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BVerfG 04.07.2017 - 2 BvR 1381/17
BVerfG 04.07.2017 - 2 BvR 1381/17 - Erlass einer einstweiligen Anordnung: Aussetzung der Abschiebung eines russischen Staatsangehörigen tschetschenischer Herkunft nach Polen - Umfang fachgerichtlicher Aufklärungspflichten bei Prüfung der Zulässigkeit einer Auslieferung und behaupteter politischer Verfolgung im Zielstaat, wenn Betroffener über einen sicheren Drittstaat iSv Art 16a Abs 2 S 1 GG eingereist ist - Verletzung der Rechtsschutzgarantie (Art 19 Abs 4 GG) nicht ausgeschlossen - Folgenabwägung
Normen
Art 16a Abs 2 S 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, EuAuslfÜbk, § 32 IRG, § 33 Abs 1 IRG
Vorinstanz
vorgehend OLG Dresden, 11. Mai 2017, Az: OLGAusl 294/16, Beschluss
vorgehend OLG Dresden, 4. April 2017, Az: OLGAusl 294/16, Beschluss
nachgehend BVerfG, 13. November 2017, Az: 2 BvR 1381/17, Stattgebender Kammerbeschluss
Tenor
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Die Übergabe des Beschwerdeführers an die Behörden der Russischen Föderation wird bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, längstens für die Dauer von drei Monaten, einstweilen untersagt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden wird mit der Durchführung der einstweiligen Anordnung beauftragt.
Gründe
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Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Herkunft, wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen Beschlüsse des Oberlandesgerichts Dresden, mit denen seine Auslieferung zur Strafverfolgung nach Russland für zulässig erklärt beziehungsweise die erneute Entscheidung über die Zulässigkeit nach § 33 Abs. 1 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) abgelehnt wurde.
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I.
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1. Der Beschwerdeführer wird verdächtigt, in seiner Heimat versucht zu haben, die Geschädigte einer Sexualstraftat, für die er eine mehrjährige Freiheitsstrafe verbüßt hat, nach seiner Haftentlassung mit einer Schusswaffe zu töten. Er macht geltend, sowohl die Sexualstraftat als auch nunmehr das versuchte Tötungsdelikt seien falsche Anschuldigungen, mit denen die tschetschenischen Sicherheitskräfte versuchten, ihn unter Druck zu setzen, damit er Namen und Aufenthaltsorte von ihm bekannten Aufständischen preisgibt.
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2. Im Jahr 2015 reisten der Beschwerdeführer und seine Familie nach Polen und beantragten dort Asyl. Die Asylanträge wurden abgelehnt. Das Widerspruchsverfahren blieb für den Beschwerdeführer und seine Familie in Polen erfolglos. Gegen die im Widerspruchsverfahren ergangenen Bescheide reichte der Beschwerdeführer Klagen ein. Eine gerichtliche Entscheidung warteten er und seine Familie jedoch nicht ab, sondern sie reisten am 8. April 2016 nach Deutschland weiter.
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3. In Deutschland stellten der Beschwerdeführer und seine Familie am 31. Mai 2016 Asylanträge. Diese wurden mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 6. September 2016 als unzulässig abgelehnt, da Polen aufgrund der dort gestellten Asylanträge nach der Dublin-III-Verordnung für die Durchführung der Asylverfahren zuständig sei. Zudem wurde die Abschiebung nach Polen angeordnet. Gegen die Ablehnung der Asylanträge erhoben der Beschwerdeführer und seine Familie am 15. September 2016 Klagen vor dem Verwaltungsgericht Dresden, die mit Urteil vom 3. April 2017 abgewiesen wurden. Hiergegen beantragte der Beschwerdeführer die Zulassung der Berufung, über die bislang nicht entschieden wurde.
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4. Der Beschwerdeführer wurde zwischenzeitlich aufgrund des versuchten Tötungsdelikts durch Behörden der Russischen Föderation international zur Fahndung ausgeschrieben und am 29. Dezember 2016 in Leipzig festgenommen. Seither befindet er sich in Haft. Mit der Auslieferung im vereinfachten Verfahren hat er sich nicht einverstanden erklärt.
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5. Am 26. Januar 2017 gingen die Auslieferungsunterlagen der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation beim Bundesamt für Justiz ein. In diesen wird die Tat bezeichnet und unter anderem zugesichert, dass das Auslieferungsersuchen nicht der politischen Verfolgung diene, dem Beschwerdeführer alle Möglichkeiten der Verteidigung im gerichtlichen Verfahren, einschließlich anwaltlichen Beistands, offen stünden und er keiner Folter und keiner grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen werde. Überdies werde er nur wegen derjenigen Tat strafrechtlich verfolgt, deretwegen um Auslieferung ersucht werde. Nach Beendigung des Strafverfahrens und gegebenenfalls Verbüßung der Freiheitsstrafe könne er die Russische Föderation wieder verlassen. Auch werde er in einer Haftanstalt untergebracht, die den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Europäischen Strafvollzugsvorschriften vom 11. Januar 2016 entspreche. Mitarbeiter des Konsulatsdienstes der deutschen Botschaft in Russland dürften ihn jederzeit zwecks Kontrolle der Einhaltung der oben aufgeführten Zusicherungen besuchen.
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6. Der Beschwerdeführer wurde am 6. Februar 2017 zum Auslieferungsersuchen vor dem Ermittlungsrichter am Amtsgericht Dresden persönlich angehört. Er sagte unter anderem aus, der ihm im Auslieferungsersuchen vorgeworfene Sachverhalt sei unzutreffend. Er sei 2011 wegen einer Vergewaltigungstat verhaftet worden, ohne dass Beweise gegen ihn vorgelegen hätten. Angefangen hätten seine Probleme mit seinem Studium in Dagestan. Die Hälfte seiner Mitstudenten seien Kämpfer gewesen, die ihre Heimat verteidigt hätten. Von ihm sei später durch tschetschenische Sicherheitskräfte verlangt worden, Namen und Aufenthaltsorte von bestimmten Personen preiszugeben. Das habe er nicht gemacht, weil er die begehrten Informationen nicht gehabt habe. Viele der ihm bekannten Personen seien inzwischen verstorben oder hätten in Europa Asyl beantragt. Danach sei der Vorwurf der Vergewaltigung gegen ihn erhoben und er deswegen verurteilt worden. Drei Monate nach seiner Haftentlassung sei er wiederum von der Miliz, die der tschetschenischen Regierung nahegestanden habe, nach bestimmten Personen gefragt worden. Bei seiner ersten Verhaftung sei er zudem gefoltert worden. Außerdem habe man ihm in den Fuß geschossen. Ihm sei über drei oder vier Tage lang immer wieder ein Blankoformular vorgelegt worden, welches er habe unterschreiben sollen. Dabei sei er mit Klebeband an Händen und Füßen an einen Stuhl gefesselt gewesen. Während dieser Zeit habe man ihm auch Stromschläge versetzt.
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7. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden beantragte am 13. Februar 2017 beim Oberlandesgericht Dresden, die Auslieferung für zulässig zu erklären. Gründe, die der Zulässigkeit entgegenstünden, seien nicht ersichtlich. Die Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren seien angefordert worden und würden nachgereicht. Es bestünden keine Gründe, eine politische Verfolgung des Beschwerdeführers anzunehmen.
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8. In der Folge forderte das Oberlandesgericht Dresden die Generalstaatsanwaltschaft auf, Unterlagen zur Asylantragstellung in Polen, zu den Angaben des Beschwerdeführers im dortigen Asylverfahren und zu den Umständen der Antragstellung bei den polnischen Stellen anzufordern sowie die in Polen getroffenen Asylentscheidungen beizuziehen. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden teilte dem Oberlandesgericht am 13. März 2017 mit, polnische Verbindungsbeamte hätten berichtet, der Beschwerdeführer habe am 30. Juli 2015 in Polen einen Asylantrag gestellt, der am 15. April 2016 vollständig abgelehnt worden sei. Dies spreche dagegen, dass die Republik Polen von einer Gefährdung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation ausgehe. Sollte dies nicht ausreichen, werde um richterlichen Hinweis gebeten. Auf eine weitere richterliche Verfügung hin übersandte die Generalstaatsanwaltschaft den Ausdruck des E-Mailverkehrs mit der polnischen Verbindungsbeamtin, aus dem sich die zuvor mitgeteilten Informationen ergaben. Die Generalstaatsanwaltschaft informierte das Oberlandesgericht zudem, dass dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge keine weiteren Unterlagen vorlägen.
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9. Mit angegriffenem Beschluss vom 4. April 2017 erklärte das Oberlandesgericht Dresden unter Anordnung der Fortdauer der Auslieferungshaft die Auslieferung für zulässig. Die Tat sei auslieferungsfähig nach Art. 2 Abs. 1 und 3 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (EuAlÜbk). Bedenken gegen die Auslieferung seien nicht ersichtlich. Das Oberlandesgericht sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehalten zu prüfen, ob der völkerrechtliche Mindeststandard oder die wesentlichen Grundsätze der deutschen Rechtsordnung verletzt seien. Diesbezüglich bestünden keine Bedenken. Sie folgten nicht aus dem Vortrag des Beschwerdeführers, er sei in einem vorherigen Strafverfahren gefoltert worden. Darin liege zwar ein Verstoß gegen die wesentlichen Grundsätze der deutschen Rechtsordnung und den völkerrechtlichen Mindeststandard. Die Behauptung des Beschwerdeführers, gefoltert worden zu sein, habe sich jedoch lediglich auf das frühere Strafverfahren mit dem Vorwurf der Vergewaltigung bezogen. Dies sei mit der Strafverbüßung abgeschlossen, erneute körperliche Übergriffe der Sicherheitskräfte oder Polizeigewalt, die nach der Strafverbüßung aufgetreten seien, schildere er nicht.
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Die Unzulässigkeit der Auslieferung folge auch nicht aus asylrechtlichen Gesichtspunkten. Der Beschwerdeführer könne sich gemäß Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nicht auf das Asylgrundrecht nach Art. 16a Abs. 1 GG berufen. Mit dem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 6. September 2016 sei der Antrag auf Anerkennung als politischer Flüchtling ohne materiell-rechtliche Prüfung als unzulässig abgelehnt und seine Abschiebung nach Polen angeordnet worden. Denn der Beschwerdeführer sei über Polen nach Deutschland eingereist. Allerdings sei das Oberlandesgericht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu einer eigenständigen Prüfung verpflichtet, ob dem Betroffenen im Fall seiner Auslieferung die Erschwerung seiner Lage aufgrund rassischer, religiöser, nationaler oder politischer Anschauung drohe. Entsprechend habe der Senat die Generalstaatsanwaltschaft um Aufklärung der im polnischen Asylverfahren vorgetragenen Antragsgründe des Beschwerdeführers und um Beiziehung der dort ergangenen Asylentscheidungen ersucht. Die polnischen Behörden hätten daraufhin über einen deutsch-polnischen Verbindungsbeamten mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer am 30. Juli 2015 in Polen einen Antrag auf Flüchtlingsschutz gestellt habe, der am 15. April 2016 vollumfänglich abgelehnt worden sei. Schließlich sei zu bedenken, dass die Russische Föderation Konventionsstaat des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte sei und sich damit zur Einhaltung dessen Standards verpflichtet habe. Außerdem habe die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation verbindliche Zusicherungen gegeben.
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10. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer beantragte am 18. April 2017 die erneute Zulässigkeitsentscheidung gemäß § 33 Abs. 1 IRG, weil das Oberlandesgericht seiner Pflicht zur Sachaufklärung nicht nachgekommen sei. Das Oberlandesgericht hätte nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts prüfen müssen, ob ihm in der Russischen Föderation politische Verfolgung drohe. Es hätte dafür die Akten aus dem polnischen Asylverfahren beiziehen und ins Deutsche übersetzen lassen müssen, um zu ermitteln, welche Angaben er in Polen gemacht habe. Er mache geltend, in der Russischen Föderation politische Verfolgung erlitten zu haben, und schildere dahingehende Anhaltspunkte. Dass sein Asylantrag in Polen erfolglos gewesen sei, habe das Oberlandesgericht nicht von der Pflicht entbunden, die Gefahr politischer Verfolgung eigenständig zu prüfen. Aufgrund der in Aussicht stehenden Dauer der anzustellenden Ermittlungen sei ein Aufschub der Auslieferung nach § 33 Abs. 4 IRG anzuordnen.
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11. Das Oberlandesgericht lehnte den Antrag gemäß § 33 Abs. 1 IRG mit angegriffenem Beschluss vom 11. Mai 2017 ab. Eine erneute Zulässigkeitsentscheidung sei nicht veranlasst.
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Ungeachtet der Rechtsfrage, ob das nach Ansicht des Beschwerdeführers fehlerhafte Unterlassen der Aktenbeiziehung aus der Republik Polen als möglicher Verfahrensverstoß überhaupt einen neuen Umstand im Sinne des § 33 Abs. 1 IRG darstellen könne, sei der Vortrag jedenfalls ungeeignet, eine andere Zulässigkeitsentscheidung zu begründen. Der Senat habe seiner Verpflichtung zur eigenständigen Prüfung, ob dem Beschwerdeführer im Zielstaat politische Verfolgung drohe, genügt. Er habe die Generalstaatsanwaltschaft um Aufklärung der im polnischen Verfahren vorgetragenen Antragsgründe des Beschwerdeführers und um Beiziehung der Asylentscheidungen ersucht und daraufhin die Auskunft eines polnischen Verbindungsbeamten erhalten, dass der Antrag von den polnischen Behörden vollumfänglich, also nach materieller Prüfung, zurückgewiesen worden sei. Gründe für die Annahme, dass die polnischen Behörden den begehrten Flüchtlingsschutz des Beschwerdeführers aus sachfremden Erwägungen versagt hätten, seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Daher müssten die Angaben der polnischen Dienststelle nicht in Zweifel gezogen werden. Auch sei es nicht nötig, auf die Beiziehung der ausländischen Sachakten - was gegenüber ausländischen Stellen ohnehin nicht durchsetzbar sei - zu bestehen. Die amtliche Mitteilung, dass die im polnischen Verfahren vorgetragenen Gründe des Beschwerdeführers sein Begehren auf Flüchtlingsschutz nicht zu tragen imstande seien, belege zugleich hinreichend, dass sich der Verfolgte nicht auf das Asylrecht nach Art. 16a Abs. 1 GG berufen könne.
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12. Nach telefonischer Auskunft des Bundesamts für Justiz vom 21. Juni 2017 steht die Bewilligung der Auslieferung noch aus, da zusätzliche Zusicherungen von der Russischen Föderation eingefordert würden. Insbesondere bestehe Einigkeit mit der Russischen Generalstaatsanwaltschaft, dass diese zusichern werde, den Beschwerdeführer im Falle der Auslieferung außerhalb des tschetschenischen Territoriums anzuklagen.
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II.
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Mit seiner am 19. Juni 2017 eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet der Beschwerdeführer sich gegen die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Dresden und rügt eine Verletzung in seinem Grundrecht aus Art. 16a Abs. 1 GG sowie - der Sache nach - eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG.
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Er trägt vor, dass das Oberlandesgericht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die ihm möglichen Ermittlungen zur Aufklärung der behaupteten Gefahr politischer Verfolgung hätte veranlassen müssen (unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 9. April 2015 - 2 BvR 221/15 -, juris). In Kenntnis dieser Rechtsprechung habe es die Generalstaatsanwaltschaft Dresden um Aufklärung der Umstände der Asylantragstellung in der Republik Polen, der von dem Verfolgten dort gemachten Angaben und um Beiziehung der in Polen getroffenen Asylentscheidungen ersucht. Hierbei habe es jedoch seine Möglichkeiten nicht hinreichend ausgeschöpft. Zwar sei seitens der Generalstaatsanwaltschaft eine Anfrage veranlasst worden, diese sei jedoch nur an eine Verbindungsbeamtin gegangen, nicht hingegen an die aktenführende Stelle in der Republik Polen. Allein auf Grundlage der Mitteilung, dass sein Antrag auf Flüchtlingsschutz von der Republik Polen vollständig abgelehnt worden sei, habe eine Zulässigkeitsentscheidung nicht getroffen werden dürfen. Vielmehr hätte das Oberlandesgericht veranlassen müssen, dass die aktenführende Stelle in Polen um Übersendung der Akten des polnischen Asylverfahrens gebeten werde. Selbst wenn dies verweigert worden wäre, hätte das Oberlandesgericht die Pflicht gehabt, den Sachverhalt selbst zu ermitteln, etwa durch die persönliche Anhörung des Beschwerdeführers.
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III.
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Zur Verfahrenssicherung wird die Übergabe des Beschwerdeführers an die Behörden der Russischen Föderation gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde einstweilen untersagt.
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1. Das Bundesverfassungsgericht kann einen Zustand durch einstweilige Anordnung gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG gegeben sind, ist wegen der weittragenden Folgen einer einstweiligen Anordnung regelmäßig ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfGE 55, 1 3>; 82, 310 312>; 94, 166 216 f.>; 104, 23 27>; 106, 51 58>).
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Bei der Entscheidung über die einstweilige Anordnung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die in der Hauptsache begehrte Feststellung oder der in der Hauptsache gestellte Antrag erwiesen sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 89, 38 44>; 103, 41 42>; 118, 111 122>; stRspr). Erweist sich der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen, so hat das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich lediglich im Rahmen einer Folgenabwägung die Nachteile abzuwägen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 105, 365 371>; 106, 351 355>; 108, 238 246>; 125, 385 393>; 126, 158 168>; 129, 284 298>; 132, 195 232 f. Rn. 87>; stRspr).
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2. Nach diesen Maßstäben ist eine einstweilige Anordnung zu erlassen.
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a) Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung steht nicht entgegen, dass die Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre.
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aa) Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde scheitert nicht daran, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich nur eine Verletzung von Art. 16a Abs. 1 GG durch die angegriffenen Entscheidungen rügt. Zwar kann sich der Beschwerdeführer nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG auf den Schutz vor politischer Verfolgung gemäß Art. 16a Abs. 1 GG nicht berufen, weil er aus einem sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Sein Vortrag enthält jedoch eine hinreichend substantiierte (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) Darlegung einer Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Die aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen setzen voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen werden muss. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 99, 84 87>; 130, 1 21>; stRspr). Diese Anforderungen hat der Beschwerdeführer erfüllt, indem er rügt, dass das Oberlandesgericht nicht allein auf das mitgeteilte Ergebnis des polnischen Asylverfahrens hätte abstellen dürfen. Er trägt vor, dass das Gericht jedenfalls hätte versuchen müssen, die Akten aus diesem Verfahren beizuziehen, oder ihn zumindest zu der geltend gemachten politischen Verfolgung im Zielstaat hätte anhören müssen. Indem es dies unterlassen habe, sei es seiner Aufklärungspflicht und seiner Pflicht zur eigenständigen Prüfung der Gefahr politischer Verfolgung im Zielstaat nicht nachgekommen.
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bb) Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht offensichtlich unbegründet. Sie wirft die Frage auf, welche Vorgaben sich aus dem Grundgesetz für die Aufklärungspflicht des Oberlandesgerichts im Zulässigkeitsverfahren bei einer behaupteten politischen Verfolgung im Zielstaat entnehmen lassen, wenn der Beschwerdeführer über einen sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Dabei bedarf der näheren Überprüfung, ob Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG es gebietet, dass in derartigen Fällen stets Verfahrensunterlagen beziehungsweise Entscheidungen aus dem gemäß der Dublin-III-Verordnung für das Asylverfahren primär zuständigen Staat beigezogen und in welchem Umfang anderweitige Erkenntnismöglichkeiten herangezogen werden müssen, um den Sachverhalt aufzuklären.
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b) Schließlich geht die nach § 32 Abs. 1 BVerfGG erforderliche Folgenabwägung zugunsten des Beschwerdeführers aus. Die Auslieferung ist mit dem angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 4. April 2017 für zulässig erklärt worden. Das Bewilligungsverfahren wird derzeit durch das Bundesamt für Justiz betrieben. Sobald die Bewilligung erfolgt, könnte die Auslieferung des Beschwerdeführers - auch in kurzer Frist - durchgeführt werden. Die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erlassen würde, sich später aber herausstellte, dass die Auslieferung des Beschwerdeführers rechtswidrig war, wiegen erheblich schwerer als die Folgen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, sich später aber herausstellte, dass die Auslieferung ohne Rechtsverstoß hätte durchgeführt werden können. Denn im erstgenannten Fall wäre dem Beschwerdeführer eine Geltendmachung seiner Einwände gegen die Auslieferung nicht mehr möglich. Demgegenüber könnte der Beschwerdeführer, sollte sich die geplante Auslieferung als rechtmäßig erweisen, ohne weiteres zu einem späteren Zeitpunkt an die Russische Föderation übergeben werden. Sein Aufenthalt in Deutschland würde sich lediglich bis zu einem solchen späteren Termin verlängern.
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