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BVerfG 15.10.2015 - 2 BvR 624/12
BVerfG 15.10.2015 - 2 BvR 624/12 - Erledigung eines Verfassungsbeschwerdeverfahrens bei Tod der Beschwerdeführerin und fehlender grundsätzlicher Bedeutung - Rechtsnachfolge im Verfassungsbeschwerdeverfahren nur in Ausnahmefällen
Normen
Art 3 Abs 1 GG, Art 3 Abs 2 S 1 GG, § 90 BVerfGG, §§ 449ff StPO, § 449 StPO
Vorinstanz
vorgehend OLG Hamm, 26. Januar 2012, Az: III-5 Ws 14/12, Beschluss
vorgehend LG Essen, 9. Dezember 2011, Az: 21 KLs -307 Js 341/08-35/09, Beschluss
Gründe
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I.
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Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung des Antrags einer 74-jährigen Frau auf Strafaufschub wegen Suizidgefahr.
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Das Gesundheitsamt Essen hatte im Rahmen einer amtsärztlichen Untersuchung der zu einer Freiheitsstrafe verurteilten Beschwerdeführerin neben diversen körperlichen Beschwerden eine psychische Erkrankung festgestellt und deshalb die Vollstreckung in einem Justizvollzugskrankenhaus empfohlen. Bei einer Vollstreckung in einer normalen Vollzugsanstalt könne eine Lebensgefahr für die Beschwerdeführerin drohen. Da in Nordrhein-Westfalen ein psychiatrisches Vollzugskrankenhaus ausschließlich für männliche Delinquenten existierte, wurde die Beschwerdeführerin durch die Staatsanwaltschaft schließlich in eine Justizvollzugsanstalt eingewiesen, deren medizinischer Dienst zuvor bekundet hatte, es bestünden aus gesundheitlicher Sicht keine Bedenken gegen die Aufnahme. Eine psychologische Behandlung sei ebenso gewährleistet wie eine etwaig erforderliche Verlegung in eine Psychiatrie zwecks Durchführung einer stationären psychiatrischen Behandlung. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Strafaufschub, den die Beschwerdeführerin mit ihrer Vollzugsuntauglichkeit und einem Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot begründet hatte, wurde vom Landgericht Essen wie auch vom Oberlandesgericht Hamm durch die angegriffenen Entscheidungen zurückgewiesen.
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II.
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Die Beschwerdeführerin ist mittlerweile an den Folgen einer Krebserkrankung verstorben.
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Darüber, welche Folgen der Tod des Beschwerdeführers auf ein anhängiges Verfassungsbeschwerdeverfahren hat, ist gesetzlich nichts bestimmt. Die Frage lässt sich nur für den einzelnen Fall unter Berücksichtigung der Art des angegriffenen Hoheitsaktes und des Standes des Verfassungsbeschwerdeverfahrens entscheiden (vgl. BVerfGE 6, 389 442 f.>; 12, 311 315>; 109, 279 304>; 124, 300 318>; BVerfGK 9, 62 69>).
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1. Eine Rechtsnachfolge im Verfassungsbeschwerdeverfahren kommt grundsätzlich nicht in Betracht, weil diese Verfahrensart regelmäßig der Durchsetzung höchstpersönlicher Rechte dient. Ausnahmen sind im Hinblick auf solche Rügen zugelassen worden, die der Rechtsnachfolger im eigenen Interesse geltend machen kann (vgl. BVerfGE 109, 279 304>; BVerfGK 9, 62 70>, jeweils m.w.N.). Ein solches zur Fortführung der Verfassungsbeschwerde berechtigendes Interesse liegt bei dem Sohn der verstorbenen Beschwerdeführerin nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde verfolgt allein die Durchsetzung höchstpersönlicher Rechte der Verstorbenen.
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2. Die Fortführung des Verfassungsbeschwerdeverfahrens kann ferner ausnahmsweise zulässig sein, wenn die Sache allgemeine beziehungsweise grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung hat, da die Verfassungsbeschwerde auch dazu dient, das objektive Verfassungsrecht zu wahren, auszulegen und fortzubilden (BVerfGE 124, 300 318>). Eine solche grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung ist hier jedoch nicht ersichtlich.
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Verfassungsrechtlich zu entscheiden war vorliegend, ob durch die Einweisung der Beschwerdeführerin in die Justizvollzugsanstalt im Vergleich zur Einweisung in ein Justizvollzugskrankenhaus gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen worden ist. Diese Frage hängt vom Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin, den damit verbundenen Risiken und dem Umfang der medizinischen Betreuung in der Justizvollzugsanstalt im Vergleich zu einer Betreuung in einem Justizvollzugskrankenhaus ab. Lediglich wenn die medizinische Betreuung der Beschwerdeführerin in der Justizvollzugsanstalt nicht in gleichem Umfang wie in einem Justizvollzugskrankenhaus gewährleistet gewesen wäre, wäre eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes in Betracht gekommen.
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Dies ist nach den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalles zu beurteilen. Hierzu führt das Landgericht aus, in der Justizvollzugsanstalt habe die Möglichkeit engmaschiger Betreuung und Überwachung der Beschwerdeführerin bestanden. Eine psychiatrische Behandlung der Beschwerdeführerin sei gewährleistet und eine Erhöhung der Lebensgefahr für die Beschwerdeführerin durch den Vollzug nicht zu besorgen gewesen. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde wäre diese Einschätzung zu überprüfen gewesen. Eine Sachentscheidung der Kammer wäre aber lediglich auf den Einzelfall der Klägerin bezogen und würde nicht über diesen hinaus Klarheit für eine Vielzahl von Fällen schaffen. Dass das Verbot einer Diskriminierung wegen des Geschlechts auch im Strafvollzug gilt, ist evident und bedarf keiner grundsätzlichen Klärung. Zu klären war lediglich, ob durch die Einweisung der Klägerin in eine Justizvollzugsanstalt gegen dieses Verbot verstoßen wurde.
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Unter diesen Umständen ist lediglich auszusprechen, dass sich das Verfahren durch den Tod der Beschwerdeführerin erledigt hat.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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