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BFH 22.11.2023 - VI R 5/21
BFH 22.11.2023 - VI R 5/21 - Keine ermäßigte Besteuerung eines nur teilweise kapitalisierten Ruhegehalts
Normen
§ 34 Abs 1 EStG 2009, § 34 Abs 2 Nr 4 EStG 2009, § 118 Abs 2 FGO, § 19 EStG 2009
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 16. Juni 2020, Az: 6 K 1449/18, Urteil
Leitsatz
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NV: Ein einheitlicher Anspruch auf ein Ruhegehalt, das teilweise als monatliche Versorgungsleistung und teilweise als Kapitalleistung ausgezahlt wird, unterliegt mangels Zusammenballung nicht der ermäßigten Besteuerung nach § 34 des Einkommensteuergesetzes.
Tenor
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Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 16.06.2020 - 6 K 1449/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2011) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden.
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Bevor der Kläger im Jahr … Vorsteher eines Verbands (S), einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, wurde, war er unter anderem kommunaler Wahlbeamter und dementsprechend versorgungsrechtlich dem Beamtenversorgungsgesetz zugeordnet.
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In dem mit S geschlossenen Dienstvertrag vom … war für den Kläger im Versorgungsfall ein Ruhegehalt vorgesehen. Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus Zusatzversicherungen und aus Anwartschaften nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung waren nach dem Vertrag auf die Versorgungsbezüge anzurechnen.
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Am … wurde der Dienstvertrag des Klägers um ein Wahlrecht bei Eintritt des Versorgungsfalls ergänzt. Danach konnte er die vereinbarten laufenden Leistungen in Anspruch nehmen oder diese nur teilweise zuzüglich einer wertgleichen Kapitalleistung verlangen.
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Der Kläger wählte bei Eintritt in den Ruhestand die zweite Alternative. Dementsprechend erhielt er im Streitjahr eine Kapitalleistung in Höhe von … € ausgezahlt und bezog daneben monatlich (entsprechend gekürzte) Versorgungsbezüge.
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Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr unterwarf der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --FA--) die Kapitalleistung entgegen dem Antrag der Kläger nicht der ermäßigten Besteuerung nach § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
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Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie beantragen sinngemäß,
die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung vom 12.04.2018 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 17.09.2013 dahingehend zu ändern, dass die Kapitalleistung in Höhe von … € gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 4 EStG ermäßigt besteuert wird.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Die im Streitjahr ausgezahlte Kapitalleistung ist nicht nach § 34 EStG ermäßigt zu besteuern.
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1. Als ermäßigt zu besteuernde außerordentliche Einkünfte kommen insbesondere Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht (§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG). Eine mehrjährige Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn sich die Tätigkeit mindestens über zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.
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Das Finanzgericht (FG) ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der ausgezahlten Kapitalleistung um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit handelt. Da hierüber zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, sieht der Senat insoweit von einer weiteren Begründung ab.
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2. Die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG setzt ferner voraus, dass die Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit aus wirtschaftlich vernünftigen Gründen in zusammengeballter Form erfolgt.
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a) Außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 09.10.2008 - IX R 85/07, BFH/NV 2009, 558 und vom 14.04.2015 - IX R 29/14, Rz 13; Senatsurteil vom 15.12.2022 - VI R 19/21, Rz 14). Das Erfordernis der Zusammenballung von Einkünften wird in ständiger Rechtsprechung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal aus dem Umstand abgeleitet, dass sowohl der Wortlaut des § 34 Abs. 1 EStG als auch der des § 34 Abs. 2 EStG ausdrücklich nur "außerordentliche" Einkünfte begünstigen (Senatsurteil vom 15.12.2022 - VI R 19/21, Rz 15, m.w.N.).
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b) Danach liegen typischerweise keine außerordentlichen Einkünfte vor, wenn eine auf einem Rechtsgrund beruhende Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in zwei oder mehr Veranlagungszeiträumen gezahlt wird (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 28.06.2006 - XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835; vom 02.08.2016 - VIII R 37/14, BFHE 254, 573, BStBl II 2017, 258, Rz 13 und vom 23.04.2021 - IX R 3/20, BFHE 273, 169, BStBl II 2021, 692, Rz 19).
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c) Beruhen Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit hingegen auf unterschiedlichen Rechtsgründen, ist für jede Vergütung gesondert zu prüfen, ob insoweit infolge einer Zusammenballung außerordentliche Einkünfte vorliegen. Die Feststellung, ob geleistete Zahlungen auf einem Rechtsgrund oder auf unterschiedlichen Rechtsgründen beruhen, ist vom FG auf der Grundlage der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigung und Auslegung der den Zahlungen zu Grunde liegenden Verträge, zu treffen (s. BFH-Urteil vom 23.04.2021 - IX R 3/20, BFHE 273, 169, BStBl II 2021, 692, Rz 33 ff.).
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3. Nach diesen Maßstäben fehlt es vorliegend an dem für die Außerordentlichkeit der Einkünfte des Klägers erforderlichen Bezug in einem Veranlagungszeitraum. Zwar ist dem Kläger mit der Kapitalleistung im Streitjahr ein Einmalbetrag für eine mehrjährige Tätigkeit zugeflossen. Gleichwohl liegt im Streitfall keine zusammengeballte Vergütung vor. Denn die Einmalzahlung ist nicht gesondert zu beurteilen. Vielmehr sind für die Beurteilung der Zusammenballung der Einkünfte daneben auch die --um die Kapitalleistung gekürzten, lebenslang zugesagten-- laufenden Versorgungsleistungen zu berücksichtigen. Denn die als Einmalzahlung erbrachte Kapitalleistung und die monatlich laufend zu zahlenden (und gezahlten) Versorgungsleistungen beruhen auf einem Rechtsgrund.
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a) Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wurden im Dienstvertrag vom … in Verbindung mit der Ergänzung zum Dienstvertrag vom … die Ansprüche des Klägers gegen S im Versorgungsfall einheitlich geregelt. Dem Kläger wurde ein Ruhegehalt zugesagt, welches --abhängig vom Wahlrecht des Klägers-- lediglich unterschiedlichen Auszahlungsmodalitäten unterlag. Die Kapitalleistung trat danach gleichberechtigt neben die laufenden (entsprechend gekürzten) Versorgungsleistungen, die der Kläger von S im Versorgungsfall erhielt. Sie ist folglich keine von den laufenden Versorgungsleistungen abgrenzbare Sondervergütung, durch die ein eigenständiger Versorgungsanspruch abgegolten werden sollte. Die als Einmalzahlung erbrachte Kapitalleistung und die laufenden Versorgungsleistungen sind danach eine einheitliche Vergütung (Arbeitslohn i.S. von § 19 Abs. 2 EStG), die dem Kläger wegen des laufenden, lebenslang zugesagten Ruhegehaltsanteils (insgesamt) in mehr als zwei Veranlagungszeiträumen und damit nicht zusammengeballt zugeflossen ist.
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b) Der insoweit von den Klägern erhobene Einwand, der gegenüber S bestehende Versorgungsanspruch umfasse auch Ansprüche auf Altersversorgung aus früheren Tätigkeiten für andere Dienstherren, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn im Streitfall wurden die Kapitalleistung und die laufenden Versorgungsleistungen ausschließlich von S auf der Grundlage der mit dem Kläger getroffenen Versorgungsvereinbarungen erbracht. Wie sich diese Versorgungsleistungen berechnen, sie sich gegebenenfalls (fiktiv) auf die verschiedenen Berufstätigkeiten des Klägers aufteilen lassen und inwieweit S Ersatz für seine Versorgungsleistungen von früheren Dienstherren des Klägers verlangen kann, ist für die Frage, ob die Auszahlungen auf einem Rechtsgrund beruhen, deshalb ohne Bedeutung.
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4. Soweit in der Rechtsprechung von dem Erfordernis einer Auszahlung der Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in einem einzigen Veranlagungszeitraum eng begrenzte Ausnahmen zugelassen wurden (s. hierzu Senatsurteil vom 15.12.2022 - VI R 19/21, Rz 17 ff., m.w.N.), liegen deren Voraussetzungen bei den im Streitfall zu beurteilenden Versorgungsleistungen ersichtlich nicht vor.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
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