuhören wäre. Zusätzlich hinterlegte der Beschwerdeführer beim zentralen elektronischen Register eine Schutzschrift, die auf die außerprozessuale anwaltliche Erwiderung verwies.
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3. Am 22. April 2020 stellte die GdP beim Landgericht Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wobei das Erwiderungsschreiben des Beschwerdeführers, nicht aber die umfangreichen Anlagen beigefügt waren. Im Antrag waren dieselben Passagen ("GdP geführter") unterstrichen, die auch im Abmahnungsschreiben hervorgehoben waren. Der Antrag ist im Vergleich zur Abmahnung ausgebaut und geht teilweise auf Argumente aus der Erwiderung ein. Mit Schriftsatz vom 24. April 2020 ergänzte die GdP ihren Antrag und begehrte durch entsprechende Unterstreichungen hilfsweise Unterlassung anderer Äußerungsteile.
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4. Ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers erließ das Landgericht am 30. April 2020 die angegriffene einstweilige Verfügung, die den ursprünglich gestellten Antrag zurückwies und dem Hilfsantrag in Teilen stattgab. Der Beschwerdeführer hat es danach zu unterlassen, zu behaupten, der GdP-geführte Hauptwahlvorstand habe sich aus dem Gesetzespaket nur den Teil herausgesucht, der ihm genehm war, nämlich die Durchführung der Briefwahl, oder zu behaupten, dass es keine sachlichen Gründe gebe, die gegen eine Verschiebung der Wahl sprächen. Eine Begründung des stattgebenden Teils der einstweiligen Verfügung enthält der Beschluss nicht.
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Nach Zustellung der einstweiligen Verfügung legte der Beschwerdeführer am 13. Mai 2020 Widerspruch ein und stellte Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Daraufhin setzte das Landgericht Frist zur mündlichen Verhandlung auf den 7. Juli 2020. Die Äußerungen befinden sich noch auf der Homepage des Beschwerdeführers. Eine Ausfertigung des Beschlusses wurde dem Beschwerdeführer seitens des Gerichtsvollziehers zugestellt. Über den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist noch nicht entschieden.
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5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde und dem damit verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner prozessualen Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren.
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6. Die Antragstellerin des einstweiligen Verfügungsverfahrens hat im Verfahren der einstweiligen Anordnung Stellung genommen. Sie meint unter Hinweis auf das noch laufende Verfahren der Entscheidung über den Widerspruch und den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, der Rechtsweg sei nicht erschöpft. Auch habe sich der Beschwerdeführer in seinem Erwiderungsschreiben zu allen für die einstweilige Verfügung wesentlichen Fragen bereits geäußert, was dem Gericht auch vorgelegen habe.
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II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.
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1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Anders als im Verfahren 1 BvR 1783/17, in dem die Kammer den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Darlegung eines erheblichen Nachteils abgelehnt hatte (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 6), sind die Anforderungen, die sich aus der prozessualen Waffengleichheit in äußerungsrechtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren ergeben, nunmehr eingehend verfassungsgerichtlich klargestellt (vgl. den Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -).
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Angesichts dieser Klärung aller entscheidungswesentlichen Fragen führt die vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Entscheidung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG vorzunehmende Folgenabwägung (vgl. BVerfGE 71, 158 161>; 88, 185 186>; 91, 252 257 f.>; stRspr) zu dem Ergebnis, dass die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe überwiegen. Denn die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der gerügten Verletzung der prozessualen Waffengleichheit im einstweiligen Verfügungsverfahren offensichtlich zulässig und begründet.
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist hinsichtlich der Rüge der prozessualen Waffengleichheit zulässig (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 10). Diesbezüglich ist, unabhängig von dem noch fortdauernden Ausgangsverfahren und dem noch nicht beschiedenen Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung, auch der Rechtsweg erschöpft (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Die Rügen beziehen sich auf eine Rechtsverletzung unmittelbar durch die Handhabung des Prozessrechts im Verfahren über den Erlass der einstweiligen Verfügung. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen ein seinem Vorbringen nach bewusstes Übergehen seiner prozessualen Rechte, das das Landgericht im Vertrauen daraufhin praktiziert habe, dass diese Rechtsverletzung angesichts später eröffneter Verteidigungs- und Heilungsmöglichkeiten folgenlos bleibe und deshalb nicht geltend gemacht werden könne. Diesbezüglich besteht ein fachgerichtlicher Rechtsbehelf nicht. Insbesondere gibt es keine prozessrechtliche Möglichkeit, etwa im Wege einer Feststellungsklage eine fachgerichtliche Kontrolle eines solchen Vorgehens zu erwirken. Auch der vom Beschwerdeführer gemeinsam mit dem Widerspruch eingelegte Antrag nach § 924 Abs. 3 in Verbindung mit § 707 Satz 2 ZPO ist zu einer solchen Kontrolle nicht geeignet, da er nur zulässig ist, wenn dadurch der Zweck der einstweiligen Verfügung nicht vereitelt wird (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 924 Rn. 13) und er zudem von den Erfolgsaussichten in der Sache abhängt (vgl. Götz, in: MüKo ZPO, 5. Aufl. 2016, § 707 Rn. 12). Eine Missachtung von Verfahrensrechten als solche kann damit nicht geltend gemacht werden. Die Verfassungsbeschwerde kann daher ausnahmsweise unmittelbar gegen die einstweilige Verfügung selbst erhoben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 10).
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Da die Rechtsbeeinträchtigung durch die einstweilige Verfügung in Gestalt eines weiterhin vollstreckbaren Unterlassungstitels noch fortdauert, muss der Beschwerdeführer kein besonders gewichtiges Feststellungsinteresse geltend machen. Vielmehr genügt es, dass er weiterhin durch die angegriffene Verfügung beschwert ist, sodass ihm durch deren verfassungsgerichtliche Aufhebung oder Außervollzugsetzung Rechtschutz gewährt werden kann.
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3. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
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a) Die hier maßgeblichen Rechtsfragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. den Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 14 ff.).
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aa) Der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit ist Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes im Zivilprozess und sichert verfassungsrechtlich die Gleichwertigkeit der prozessualen Stellung der Parteien vor Gericht. Dieses muss den Prozessparteien im Rahmen der Verfahrensordnung gleichermaßen die Möglichkeit einräumen, alles für die gerichtliche Entscheidung Erhebliche vorzutragen und alle zur Abwehr des gegnerischen Angriffs erforderlichen prozessualen Verteidigungsmittel selbständig geltend zu machen. Die prozessuale Waffengleichheit steht dabei im Zusammenhang mit dem Gehörsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 1 GG, der eine besondere Ausprägung der Waffengleichheit ist. Als prozessuales Urrecht (vgl. BVerfGE 70, 180 188>) gebietet dieser, in einem gerichtlichen Verfahren der Gegenseite grundsätzlich vor einer Entscheidung Gehör und damit die Gelegenheit zu gewähren, auf eine bevorstehende gerichtliche Entscheidung Einfluss zu nehmen (vgl. BVerfGE 9, 89 96 f.>; 57, 346 359>). Entbehrlich ist eine vorherige Anhörung nur in Ausnahmefällen. Voraussetzung der Verweisung auf eine nachträgliche Anhörung ist, dass sonst der Zweck des einstweiligen Verfügungsverfahrens vereitelt würde (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 14 bis 16).
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bb) Von der Frage der Anhörung und Einbeziehung der Gegenseite zu unterscheiden ist die Frage, in welchen Fällen über den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann. Für die Beurteilung, wann ein dringender Fall im Sinne des § 937 Abs. 2 ZPO vorliegt und damit auf eine mündliche Verhandlung verzichtet werden kann, haben die Fachgerichte einen weiten Wertungsrahmen. Die Annahme einer Dringlichkeit setzt freilich sowohl seitens des Antragstellers als auch seitens des Gerichts eine entsprechend zügige Verfahrensführung voraus (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 19 f.).
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cc) Über eine einstweilige Verfügung wird in äußerungsrechtlichen Angelegenheiten gleichwohl angesichts der Eilbedürftigkeit nicht selten zunächst ohne mündliche Verhandlung entschieden werden müssen. Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung berechtigt aber nicht ohne weiteres dazu, die Gegenseite bis zur Entscheidung über den Verfügungsantrag aus dem Verfahren herauszuhalten (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 21 bis 24). Nach dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit kommt eine stattgebende Entscheidung über den Verfügungsantrag vielmehr grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Gegenseite die Möglichkeit hatte, auf das mit dem Antrag geltend gemachte Vorbringen zu erwidern. Dabei ist von Verfassung wegen nichts dagegen zu erinnern, wenn das Gericht in solchen Eilverfahren auch die Möglichkeiten einbezieht, die es der Gegenseite vorprozessual erlauben, sich zu dem Verfügungsantrag zu äußern, wenn sichergestellt ist, dass solche Äußerungen vollständig dem Gericht vorliegen. Hierfür kann auch auf die Möglichkeit zur Erwiderung gegenüber einer dem Verfügungsverfahren vorangehenden Abmahnung abgestellt werden. Dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit genügen die Erwiderungsmöglichkeiten auf eine Abmahnung allerdings nur dann, wenn der Verfügungsantrag in Anschluss an die Abmahnung unverzüglich nach Ablauf einer angemessenen Frist für die begehrte Unterlassungserklärung bei Gericht eingereicht wird, die abgemahnte Äußerung sowie die Begründung für die begehrte Unterlassung mit dem bei Gericht geltend gemachten Unterlassungsbegehren identisch sind und der Antragsteller ein etwaiges Zurückweisungsschreiben des Antragsgegners zusammen mit seiner Antragsschrift bei Gericht eingereicht hat.
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Demgegenüber ist dem Antragsgegner Gehör zu gewähren, wenn er nicht in der gehörigen Form abgemahnt wurde oder der Antrag vor Gericht in anderer Weise als in der Abmahnung oder mit ergänzendem Vortrag begründet wird. Gehör ist auch zu gewähren, wenn das Gericht dem Antragsteller Hinweise nach § 139 ZPO erteilt, von denen die Gegenseite sonst nicht oder erst nach Erlass einer für sie nachteiligen Entscheidung erfährt (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 24) . Entsprechend ist es verfassungsrechtlich geboten, den jeweiligen Gegner vor Erlass einer Entscheidung in den gleichen Kenntnisstand zu versetzen wie den Antragsteller, indem auch ihm die richterlichen Hinweise zeitnah mitgeteilt werden. Dies gilt insbesondere, wenn es bei Rechtsauskünften in Hinweisform darum geht, einen Antrag gleichsam nachzubessern oder eine Einschätzung zu den Erfolgsaussichten abzugeben. Ein einseitiges Geheimverfahren über einen mehrwöchigen Zeitraum, in dem sich Gericht und Antragsteller über Rechtsfragen austauschen, ohne den Antragsgegner in irgendeiner Form einzubeziehen, ist mit den Verfahrensgrundsätzen des Grundgesetzes jedenfalls unvereinbar (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 30. September 2018 - 1 BvR 1783/17 -, Rn. 24).
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b) Nach diesen Maßstäben verletzt der Beschluss des Landgerichts Berlin den Beschwerdeführer offenkundig in seinem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
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aa) Durch den Erlass der einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers war vorliegend die Gleichwertigkeit seiner prozessualen Stellung gegenüber dem Verfahrensgegner nicht mehr gewährleistet. Zwar hatte die antragstellende Gewerkschaft den Beschwerdeführer außerprozessual abgemahnt und dieser darauf erwidert. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hatte jedoch in dem gerichtlichen Antragsschriftsatz auf Einwände, die der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers in seinem Erwiderungsschreiben geäußert hatte, teilweise ausdrücklich erwidert. Bereits daraus ergab sich, dass das Gericht im Sinne gleichwertiger Äußerungs- und Verteidigungsmöglichkeiten dem Beschwerdeführer - gegebenenfalls auch fernmündlich oder per E-Mail - Gelegenheit hätte geben müssen, die Replik der Gegenseite zumindest zur Kenntnis zu nehmen und seinerseits zu erwidern. Hinzu kommt, dass bereits die ursprüngliche Antragsbegründung - auch unabhängig von den naturgemäß unterschiedlichen Anforderungen an ein anwaltliches Schreiben im Vergleich zu einem Verfahrensschriftsatz - wesentlich umfassender und differenzierter war als das Abmahnschreiben. Die gebotene Kongruenz des der Entscheidung zugrundeliegenden Antrags zur vorprozessualen Abmahnung war damit ersichtlich nicht gegeben.
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Erst recht gilt dies infolge der weiteren Ergänzung des Verfügungsantrags vom 24. April 2020. So hatte die Antragstellerin in ihrem ursprünglichen Abmahnungsschreiben ausdrücklich nur verlangt, es zu unterlassen, den Wahlvorstand als "GdP-geführt" zu bezeichnen und hatte den letztlich positiv beschiedenen Antrag erst im zweiten Schriftsatz ergänzt. Zwar ging bereits aus dem vorprozessualen Schreiben hervor, dass sich die Antragstellerin auch gegen den womöglich bestehenden Eindruck wenden wollte, es habe die Möglichkeit einer Termins-verschiebung bestanden. Dies ergab sich aus dem - anwaltlich formulierten - Schreiben jedoch nicht in der nötigen Deutlichkeit, die ein Absehen von der grundsätzlich gebotenen Anhörung durch das Gericht begründen könnte. Es ist der Gegenseite nicht zuzumuten, über die jeweils ausdrücklich formulierten Begehren hinaus abzuwägen, was tatsächlich der Sache nach gemeint gewesen sein könnte und vorsorglich auch darauf im Einzelnen zu erwidern.
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Eine Einbeziehung des Beschwerdeführers durch das Gericht vor Erlass der Verfügung wäre somit offensichtlich geboten gewesen. Eine solche Frist zur Stellungnahme hätte auch kurz bemessen sein können. Unzulässig ist es jedoch, wegen solcher Verzögerungen gänzlich von einer Einbeziehung der Gegenseite abzusehen und sie stattdessen bis zum Zeitpunkt der auf Widerspruch hin anberaumten mündlichen Verhandlung mit einem einseitig erstrittenen gerichtlichen Unterlassungstitel zu belasten.
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bb) Die konkrete Art der Verfahrensführung ist auch unter dem Gesichtspunkt allgemein erschwerten Geschäftsgangs aufgrund von Corona-Eindämmungsmaßnahmen nicht zu rechtfertigen. Die Möglichkeit zu einer - etwa auch fernmündlichen - Gehörsgewährung war zu keinem Zeitpunkt derart reduziert, dass dies ein Abgehen von den gerichtlichen Verfahrenspflichten hätte rechtfertigen können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Pflicht zu einer zügigen und ausgeglichenen Verfahrensführung mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht erledigt. Entsprechend besteht in Fällen einer ausnahmsweise ohne Einbeziehung der Gegenseite erlassenen einstweiligen Verfügung im Gegenzug zumindest eine besondere Obliegenheit, eine mündliche Verhandlung zeitnah anzuberaumen. Auch dem ist das Landgericht vorliegend durch die Anberaumung auf den Monat Juli nicht gerecht geworden.
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4. Angesichts des Verstoßes gegen die prozessuale Waffengleichheit kommt es auf eine Prüfung der Verletzung weiterer Grundrechte nicht an.
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5. Die Außervollzugsetzung der verfahrenswidrig zustande gekommenen Entscheidung gibt dem Landgericht Berlin Gelegenheit, bei einer neuerlichen Entscheidung beide Seiten einzubeziehen und deren Vortrag zu berücksichtigen.
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6. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung für das einstweilige Anordnungsverfahren folgt aus § 34a Abs. 3 BVerfGG. Die Erstattung ist wegen des Obsiegens des Beschwerdeführers aus Billigkeitsgründen geboten.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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