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BVerfG 02.12.2010 - 1 BvR 2414/10
BVerfG 02.12.2010 - 1 BvR 2414/10 - Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 6 Abs 1 S 2 GG durch Übertragung des Sorgerechts auf Verfahrenspfleger zwecks Fremdunterbringung eines Kindes, ohne dass das Kindeswohl gefährdet und die Maßnahme verhältnismäßig wäre - Beschwerdebefugnis auch des nicht sorgeberechtigten, jedoch von der Fremdunterbringung betroffenen Vaters - Gegenstandswertfestsetzung auf 4000 Euro <eA-Verfahren> bzw 8000 Euro <Verfassungsbeschwerdeverfahren>
Normen
Art 6 Abs 2 S 1 GG, Art 6 Abs 3 GG, § 1626 Abs 2 S 1 BGB, § 1631 Abs 1 BGB, § 1666a Abs 1 S 1 BGB, § 1666 Abs 3 Nr 6 BGB, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG
Vorinstanz
vorgehend OLG Hamm, 13. August 2010, Az: II-7 WF 211/10, Beschluss
vorgehend AG Soest, 19. Juli 2010, Az: 16 F 151/08, Beschluss
vorgehend BVerfG, 30. September 2010, Az: 1 BvR 2414/10, Einstweilige Anordnung
Tenor
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1. Die Beschlüsse des Amtsgerichts Soest vom 19. Juli 2010 - 16 F 151/08 - und des Oberlandesgerichts Hamm vom 13. August 2010 - II-7 WF 211/10 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
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Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen.
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2. ...
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3. Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 4.000 € (in Worten: viertausend Euro) festgesetzt.
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4. Die Anträge der Kindesmutter auf Auslagenerstattung und Gewährung von Prozesskostenhilfe werden abgelehnt.
Gründe
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I.
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Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für seine Tochter von der bislang allein sorgeberechtigten Mutter auf einen Vormund, durch die die Herausnahme des Kindes aus seinem Haushalt ermöglicht werden soll.
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1. a) Der Beschwerdeführer ist Vater einer im Januar 1998 nichtehelich geborenen Tochter. Das Sorgerecht stand der Kindesmutter allein zu. Im Frühjahr 2008 zog die Kindesmutter aus der gemeinsamen Wohnung mit dem Beschwerdeführer aus. Das Kind verblieb im Haushalt des Beschwerdeführers. Im Juni 2008 beantragte die Kindesmutter die Herausgabe des Kindes. Der Beschwerdeführer begehrte seinerseits eine Verweilensanordnung für das Kind und im weiteren Verfahrensverlauf die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn.
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Mitte Januar 2010 hörte der Familienrichter das zwölfjährige Kind persönlich an. Es erklärte, weiter bei dem Beschwerdeführer wohnen zu wollen. Ende Juni 2010 fand ein weiterer Termin mit der gerichtlich bestellten Sachverständigen statt. Diese hatte zuvor Gespräche mit der Kindesmutter und dem Kind geführt, während der Beschwerdeführer eine Mitwirkung verweigerte. Die Sachverständige führte aus, dass das Kind sich letztlich selbst erziehe. Der Beschwerdeführer halte sich aus der Erziehung heraus und die Kindesmutter sei nicht in der Lage, ein Modell für elterliche Stärke zu sein. Bei vorläufiger Würdigung lasse sich feststellen, dass die Kindesmutter derzeit nicht fähig sei, die elterliche Sorge alleinverantwortlich auszuüben. Beim Beschwerdeführer seien aufgrund des Verfahrens und seines Verhaltens im Termin Anhaltspunkte für eine eventuelle narzisstische Persönlichkeitsstörung vorhanden. Diese würden die Erziehungsfähigkeit des Beschwerdeführers deutlich in Frage stellen. Eine abschließende Stellungnahme sei aber im Augenblick nicht möglich; insoweit sei ein ergänzendes, gegebenenfalls fachpsychiatrisches Gutachten einzuholen. Zusammenfassend könne sie als Sachverständige ein Fortschreiben des status quo nicht befürworten.
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Im Anschluss erörterte das Gericht mit den Beteiligten, dass eine sofortige Unterbringung des Kindes im Anschluss an den Termin nicht veranlasst sei. Zunächst solle eine Absprache sowohl mit der Einrichtung als auch dem Jugendamt erfolgen. Mit dem Beschwerdeführer vereinbarte das Gericht, dass er die Tochter, "wie gewohnt, zuverlässig zu Hause weiterhin versorgen werde".
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b) Mit angegriffenem Beschluss vom 19. Juli 2010 entzog das Amtsgericht der Kindesmutter sodann im Wege einer einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsame Tochter und übertrug es auf einen Pfleger. Zur Verhinderung weiterer Kindeswohlgefährdung sei es notwendig, das Kind zumindest vorübergehend aus dem elterlichen Umfeld herauszunehmen.
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Der bisherige Gang des Verfahrens zeige bereits, dass eine Absprachefähigkeit zwischen den Eltern nur begrenzt bestehe. Der Beschwerdeführer sei nicht bereit, mit den ihm Hilfe anbietenden Einrichtungen, namentlich dem Jugendamt, zusammenzuarbeiten.
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Der Beschwerdeführer habe zwar Recht, wenn er darauf hinweise, dass es dem Kind an nichts mangle, es ausreichend zu Essen und zu Trinken bei ihm bekomme und auch Obdach. Im Übrigen würde er alles tun, was das Kind von ihm verlange. Die Sachverständige habe ihrerseits Recht, wenn sie darauf hinweise, dass es für das Kind eine Gefährdung seiner Entwicklung bedeute, wenn es sich in diesem nunmehr kritischen Alter praktisch selbst erziehen müsse. Irgendeine Form einer Erziehung durch den Beschwerdeführer sei derzeit nicht erkennbar und nicht absehbar. Die Sachverständige habe insoweit den Verdacht geäußert, bei dem Beschwerdeführer könnte eine Persönlichkeitsstörung vorliegen, die seine Erziehungsfähigkeit einschränken, wenn nicht sogar aufheben könne. Bei der Kindesmutter liege zwar das Sorgerecht. Sie habe es aber in den zwei Jahren des Verfahrens nicht vermocht, dieses für sich positiv umzusetzen. Auch habe sie sich nicht dazu entschließen können, eine vorübergehende Unterbringung des Kindes in einer Jugendhilfeeinrichtung vorzunehmen.
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Die Sachverständige habe in ihrem vorläufigen mündlichen Gutachten darauf hingewiesen, dass sie keine andere Möglichkeit mehr sehe, als das Kind einem neutralen Umfeld zuzuführen. Dies solle jedenfalls für die Zeit der Ferien gelten. Die Sachverständige habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies keine vollständige Ablösung vom Elternhaus bedeuten solle. Sie sehe jedoch die dringende Notwendigkeit, das Kind für eine vorübergehende Zeit aus dem Umfeld mit dem Beschwerdeführer herauszunehmen, um die notwendige Diagnostik durchführen zu können. Dieser Einschätzung schließe sich das Gericht angesichts des Ablaufs des Verfahrens, des von den Eltern und dem Kind gewonnenen Eindrucks sowie der besonderen Sachkunde der Sachverständigen an. Mildere Maßnahmen seien derzeit angesichts der Verfahrenssituation nicht mehr möglich.
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c) Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beschwerdeführers wies das Oberlandesgericht mit angegriffenem Beschluss vom 13. August 2010 zurück.
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Bei der Prüfung im summarischen Verfahren seien die Nachteile und Vorteile, die dem Kind erwachsen könnten, gegeneinander abzuwägen, was hier zu einer Bestätigung der einstweiligen Anordnung führe. Es gebe durchaus aus dem Verfahrensgang folgende Hinweise, dass die Erziehungseignung des Beschwerdeführers deutlich eingeschränkt sei mit der Folge einer Gefährdung des Kindeswohls. Dem stehe nicht entgegen, dass die äußere Versorgung nicht zu beanstanden sei. Ebenso möge es sein, dass ein liebevolles Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Tochter bestehe. Dies stehe einer hier ernsthaft zu besorgenden Kindeswohlgefährdung durch fehlende Erziehung, die sich nicht in dem Aufstellen von Strukturen erschöpfe, nicht entgegen. Angesichts dieser Kindeswohlgefährdung seien mildere Mittel als die Fremdunterbringung und damit die Herausnahme aus dem väterlichen Haushalt nicht ersichtlich.
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2. Mit Beschluss vom 30. September 2010 ordnete das Bundesverfassungsgericht auf Antrag des Beschwerdeführers im Wege der einstweiligen Anordnung das Verbleiben der Tochter bei dem Beschwerdeführer bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 30. März 2011, an.
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3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 GG durch die angegriffenen Entscheidungen. Es sei dem Kindeswohl abträglich, seine Tochter nur aufgrund einer von der Sachverständigen geäußerten Vermutung ohne fundierte Exploration aus seinem Haushalt herauszunehmen. Die Vermutung, das Kind erziehe sich letztlich selbst, habe die Sachverständige nicht nachvollziehbar erklärt. Er selbst habe zu keinem Zeitpunkt erklärt, er tue alles, was das Kind verlange. Hinweise auf eine Persönlichkeitsstörung lägen bei ihm nicht vor. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten hätte zunächst eine Familienhilfe in Betracht gezogen werden müssen.
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4. Die Akte des Ausgangsverfahrens lag der Kammer vor.
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5. Die Verfassungsbeschwerde wurde der Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen, der Kindesmutter und dem Pfleger des Kindes zugestellt. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat keine Stellungnahme abgegeben. Die Kindesmutter hat sich den Gründen der angegriffenen Entscheidungen angeschlossen. Sie beantragt außerdem, die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen im Verfassungsbeschwerdeverfahren anzuordnen, beziehungsweise Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
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II.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt.
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1. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Elternrechts des Beschwerdeführers geboten (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich zulässig und begründet ist (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
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a) Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
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aa) Insbesondere ist die Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers zu bejahen. Zwar haben die Fachgerichte mit den angegriffenen Entscheidungen nicht dem Beschwerdeführer, sondern der allein sorgeberechtigten Kindesmutter vorläufig das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen. Der (Teil-)Sorgerechtsentzug erfolgte jedoch ausweislich der Entscheidungsgründe mit dem Ziel, eine Fremdunterbringung des Kindes und damit seine Trennung von dem Beschwerdeführer zu ermöglichen. Insofern sind die angegriffenen Entscheidungen geeignet, den Beschwerdeführer selbst in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zu verletzen.
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bb) Der Verfassungsbeschwerde steht auch nicht der Subsidiaritätsgrundsatz entgegen, weil die angegriffenen Entscheidungen im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangen sind und eine Entscheidung in der Hauptsache noch aussteht.
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Der Grundsatz der Subsidiarität fordert über das Gebot der Rechtswegerschöpfung hinaus, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Verfügung stehenden weiteren Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder diese gar zu verhindern. Daher ist die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten, wenn dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit besteht, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (BVerfGE 104, 65 70 f.>; stRspr). Das ist dem Beschwerdeführer vorliegend nicht möglich. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Fremdunterbringung seines Kindes, die gerade durch die angegriffenen Eilentscheidungen ermöglicht werden soll. Er rügt damit eine Verfassungsverletzung durch die Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz selbst. Wäre sein Vorwurf einer Grundrechtsverletzung zutreffend, so könnte diese wegen der noch vor Beendigung des Hauptsacheverfahrens beabsichtigten Herausnahme des Kindes aus seinem Haushalt durch die Hauptsacheentscheidung nicht mehr vollständig ausgeräumt werden.
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b) Der Beschwerdeführer wird durch die angegriffenen Entscheidungen in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.
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aa) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei dieses "natürliche Recht" den Eltern nicht vom Staate verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (BVerfGE 60, 79 88>). In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (BVerfGE 60, 79 88> m.w.N.). Der Schutz des Elternrechts, das Vater und Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 180>; 107, 150 173>).
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Soweit es um die Trennung des Kindes von seinen Eltern als dem stärksten Eingriff in das Elternrecht geht, ist dieser allein unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 GG zulässig. Danach dürfen Kinder gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen (vgl. BVerfGE 72, 122 137 f.>). Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramtes, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 144 f.>; 60, 79 91>). Das elterliche Fehlverhalten muss vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (BVerfGE 60, 79 91>).
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Wenn Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen und damit zugleich die Aufrechterhaltung der Trennung der Kinder von ihnen gesichert wird, darf dies zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. BVerfGE 60, 79 89>). Dieser gebietet es, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist. Der Staat muss daher nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. BVerfGE 24, 119 145>; 60, 79 93>). In diesem Zusammenhang hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Gesetzgeber mit § 1666 Abs. 1 in Verbindung mit § 1666a BGB eine Regelung geschaffen, die es dem Familiengericht ermöglicht, bei Maßnahmen zum Schutze des Kindes auch dem grundgesetzlich verbürgten Elternrecht hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 60, 79 88 f.>; 72, 122 138>).
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Auch das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung dem Gebot effektiven Grundrechtsschutzes entsprechen (vgl. BVerfGE 63, 131 143>). Das gilt insbesondere für vorläufige Maßnahmen, die bereits mit einem erheblichen Eingriff in ein Grundrecht verbunden sind und Tatsachen schaffen, welche später nicht oder nur schwer rückgängig zu machen sind. Schon die Frage, ob eine solche Maßnahme nicht bis zur Aufklärung des Sachverhalts aufgeschoben werden kann, ist am Maßstab des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beantworten. Je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahme Unabänderliches bewirkt, umso weniger darf der Rechtsschutzanspruch des Einzelnen zurückstehen (vgl. BVerfGE 67, 43 58 f.>). Ist ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung wegen der Eilbedürftigkeit nicht möglich, müssen zumindest die im Eilverfahren zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden (vgl. BVerfGE 67, 43 60>; 69, 315 363 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. Januar 2008 - 1 BvR 2911/07 -, juris Rn. 25).
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bb) Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht. Die Fachgerichte haben vielmehr bei der Entscheidung über die vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts von der Kindesmutter auf einen Pfleger zwecks Herausnahme des Kindes aus dem Haushalt des Beschwerdeführers das Elternrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG in seiner Bedeutung und Tragweite verkannt.
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(1) Ungeachtet des Umstands, dass in den Gründen der angegriffenen Entscheidungen weder die Rechtsgrundlage der Maßnahme benannt noch sonst hinreichend erkennbar wird, dass die Fachgerichte ihrer Prüfung die von Verfassungs wegen hohen Anforderungen der §§ 1666 f. BGB an einen Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zugrunde gelegt haben, ist den Beschlüssen auch inhaltlich die für eine Trennung des Kindes von seinen Eltern erforderliche schwerwiegende Gefährdung des Kindeswohls nicht zu entnehmen.
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Das Amtsgericht stellt zunächst fest, dass eine materielle Vernachlässigung des Kindes nicht vorliege. Dies bestätigt das Oberlandesgericht, das darüber hinaus ein liebevolles Verhältnis des Beschwerdeführers zu seiner Tochter unterstellt. Eine Gefährdung des Kindeswohls soll sich vielmehr daraus ergeben, dass der Beschwerdeführer das Kind nicht, jedenfalls nicht - so das Oberlandesgericht - über das Aufstellen von Strukturen hinaus, erziehe. Was das konkret bedeutet und welche nachteiligen Folgen sich hieraus für das Kind ergeben, geht aus den angegriffenen Beschlüssen nicht hervor. Die Formulierungen des Amtsgerichts, das Kind müsse sich praktisch selbst erziehen und irgendeine Form der Erziehung durch den Beschwerdeführer sei nicht erkennbar, sind insoweit ohne Substanz. Denn es bleibt völlig unklar, auf welche Tatsachen sich diese Einschätzung stützt. Auch ist nicht ersichtlich, dass tatsächlich Hinweise auf eine nachteilige Entwicklung des Kindes gegeben wären.
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Der amtsgerichtliche Beschluss enthält zudem widersprüchliche Angaben zum Zweck der angeordneten Maßnahme, die durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht aufgelöst werden. Das Amtsgericht nimmt zunächst an, es liege eine Kindeswohlgefährdung vor, die es erforderlich mache, das Kind einem neutralen Umfeld zuzuführen. An späterer Stelle formuliert es sodann, dass die Herausnahme des Kindes vorübergehend erfolgen solle, damit die Sachverständige "die notwendige Diagnostik durchführen" könne. Letzteres weckt Zweifel daran, dass für die zuvor angenommene Kindeswohlgefährdung bereits eine hinreichende Tatsachengrundlage vorhanden war. Für eine Begutachtung des Kindes außerhalb des Einflussbereiches des Beschwerdeführers hätte es - ungeachtet der ebenfalls nicht dargelegten Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme - keines dauerhaften Entzugs des Aufenthaltsbestimmungsrechts bedurft.
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Die Annahme der Fachgerichte, das Kindeswohl sei wegen mangelnder Erziehung des Beschwerdeführers gefährdet, ist auch im Übrigen nicht nachvollziehbar belegt. Soweit das Amtsgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, der Beschwerdeführer habe angegeben, dass er alles tue, was das Kind von ihm verlange, hat dieser im Beschwerdeverfahren eine solche Aussage in Abrede gestellt. Sie ist auch in der Akte nicht dokumentiert. Den Ausführungen der Sachverständigen im Termin, auf die das Amtsgericht außerdem verweist, ist nicht zu entnehmen, worauf sich die Einschätzung fehlender Erziehungsarbeit des Beschwerdeführers und hierdurch bedingter Kindeswohlgefährdung stützt. Der nicht näher begründete bloße Verdacht auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers vermag die Annahme einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung nicht zu rechtfertigen, zumal sich die ausdrücklich nicht abschließenden Ausführungen der Gutachterin insoweit nur auf den Akteninhalt und ihren Eindruck vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung und damit in einer Ausnahmesituation gründeten. Es fehlt zudem an jeglichen Feststellungen dazu, wie sich die etwaige Persönlichkeitsstörung des Beschwerdeführers auf die Entwicklung der Tochter auswirken könnte.
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(2) Die angegriffenen Entscheidungen entsprechen auch nicht den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit. Denn sie lassen nicht ansatzweise erkennen, weshalb die Herausnahme des Kindes aus dem Haushalt des Beschwerdeführers derart dringlich war, dass ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht möglich erschien. Für das Oberlandesgericht bestand Anlass zu einer Auseinandersetzung mit dieser Frage auch deshalb in besonderem Maße, weil das Jugendamt in seiner Stellungnahme im Beschwerdeverfahren vom 10. August 2010 erklärt hat, dass derzeit akute Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung nicht bestehen.
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Bedenken ergeben sich zudem hinsichtlich der Prüfung milderer Maßnahmen etwa in Gestalt einer Erziehungshilfe. Aus den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung lässt sich nicht ableiten, worauf das Gericht seine Überzeugung stützt, der Beschwerdeführer sei zu einer Zusammenarbeit mit dem Jugendamt nicht bereit. Soweit ersichtlich, hat der Beschwerdeführer entsprechende Maßnahmen nicht prinzipiell abgelehnt. Auch dass er sich weigert, an der Begutachtung durch die Sachverständige mitzuwirken, bietet keinen hinreichenden Anhaltspunkt für die Annahme, der Beschwerdeführer werde die Unterstützung des Jugendamts nicht annehmen. Die Bemerkung des Oberlandesgerichts, angesichts der Kindeswohlgefährdung durch fehlende Erziehung seien mildere Maßnahmen als die Herausnahme aus dem Haushalt des Beschwerdeführers nicht ersichtlich, lässt eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Möglichkeit ambulanter Hilfemaßnahmen nicht erkennen.
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c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den möglichen Verstößen gegen das Elternrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fachgerichte bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls von einem Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Kindesmutter mit dem Ziel der Herausnahme des Kindes aus dem Haushalt des Beschwerdeführers abgesehen hätten.
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2. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 366 ff.>).
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3. Der Antrag der anhörungsberechtigten Kindesmutter auf Erstattung ihrer im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen Auslagen war abzulehnen. Erstattungsberechtigt gemäß § 34a Abs. 2 und 3 BVerfGG ist im Verfassungsbeschwerdeverfahren regelmäßig nur der Beschwerdeführer; die einem Anhörungsberechtigten entstehenden Kosten sind hingegen grundsätzlich nicht erstattungsfähig (vgl. BVerfGE 55, 132 133 f.>; 99, 46 48>; Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 34a Rn. 31 und 56). Auch die Voraussetzungen für eine Bewilligung der seitens der Kindesmutter darüber hinaus beantragten Prozesskostenhilfe liegen nicht vor, da die mit dem Gesuch vorgelegte anwaltliche Stellungnahme der Antragsgegnerin keinen relevanten Beitrag zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Verfassungsbeschwerde geleistet hat (vgl. BVerfGE 92, 122 125>).
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