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BFH 06.09.2023 - VIII B 63/22
BFH 06.09.2023 - VIII B 63/22 - Zur Akteneinsicht eines in seiner Sehkraft eingeschränkten Prozessbevollmächtigten und Beteiligten
Normen
§ 191a Abs 1 GVG, § 191a Abs 2 GVG, § 1 ZMV, § 2 ZMV, § 3 ZMV, § 6 ZMV, § 78 Abs 1 S 1 FGO, § 78 Abs 1 S 2 FGO, § 78 Abs 2 S 5 FGO, § 78 Abs 3 S 2 FGO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 25. April 2022, Az: 7 K 2890/21, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Ein Prozessbevollmächtigter und Beteiligter ist sehbehindert im Sinne des § 191a Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes, wenn er das in herkömmlicher Weise geschriebene Wort auch bei Benutzung gängiger Hilfsmittel (Brille, Kontaktlinsen, Lupe) nicht mehr zuverlässig wahrnehmen kann.
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2. NV: § 78 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung gewährt einem in seiner Sehkraft eingeschränkten Prozessbevollmächtigen und Beteiligten keinen Anspruch darauf, zur Prozessführung eine umfassende Kopie der Akten des Finanzamts in Papierform zu erhalten, wenn die Kostentragung für das Fertigen der Kopien durch die Gerichtsgeschäftsstelle abgelehnt wird.
Tenor
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Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 25.04.2022 - 7 K 2890/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) führt im eigenen Namen und als Prozessbevollmächtigter seiner Ehefrau, der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), beim Finanzgericht (FG) ein Klageverfahren wegen Einkommensteuer für das Streitjahr 2013.
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Der Kläger verfügt ausweislich vorgelegter ärztlicher Atteste vom 23.09.2019 und vom 14.09.2021 auf dem linken Auge über einen Visus cc von unter 0,1. Am rechten Auge ist ein Visus cc von 0,8 ärztlicherseits bescheinigt. Er ist nach seinem eigenen Vortrag 74 Jahre alt.
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Am 23.03.2022 beantragte der Kläger als Prozessbevollmächtigter und als Kläger in eigener Sache, ihm zum Zwecke seiner Akteneinsicht neben der elektronisch geführten Gerichtsakte auch die vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) in Papierform geführten und dem FG vorgelegten Behördenakten per besonderem elektronischen Anwaltspostfach zum Abruf bereitzustellen oder auf kostenfrei erstellten Datenträgern oder Papierkopien der gesamten Akten des FA zur Verfügung zu stellen. Das FA hatte an das FG einen Band Rechtsbehelfsakten Einkommensteuer 2013, zwei Bände Einkommensteuer-Akten 2013 (Bd. I und II) und zwei Bände Bilanz- beziehungsweise EÜR-Akten (Bd. I für 2005 bis 2012 und Bd. II für 2013 bis 2020) übermittelt.
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Das FG gewährte den Klägern im angefochtenen Beschluss vom 25.04.2022 Akteneinsicht in die Behördenakten bei der Geschäftsstelle des FG oder eines Gerichts oder einer Behörde nach Wahl der Kläger unter Aufsicht eines im öffentlichen Dienst stehenden Bediensteten. Die Akteneinsicht in die finanzgerichtliche elektronische Gerichtsakte gewährte das FG über das elektronische Akteneinsichtsportal. Den Antrag auf kostenfreie Herstellung von Kopien der Behördenakten in digitaler Form zum Abruf oder zur Übermittlung in Papierform lehnte es ab.
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Der anschließenden Beschwerde der Kläger vom 01.05.2022 hat das FG durch Beschluss vom 09.05.2022 nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Entscheidung vorgelegt.
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Die Kläger leiten aus der Schilderung des Tatbestands in dem vom BFH mit Beschluss vom 13.06.2020 - VIII B 149/19 entschiedenen Verfahren her, dass das (freiwillige) Einscannen einer behördlichen Akte zum Zwecke der Akteneinsicht durch ein FG ein gerichtsüblicher Vorgang sei. § 52b Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebe zudem eine zwingende elektronische Aktenführung für die Prozessakten im finanzgerichtlichen Verfahren vor. Die vorgelegten Akten des FA seien Bestandteil der Prozessakten. Das FG müsse angesichts seiner Pflicht zur elektronischen Prozessaktenführung die Behördenakten in digitaler Form zur Prozessakte nehmen. Es dürfe die Akteneinsicht durch Übermittlung der Akten in elektronischer Form gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 Alternative 2 FGO daher nicht mit dem Argument verweigern, die Behördenakten lägen nur in Papierform vor. Das FG könne sich insoweit auch nicht auf einen unverhältnismäßigen Aufwand des Einscannens stützen. Die Verweigerung der digitalen Akteneinsichtnahme durch das FG sei auch gemäß § 191a des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) rechtsfehlerhaft, da der Kläger sehbehindert sei und einen Anspruch darauf habe, dass ihm die Prozessakten per Abruf oder per elektronischer Übermittlung zur Verfügung gestellt würden. Aufgrund der medizinischen Ursache seiner Sehkraftverminderung sei ihm eine nur temporäre Inanspruchnahme der Augen gestattet, eine zeitliche Reduzierung der Lesebelastung geboten und es notwendig, Vergrößerungsmöglichkeiten der Vorlagen und Veränderungsmöglichkeiten der Kontraste und Helligkeiten nutzen zu können. Jedenfalls müsse ihm aufgrund seiner verminderten Sehkraft eine vollständige Kopie der Akten des FA bereitgestellt werden. Dies habe der BFH schon wegen anderer körperlicher Gebrechen bejaht (Hinweis auf BFH-Beschlüsse vom 29.04.1987 - VIII B 4/87, BFH/NV 1987, 796; vom 19.06.1991 - VIII B 145/90, BFH/NV 1992, 184).
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 25.04.2022 - 7 K 2890/21 aufzuheben und ihnen Akteneinsicht in die vorgelegten Akten des FA im Wege der elektronischen Übermittlung zu gewähren,
hilfsweise, ihnen die Akteneinsicht durch die Übermittlung auslagenfrei gefertigter Fotokopien der Akten des FA zu ermöglichen.
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Das FA hat keine Stellungnahme vorgelegt.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist hinsichtlich des Haupt- und Hilfsantrags unbegründet und daher zurückzuweisen.
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1. Die Entscheidung über die Art und Weise der Gewährung von Akteneinsicht ist nach § 128 Abs. 1 FGO beschwerdefähig; sie stellt keine prozessleitende Verfügung im Sinne von Abs. 2 der Vorschrift dar (BFH-Beschlüsse vom 04.07.2019 - VIII B 51/19; vom 13.06.2020 - VIII B 149/19).
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2. Der Beschluss des FG ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen. Für die Ablehnung eines Antrags, in Papierform geführte Akten der Finanzbehörde in elektronischer Form zum Abruf oder zur Übermittlung gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 FGO bereitzustellen und für die Ablehnung eines Antrags, Abschriften (Fotokopien) der gesamten vorgelegten Behördenakten gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 FGO zu erteilen, ist gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 FGO jeweils der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zuständig (BFH-Beschluss vom 07.06.2021 - VIII B 123/20, BFHE 272, 345, BStBl II 2021, 915, Rz 12). Ein Ausnahmefall gemäß § 78 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 und Satz 6 FGO mit einer ausschließlichen Zuständigkeit des Vorsitzenden oder des Berichterstatters liegt im Streitfall nicht vor. Diese Regelungen sind hier nicht einschlägig, da die begehrte Bereitstellung der Akten des FA zum Abruf oder zur Übermittlung keine elektronisch geführten Akten, sondern in Papier geführte Prozessakten betrifft (s. unter II.3.b und c sowie BFH-Beschluss vom 07.06.2021 - VIII B 123/20, BFHE 272, 345, BStBl II 2021, 915, Rz 8, 12, 13).
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3. Die Kläger haben weder gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 FGO noch gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 FGO einen Anspruch darauf, Einsicht in die Akten des FA durch den Abruf oder die Übermittlung einer elektronisch geführten Akte auf einem sicheren Übermittlungsweg zu erhalten. Ihr Hauptantrag hat danach keinen Erfolg.
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a) Das Recht auf Akteneinsicht ist verfassungsrechtlich im Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verankert (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.04.2010 - 1 BvR 3515/08, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 862, unter IV.2.a aa). Einfachgesetzlich bestimmt § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO, dass die Beteiligten die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen können (BFH-Beschluss vom 28.02.2020 - X B 100/19, Rz 26). Nach § 78 Abs. 1 Satz 2 FGO können die Beteiligten sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. Das Verfahren zur Einsichtnahme in die von dem Gericht selbst geführten Akten und die dem Gericht vorgelegten Akten regeln § 78 Abs. 2 und Abs. 3 FGO. Die "Prozessakten" im Sinne von § 78 Abs. 2 und Abs. 3 FGO umfassen nicht nur die Gerichtsakte, sondern auch die dem Gericht von der beteiligten Finanzbehörde nach § 71 Abs. 2 FGO vorgelegten Verwaltungsakten (BFH-Beschluss vom 14.07.2022 - IV B 66/21, Rz 21).
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b) Werden die Prozessakten elektronisch geführt, wird Akteneinsicht durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt (§ 78 Abs. 2 Satz 1 FGO). Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der elektronisch geführten Akten wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse darlegt (§ 78 Abs. 2 Satz 3). Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden (§ 78 Abs. 2 Satz 4). Über einen Antrag nach § 78 Abs. 2 Satz 3 FGO entscheidet der Vorsitzende oder gemäß § 78 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. § 79a Abs. 4 FGO der Berichterstatter; die Entscheidung ist unanfechtbar. Werden die Prozessakten hingegen in Papierform geführt, wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt (§ 78 Abs. 3 Satz 1 FGO).
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c) Das Begehren der Kläger lässt sich nicht auf § 78 Abs. 2 Satz 1 FGO stützen. Denn die noch in Papierform geführten Akten des FA sind im Streitfall ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu den Prozessakten im Sinne des § 78 Abs. 2 und Abs. 3 FGO keine elektronisch geführten Prozessakten. Besteht die Prozessakte zum Teil aus elektronischen, zum Teil aus Papierakten (sogenannte hybride Aktenführung), so richtet sich das Verfahren für die elektronisch geführten Aktenteile nach § 78 Abs. 2 FGO, für den aus Papier bestehenden Teil nach § 78 Abs. 3 FGO (BFH-Beschluss vom 14.07.2022 - IV B 66/21, Rz 23).
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d) Die dem FG vom FA vorgelegten Akten in Papierform müssen den Klägern auch nicht statt zur Einsichtnahme in den Diensträumen (§ 78 Abs. 3 Satz 1 FGO) als elektronische Akten zum Abruf oder durch Übermittlung gemäß § 78 Abs. 3 Satz 2 FGO bereitgestellt werden. Die ablehnende Entscheidung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und die Akteneinsicht in dieser Form auch unter Berücksichtigung des Vortrags im Beschwerdeverfahren nicht zu gewähren.
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aa) Im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gegen eine vom FG getroffene, die Akteneinsicht außerhalb von Diensträumen ablehnende Entscheidung ist der BFH nicht auf eine Überprüfung der Ermessensentscheidung des FG beschränkt. § 102 FGO gilt nur für die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen von Behörden, nicht dagegen für eine Überprüfung finanzgerichtlicher Ermessensentscheidungen durch den BFH. Der BFH als Beschwerdegericht ist selbst Tatsachengericht und somit gehalten, eigenes Ermessen auszuüben (vgl. BFH-Beschluss vom 13.06.2020 - VIII B 149/19, Rz 17). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Begründetheit der Beschwerde ist der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (z.B. BFH-Beschlüsse vom 09.03.2015 - II B 98/14, Rz 7 und vom 11.09.2013 - I B 179/12, Rz 13; vom 14.07.2022 - IV B 66/21, Rz 29).
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bb) Nach der Ermessensvorschrift des § 78 Abs. 3 Satz 2 FGO kann die Akteneinsicht zwar auch durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf gewährt werden, soweit keine wichtigen Gründe entgegenstehen. Es besteht jedoch aufgrund dieser Regelung bei hybrid geführten Prozessakten kein Anspruch gegen das FG, eine bestehende Papierakte zum Zwecke der Akteneinsicht durch digitalen Abruf oder durch elektronische Übermittlung in eine elektronische Akte zu überführen (BFH-Beschlüsse vom 04.07.2019 - VIII B 51/19, Rz 16; vom 06.09.2019 - III B 38/19, Rz 10; vom 28.11.2019 - X B 132/19, Rz 26; vom 13.06.2020 - VIII B 149/19, Rz 24; vom 14.07.2022 - IV B 66/21, Rz 31). Hieran ist festzuhalten.
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e) Ferner lässt sich ein Anspruch des Klägers, die behördlichen Akten in eine elektronische Akte zu überführen und ihm zum Abruf oder zur elektronischen Übermittlung zur Verfügung zu stellen, auch nicht auf § 78 Abs. 3 Satz 2 FGO i.V.m. § 191a Abs. 1 Satz 3 bis 5 GVG und der hierzu ergangenen Zugänglichmachungsverordnung (ZMV) vom 26.02.2007 (BGBl I, 215, geändert durch Art. 20 des Gesetzes vom 10.10.2013, BGBl I, 3786) stützen.
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aa) Gemäß § 191a Abs. 1 Satz 3 bis 5 GVG kann eine blinde oder sehbehinderte Person, der --wie im Streitfall-- grundsätzlich Akteneinsicht (hier: gemäß § 78 Abs. 1 FGO) zu gewähren ist, verlangen, dass ihr die Akteneinsicht barrierefrei gewährt wird. Der Anspruch, in dieser Form Akteneinsicht zu nehmen, steht auch einer blinden oder sehbehinderten Person zu, die von einer anderen Person mit der Wahrnehmung ihrer Rechte --zum Beispiel als Prozessbevollmächtigter-- beauftragt oder hierfür bestellt worden ist. Auslagen für die barrierefreie Zugänglichmachung nach diesen Vorschriften werden gegenüber einer berechtigten Person nicht erhoben. Prozessakten, die als Papierakten geführt werden, fallen unter § 3 Abs. 1 ZMV i.V.m. § 191a Abs. 2 GVG, der bestimmt, dass die Dokumente der berechtigten Person schriftlich, elektronisch, akustisch, mündlich, fernmündlich oder in anderer geeigneter Weise zugänglich gemacht werden können. Nach § 6 Satz 1 ZMV hat die berechtigte Person ein Wahlrecht zwischen den Formen der Zugänglichmachung nach § 3 ZMV. Die nach § 1 Abs. 3 ZMV verpflichtete Stelle (in einem gerichtlichen Verfahren das Gericht) hat die Zugänglichmachung in der gewählten Form auszuführen (§ 6 Satz 2 ZMV). Wird eine elektronische Zugänglichmachung gewählt, erfolgt diese gemäß § 3 Abs. 3 ZMV durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments unter Beachtung des Standards gemäß § 3 der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung vom 12.09.2011 (BGBl I, 1843) in der jeweils geltenden Fassung. Der Kläger hat in seiner Funktion als Prozessbevollmächtigter und Kläger in eigener Sache die Übermittlung der Akten als elektronisches Dokument gewählt.
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bb) Das FG hat im Ergebnis jedoch zutreffend entschieden, dass der Kläger keine blinde oder sehbehinderte berechtigte Person im Sinne des § 191a Abs. 1 GVG und der Zugänglichmachungsverordnung ist und somit keinen solchen Anspruch hat.
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§ 191a Abs. 1 GVG definiert selbst nicht, welche Anforderungen an eine Verminderung der Sehkraft für die Anspruchsberechtigung zu stellen sind. Auch die Gesetzesbegründung einschließlich der dort in Bezug genommenen UN-Behindertenrechtskonvention enthält keine Definition, wann eine Person blind oder sehbehindert ist (BTDrucks 17/12634, S. 40; zuvor BTDrucks 14/9266, S. 41). Dies gilt auch für die Materialien zur Zugänglichmachungsverordnung (BRDrucks 915/06, S. 7). Blind oder sehbehindert im Sinne des § 191a GVG ist nach dem Schrifttum eine Person, deren Sehvermögen ausgeschlossen oder so weit eingeschränkt ist, dass sie das in herkömmlicher Weise geschriebene Wort auch bei Benutzung gängiger Hilfsmittel (Brille, Kontaktlinsen, Lupe) nicht mehr zuverlässig wahrnehmen kann (vgl. Kissel/Mayer, § 191a GVG Rz 3; MüKoZPO/Pabst, § 191a GVG Rz 3; Simon in Löwe-Rosenberg, StPO, § 191a, Rz 3). Der Senat schließt sich dem an. Auf die gegebenenfalls noch strengeren Anforderungen an eine Sehstörung, welche das FG unter Anknüpfung an die Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft aufgestellt hat, kommt es hingegen nicht an (vgl. auch Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.10.2019 - B 9 SB 1/18 R, BSGE 129, 211, SozR 4-3250 § 152 Nr. 2, Rz 13). Der Gesetzgeber wollte in § 191a GVG jedoch insbesondere für Prozessbevollmächtigte die Verfahrensführung erleichtern. Die Anknüpfung an die nicht mehr mögliche Wahrnehmbarkeit des geschriebenen Wortes mit gängigen Hilfsmitteln ist hierfür das sachgerechte Kriterium.
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Im Streitfall ist der Kläger nicht blind oder sehbehindert im Sinne der Regelung. Er kann nach seinem eigenen Vortrag das in herkömmlicher Weise geschriebene Wort (gegebenenfalls bei Benutzung gängiger Hilfsmittel) mit dem rechten Auge wahrnehmen. Den vorgelegten Attesten ist hierzu nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Soweit der Kläger betont, er benötige Vergrößerungsmöglichkeiten und Veränderungsmöglichkeiten der Kontraste und Helligkeiten, zeigt dies, dass er zum Studium von Papierakten ein gängiges Hilfsmittel (nämlich eine Lupe) einsetzen kann. Der gestellte Antrag bestätigt dies ebenso, denn der Kläger möchte hilfsweise kostenfrei vollständige Kopien in Papierform erhalten. Er könnte diese danach offensichtlich mit gängigen Hilfsmitteln nutzen. Der Senat verkennt nicht, dass die Akteneinsicht in der klassischen Form für den Kläger beschwerlich sein mag. Er ist aber an die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen gebunden, die eine noch weitergehende Beeinträchtigung der Sehkraft verlangen.
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4. Auch der Hilfsantrag des Klägers, ihm Fotokopien der gesamten vorgelegten Akten des FA auslagenfrei zur Verfügung zu stellen, statt Akteneinsicht in Diensträumen gemäß § 78 Abs. 3 Satz 1 FGO zu nehmen, hat keinen Erfolg.
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a) Aus § 191a GVG i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 § 3 Abs. 2 und § 6 ZMV kann der Kläger keinen solchen Anspruch herleiten, da er nicht blind oder sehbehindert im Sinne der Regelungen ist.
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b) Ein Anspruch der Kläger auf eine umfassende Erteilung von Abschriften der gesamten vorgelegten Akten des FA in Form von Fotokopien gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 FGO besteht nicht.
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Der Anspruch eines Beteiligten, sich gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 FGO durch die Geschäftsstelle Abschriften erteilen zu lassen, zu denen auch Fotokopien gehören, umfasst grundsätzlich nicht das Recht, Fotokopien der gesamten Akten (das heißt der Gerichtsakte und der dem Gericht vorgelegten Akten) zu erhalten, was aus der Verwendung des Wortes "Auszüge" im Gesetzeswortlaut erkennbar ist. Eine Ausnahme hiervon kann gelten, wenn solche umfassenden Abschriften überhaupt erst eine sachgerechte Prozessführung ermöglichen. Dies ist substantiiert und nachvollziehbar darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 09.08.2021 - VIII B 70/21, Rz 8, m.w.N.; vom 12.02.2018 - X B 8/18, Rz 10). Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, wenn diese durch eine Akteneinsicht in den Diensträumen nicht erreicht werden kann, zum Beispiel bei körperlichen Gebrechen des Prozessbevollmächtigten (BFH-Urteil vom 26.07.2012 - III R 70/10, Rz 25).
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Im Streitfall begehren die Kläger Fotokopien der gesamten Behördenakten, aber nicht der gesamten Prozessakten, also nur von Aktenteilen (zur Abgrenzung von der begehrten Kopie der gesamten Prozessakten BFH-Beschlüsse vom 12.02.2018 - X B 8/18, Rz 14; vom 05.05.2017 - X B 36/17, Rz 20). Auch bei dem Verlangen, die gesamten Behördenakten als Aktenteile in Fotokopie zu erhalten, ist jedoch darzulegen, dass hierdurch eine sachgerechte Prozessführung erst ermöglicht wird (BFH-Beschluss vom 23.10.2003 - VII B 143/03, unter II. [Rz 6, 7]).
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Ob ein solcher Ausnahmefall im Hinblick auf die verminderte Sehkraft des Klägers vorliegen könnte, bedarf indes keiner Entscheidung. Der eindeutige Gesetzeswortlaut verlangt für das Fertigen von Abschriften durch die Geschäftsstelle, dass die Kläger als Beteiligte hierfür die Kosten tragen. Dies lehnen die Kläger ab. Einen Anspruch auf das kostenfreie Fertigen auch umfassender Aktenteile sieht das Gesetz aber nicht vor.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 FGO (BFH-Beschlüsse vom 09.08.2021 - VIII B 70/21; vom 12.02.2018 - X B 8/18).
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