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BFH 10.08.2023 - X B 136/22
BFH 10.08.2023 - X B 136/22 - Verletzung rechtlichen Gehörs bei rechtswidriger Fesselungsanordnung
Normen
Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 6 FGO, § 52 Abs 1 FGO, § 96 Abs 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 5 S 2 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 119 Nr 3 FGO, § 176 GVG, § 88 StVollzG, § 90 StVollzG, § 91 Abs 1 S 1 StVollzG
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 20. Oktober 2021, Az: 1 K 1133/18, Urteil
Leitsatz
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NV: Das rechtliche Gehör ist verletzt, wenn ein Beteiligter zwar grundsätzlich ordnungsgemäß geladen worden ist, die Ladung jedoch mit einer rechtswidrigen Fesselungsanordnung verbunden wurde, und das Gericht, nachdem sich der Beteiligte geweigert hat, unter diesen Bedingungen an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, in dessen Abwesenheit entscheidet.
Tenor
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Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 20.10.2021 - 1 K 1133/18 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), der seit dem Jahr 2000 eine lebenslange Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) B in X verbüßt, führt vor dem Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg als Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Mutter ein Klageverfahren wegen Einkommensteuer. Das FG hatte zunächst einen Gerichtsbescheid erlassen, woraufhin der Kläger die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragte.
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Die Einzelrichterin lud für den 08.07.2021 zur mündlichen Verhandlung. Sie ersuchte die JVA B, den Kläger in die JVA C zu überführen. Außerdem ersuchte sie die JVA C, den Kläger am Sitzungstag zur mündlichen Verhandlung im Sitzungssaal des FG vorzuführen und durch Bedienstete der JVA zu bewachen. Darüber hinaus ordnete sie die Vorführung des Klägers in Hand- und Fußfesseln an. Eine Rechtsgrundlage oder eine Begründung für die Fesselungsanordnung findet sich in dem Vorführungsersuchen, das dem Kläger in Abschrift übersandt wurde, nicht.
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Auf den Antrag des Klägers hin wurde der Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 20.10.2021 verlegt. Die Einzelrichterin erließ erneut Überführungs- und Vorführungsersuchen. Des Weiteren ordnete sie wiederum an, dass der Kläger an Händen und Füßen gefesselt vorzuführen sei. Gründe für die Fesselungsanordnung wurden auch in diesem Fall nicht genannt.
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Mit Schreiben vom 05.07.2021, eingegangen beim FG am 08.07.2021, lehnte der Kläger die Einzelrichterin wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er begründete sein Gesuch unter anderem mit der durch die Einzelrichterin angeordneten Fesselung. Hierzu sei ausschließlich der Anstaltsleiter aufgrund einer Einzelfallprüfung und Ermessensausübung befugt. Zudem sei die gleichzeitige Fesselung an Händen und an Füßen verfassungswidrig. Mit der Fesselungsanordnung habe die Einzelrichterin gegen die ständige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung verstoßen und zudem strafrechtliche Vorschriften verletzt.
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Das Ablehnungsgesuch wurde mit Beschluss des FG vom 22.09.2021 als unbegründet zurückgewiesen. Die abgelehnte Richterin wirkte an diesem Beschluss nicht mit.
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Der Kläger wiederholte sein Ablehnungsgesuch, erhob Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Einzelrichterin, beantragte erneut die Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung und kündigte an, dass er zu diesem Termin nicht erscheinen werde.
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Die mündliche Verhandlung vom 20.10.2021 fand ohne den Kläger statt. Die Einzelrichterin stellte die ordnungsgemäße Ladung der Klägerseite fest, verhandelte zur Sache und wies die Klage ab. In den Urteilsgründen führt das FG (unter anderem) aus, die Vorführung des Klägers in Hand- und Fußfesseln sei aufgrund des Fehlens ausreichender Sicherheitsvorkehrungen im FG nicht unangemessen gewesen. Der Kläger habe nichts Konkretes vorgetragen, was aktuell auf seine Ungefährlichkeit hätte schließen lassen, und er habe auch bis zuletzt nicht dargetan, warum eine Vorführung in Hand- und Fußfesseln nicht angemessen gewesen sei.
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Der beschließende Senat hat dem Kläger mit Beschluss vom 09.09.2022 - X S 33/21 (PKH) Prozesskostenhilfe (PKH) für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde bewilligt und mit weiterem Beschluss vom 05.12.2022 den Prozessbevollmächtigten beigeordnet.
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Der Kläger hat daraufhin gegen das Urteil vom 20.10.2021 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er macht im Wesentlichen geltend, die Anordnung der Vorführung in Hand- und Fußfesseln sei rechtswidrig gewesen; sie greife in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 des Grundgesetzes (GG) ein und begründe einen Verfahrensmangel. Er habe sich daher zu Recht geweigert, der Vorführungsanordnung Folge zu leisten. In Anbetracht dessen hätte das FG die Verhandlung nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aussetzen müssen, um zu klären, ob die angeordnete Doppelfesselung rechtmäßig gewesen sei. Hätte er in rechtmäßiger Weise an der mündlichen Verhandlung teilnehmen können, wäre nicht auszuschließen, dass er dort entscheidungserhebliche Beiträge geleistet hätte, so dass das Urteil des FG anders ausgefallen wäre.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
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1. Die Beschwerde ist zulässig. Für die versäumten Fristen zur Einlegung und Begründung der Beschwerde ist dem Kläger gemäß § 56 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
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Voraussetzung hierfür ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung im Fall eines vorangegangenen Antrags auf PKH, dass der Kläger noch innerhalb der Rechtsmittelfrist alles ihm Zumutbare unternommen hat, um das in seiner Mittellosigkeit liegende Hindernis für die Fristwahrung zu beheben. Insbesondere muss er innerhalb der Monatsfrist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH geschaffen haben (Senatsbeschluss vom 25.07.2012 - X S 14/12 (PKH), BFH/NV 2012, 1821, unter 3.).
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Dies ist hier der Fall. Der Kläger hat innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO einen wirksamen PKH-Antrag gestellt, die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt und zudem in laienhafter Form einen Verfahrensmangel des FG dargelegt.
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2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Kläger hat einen Verfahrensmangel geltend gemacht, der auch tatsächlich vorliegt und auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
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a) Der beschließende Senat legt den Vortrag des Klägers so aus, dass er in erster Linie eine Verletzung seines verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO) durch das FG rügt. Gegenstand dieser Rüge ist der Umstand, dass der Kläger sich geweigert hat, unter der vom FG gesetzten Bedingung --einer Fesselung an Händen und Füßen-- an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen, und dass das FG gleichwohl die mündliche Verhandlung durchgeführt und eine verfahrensabschließende Entscheidung getroffen hat.
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b) Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt vor. Das FG hat dem Kläger das rechtliche Gehör versagt, indem es seine Vorführung in Hand- und Fußfesseln angeordnet und nach Ausbleiben des Klägers den Rechtsstreit in dessen Abwesenheit entschieden hat.
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aa) Die Pflicht des Gerichts zur Gewährung rechtlichen Gehörs erfordert es, den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern und ihre für wesentlich gehaltenen Rechtsansichten vorzutragen. Daran fehlt es, wenn ein Beteiligter zu der vom FG angesetzten mündlichen Verhandlung nicht oder nicht ordnungsgemäß geladen worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 03.08.2017 - IX B 63/17, BFH/NV 2017, 1451, Rz 10 und vom 23.11.2016 - IV B 39/16, BFH/NV 2017, 333, Rz 10, jeweils m.w.N.).
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bb) Dem Fall einer fehlenden oder nicht ordnungsgemäßen Ladung ist nach Auffassung des beschließenden Senats der vorliegende Fall gleichzusetzen, dass ein Beteiligter zwar grundsätzlich ordnungsgemäß geladen worden ist, die Ladung jedoch mit einer rechtswidrigen Fesselungsanordnung verbunden worden ist, die von den sitzungspolizeilichen Befugnissen des § 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 176 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) nicht gedeckt ist.
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(1) Gemäß § 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 176 GVG obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung (sogenannte Sitzungspolizei) dem Vorsitzenden. Dieser hat für die äußere Ordnung der Sitzung während der Verhandlung und für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens zu sorgen. Vorsitzender in diesem Sinne ist auch der Einzelrichter (§§ 6, 79a Abs. 3 und 4 FGO).
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(a) Die Sitzungspolizei umfasst alle Befugnisse und Maßnahmen, die erforderlich sind, um den äußeren ungestörten Verlauf der Sitzung zu sichern (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht --OLG-- Saarbrücken, Beschluss vom 08.03.2016 - 1 Ws 28/16, unter II.1.a, m.w.N.).
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(b) Zu den Zwangsmaßnahmen, die der Vorsitzende beziehungsweise der Einzelrichter im Rahmen seiner sitzungspolizeilichen Befugnisse anordnen kann, gehört grundsätzlich auch die Fesselung eines Beteiligten.
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Allerdings handelt es sich bei einer Fesselungsanordnung um den stärksten Eingriff in die Bewegungsfreiheit eines Betroffenen und zugleich um einen Grundrechtseingriff von erheblichem Gewicht (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 03.08.2011 - 2 BvR 1739/10, unter III.1.a aa; OLG Celle, Beschluss vom 19.10.2011 - 1 Ausl 31/11, Neue Zeitschrift für Strafrecht --NStZ-- 2012, 649, 650; OLG Hamm, Beschluss vom 16.06.2011 - III-1 Vollz (Ws) 216/11, NStZ-Rechtsprechungsreport Strafrecht --NStZ-RR-- 2011, 291). Sie kommt daher nur dann in Betracht, wenn konkrete Tatsachen vorliegen, die einen Fesselungsgrund ergeben, und wenn die mit der Fesselung beabsichtigten Zwecke nicht auf weniger einschneidende Art und Weise erreicht werden können (vgl. BVerfG-Beschluss vom 03.08.2011 - 2 BvR 1739/10, unter III.1.a aa; Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.07.2014 - 1 VB 39/14, unter III.; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.06.2019 - 1 Ws (s) 213/19, Strafverteidiger Forum 2020, 203, unter II.2.). Weniger einschneidend kann beispielsweise die Zuweisung eines Platzes neben einem oder zwischen zwei Justizwachtmeistern sein (vgl. Krauß in Löwe-Rosenberg, Die Strafprozessordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz, 27. Aufl., § 176 GVG Rz 23).
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(c) Solche konkreten, eine Fesselung rechtfertigenden Tatsachen können sich im Fall eines Inhaftierten insbesondere aus Auffälligkeiten im Vollzug ergeben, wenn etwa der Betreffende gegen Personen oder Sachen gewalttätig geworden ist oder Fluchtversuche unternommen hat oder wenn Suizidabsichten erkennbar sind (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.06.2019 - 1 Ws (s) 213/19, Strafverteidiger Forum 2020, 203, unter II.2.; OLG Hamm, Beschluss vom 09.01.2014 - 5 RVs 134/13, unter II.1.a). Es muss sich aber in jedem Fall um eine im Zeitpunkt der Entscheidung nach dem möglichen Stand der Ermittlungen erkennbare, substantiierte und mit konkreten Anhaltspunkten belegbare Gefahr handeln, die aus dem Verhalten des Inhaftierten zu entnehmen ist (OLG Hamm, Beschluss vom 16.06.2011 - III-1 Vollz (Ws) 216/11, NStZ-RR 2011, 291).
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(d) Liegen derartige --konkrete-- Erkenntnisse vor, ist bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit einer Fesselungsanordnung zu berücksichtigen, dass der Vorsitzende neben einem störungsfreien äußeren Verhandlungs- beziehungsweise Sitzungsablauf vor allem auch die Sicherheit der Verfahrensbeteiligten im Sitzungssaal zu verantworten und zu gewährleisten hat. Deshalb ist dem Vorsitzenden bei der Entscheidung, ob hinreichender Anlass für eine sitzungspolizeiliche Maßnahme in Form einer Fesselung besteht, ein Ermessensspielraum einzuräumen (Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.07.2014 - 1 VB 39/14, unter III.; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24.06.2019 - 1 Ws (s) 213/19, Strafverteidiger Forum 2020, 203, unter II.2.; OLG Hamm, Beschluss vom 09.01.2014 - 5 RVs 134/13, unter II.1.a).
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(e) Diese Grundsätze gelten im Übrigen auch dann, wenn eine Fesselungsanordnung nicht auf § 176 GVG, sondern als besondere Sicherungsmaßnahme auf § 88 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 6, § 90 des Gesetzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung (StVollzG) beziehungsweise auf eine entsprechende landesrechtliche Vorschrift gestützt wird.
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Anordnungsbefugt ist in diesem Fall allerdings der Anstaltsleiter der JVA (§ 91 Abs. 1 Satz 1 StVollzG; ebenso § 91 Abs. 1 Satz 1 des Brandenburgischen Justizvollzugsgesetzes --BbgJVollzG--). Ungeachtet dessen setzt die Fesselungsanordnung auch in diesem Fall eine im Zeitpunkt der Entscheidung nach dem möglichen Stand der Ermittlungen erkennbare, substantiierte und mit konkreten Anhaltspunkten belegbare Gefahr voraus, die sich aus dem Verhalten des Gefangenen ergeben muss. Befürchtungen, Vermutungen oder gar nur ein bloßer Verdacht genügen hierzu nicht (OLG Hamm, Beschluss vom 16.06.2011 - III-1 Vollz (Ws) 216/11, NStZ-Rechtsprechungs-Report Strafrecht 2011, 291, Rz 13).
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Hinzu kommt, dass gemäß § 90 StVollzG Fesseln in der Regel nur an den Händen oder an den Füßen angelegt werden dürfen (ebenso § 90 Abs. 5 Satz 1 BbgJVollzG). Eine Doppelfesselung muss demnach unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf ganz besondere Ausnahmefälle --vor allem der Gefährdung von Leib und Leben Dritter-- beschränkt bleiben (so Thüringer OLG, Beschluss vom 20.02.2018 - 1 Ws 54/17, Rz 14, zu § 89 Abs. 5 Satz 1 des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuchs). Dies wird man auch in Bezug auf eine (Doppel-)Fesselungsanordnung berücksichtigen müssen, die auf § 176 GVG gestützt wird.
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(2) Gemessen an diesen Maßstäben verstößt die Anordnung der Einzelrichterin, den Kläger in Hand- und Fußfesseln vorzuführen, gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.
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Gründe für diese Maßnahme sind in der jeweiligen Anordnung nicht genannt worden und ergeben sich auch nicht aus den vorliegenden Akten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger in der Haft gegen Personen oder Sachen gewalttätig geworden wäre oder Fluchtversuche unternommen hätte oder dass er konkret suizidgefährdet wäre.
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Der allgemeine Hinweis auf das Fehlen ausreichender Sicherheitsvorkehrungen im FG genügt jedenfalls schon nicht in Bezug auf eine "einfache" Fesselungsanordnung und erst recht nicht zur Rechtfertigung einer Doppelfesselung. Unzutreffend ist schließlich auch die Annahme des FG, es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, konkrete Gründe vorzutragen, aus denen sich seine "Ungefährlichkeit" ergibt.
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c) Gemäß § 119 Nr. 3 FGO ist davon auszugehen, dass das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensmangel beruht. Der Kläger musste nicht darlegen, was er in der mündlichen Verhandlung noch hätte vortragen wollen und wie er mit seinem Vortrag die Entscheidung des Gerichts hätte beeinflussen können (vgl. Senatsbeschluss vom 08.06.2005 - X B 54/04, BFH/NV 2005, 1620, unter II.3.).
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3. Der Senat hält es für sachgerecht, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab. Diese Vorschrift gilt auch im Fall des § 116 Abs. 6 FGO (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10.03.2020 - VII B 206/18, BFH/NV 2020, 917, Rz 25 und vom 03.07.2019 - XI B 17/19, BFH/NV 2019, 1351, Rz 27, m.w.N.).
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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