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BFH 29.12.2020 - VII B 92/20
BFH 29.12.2020 - VII B 92/20 - Verlegungsantrag
Normen
Art 6 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 91a FGO, § 115 Abs 2 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 119 Nr 3 FGO, § 155 FGO, § 227 Abs 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Hessisches Finanzgericht, 17. Juni 2020, Az: 4 K 729/17, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Es kann ein erheblicher Grund für die Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorliegen, wenn ein Prozessbevollmächtigter einem nahen Angehörigen unmittelbar vor dessen schwerwiegender Operation beistehen möchte.
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2. NV: Möchte ein Prozessbevollmächtigter seiner Ehefrau bei einer Operation beistehen, muss das FG den besonderen Schutz der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG in seine Ermessensentscheidung über den Verlegungsantrag einbeziehen.
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3. NV: Aus § 91a FGO ergibt sich kein Zwang zur Teilnahme an einer Videokonferenz.
Tenor
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Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 17.06.2020 - 4 K 729/17 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Hessische Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) wendet sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil, mit dem ihre Klage gegen eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung abgewiesen worden ist.
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Nachdem das Klageverfahren nach Aktenlage über zwei Jahre faktisch geruht hatte, erging eine Ladung zur mündlichen Verhandlung am 17.06.2020, welche dem Prozessbevollmächtigten per Zustellungsurkunde am 12.05.2020 zugestellt worden ist. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) beantragte die Durchführung einer Videokonferenz nach § 91a der Finanzgerichtsordnung (FGO); diesem Antrag gab das Finanzgericht (FG) statt. Die Klägerin wurde hiervon in Kenntnis gesetzt.
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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte seinerseits mit Schreiben vom 08.06.2020 die Verschiebung der mündlichen Verhandlung "um rund 4 Wochen". Seine Frau müsse sich am 18.06.2020 wegen akuter Herzbeschwerden einer schweren Herzoperation --einer sogenannten Herzkathederablation-- unterziehen. Hierzu müsse sie sich am 18.06.2020 um 7:10 Uhr in der Universitätsklinik C einfinden. Ein entsprechendes Schreiben der Klinik vom 20.05.2020 war beigefügt. Er wolle seiner Ehefrau in der schweren Zeit beistehen und in den Tagen vor der Operation Dinge erledigen und Vorkehrungen treffen. Er halte es für völlig unverantwortlich, seine Frau in dieser Situation alleinzulassen. Zwar datiere das Schreiben der Klinik vom 20.05.2020, jedoch habe man eine Zweitmeinung einholen und sich mit Vertrauten besprechen wollen. Die Richtigkeit seiner Angaben versicherte der Prozessbevollmächtigte an Eides statt.
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Diesen Antrag lehnte das FG am 09.06.2020 ab. Es liege kein erheblicher Grund nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) vor, weil die ärztliche Behandlung erst am Folgetag stattfinden solle. Zwar möge es menschlich nachvollziehbar sein, dem nahen Angehörigen beistehen zu wollen. Doch könne die bislang von der Klägerin nicht beantragte Teilnahme an der mündlichen Verhandlung per Videokonferenz eine erhebliche Zeitersparnis und nur eine vergleichsweise kurze Abwesenheitszeit bedeuten. Dem widersprach der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom gleichen Tage und bezeichnete das Schreiben des FG als "in höchstem Maße verachtenswertes Schreiben". Er wolle als Christ mit seiner Frau am 17.06.2020 im C Dom an einem Gottesdienst teilnehmen. In Anbetracht der lebensbedrohlichen Situation habe man einen Erbvertrag abgeschlossen. Eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung in den Räumen des FA sei ihm nicht zuzumuten (unter Verweis auf Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 08.04.1998 - VIII R 32/95, BFHE 186, 102, BStBl II 1998, 676, Rz 54). Er habe das noch niemals getan und werde es auch nicht tun.
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Auch diesen Antrag lehnte das FG am 12.06.2020 ab. Der von dem Prozessbevollmächtigten zitierte Beschluss in BFHE 186, 102, BStBl II 1998, 676, Rz 54 sei nicht einschlägig. Die Verhandlung finde am FG, mithin an einem neutralen Ort statt. Es sei den Beteiligten jedoch grundsätzlich möglich, sich zur Zeit- und Kostenersparnis aus den Räumlichkeiten des FA oder auch der Hessischen Steuerberaterkammer per Videoübertragung zuschalten zu lassen. Hinsichtlich der beabsichtigten Teilnahme an einem Gottesdienst sei darauf hinzuweisen, dass diese Gottesdienste werktags um 7:00 Uhr und um 8:15 Uhr stattfänden und es danach möglich sei, den Verhandlungstermin um 13:30 Uhr in B zu erreichen. Im Übrigen sei es auch zumutbar, einen Gottesdienst am Vortag zu besuchen. Letztlich habe der Prozessbevollmächtigte ein derart besonderes Risiko der Operation weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, welches die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung aus ethischen Gründen gänzlich unzumutbar mache. Schließlich sei der Gerichtstermin bei der Entscheidung für den ärztlichen Eingriff bereits bekannt gewesen und hätte berücksichtigt werden können.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.06.2020 erschien für die Klägerin niemand.
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Das FG urteilte, die streitgegenständliche Pfändungs- und Einziehungsverfügung sei rechtmäßig. Sie sei formell rechtmäßig, weil die zuständige Behörde gehandelt habe. Gemäß § 26 Satz 3 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) sei ein Zuständigkeitswechsel ausgeschlossen, solange sich eine juristische Person in Liquidation befände. Spätestens mit der Stellung des Insolvenzantrags am 20.03.2013 sei konkludent ein Liquidationsbeschluss gefasst worden. Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, bliebe es bei dem Sitz der Gesellschaft nach dem Handelsregister, weil der Ort der Geschäftsleitung sich nicht eindeutig habe feststellen lassen. Zwar gehe die Pfändung einer nicht bestehenden Forderung ins Leere. Im Streitfall hätten jedoch Darlehensforderungen der Klägerin gegen ihren Gesellschafter-Geschäftsführer bestanden. Diese seien weder erloschen noch erfüllt worden. Gegenteiliges habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Obwohl der Pfändungsbetrag unter dem Nennwert der in voller Höhe gepfändeten Forderungen liege, sei keine Überpfändung gegeben. Denn der Nennwert sage noch nichts über die Einbringlichkeit aus. Auch bestünden keine Bedenken, die Säumniszuschläge zu vollstrecken. Zahlungsverjährung sei wegen der fortgesetzten Vollstreckungsmaßnahmen des FA nicht eingetreten. Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Das FA sei nach § 85 AO verpflichtet, den Steueranspruch durchzusetzen, wobei ihm hinsichtlich Art und Umfang der Vollstreckung ein Ermessensspielraum zukomme. Hierzu habe das FA Ermessenserwägungen angestellt, die nicht zu beanstanden seien.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie die Versagung des rechtlichen Gehörs durch Nichtverlegung der mündlichen Verhandlung und den Erlass einer Überraschungsentscheidung (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und das Erfordernis einer Entscheidung zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) geltend macht.
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Das FA wendet hiergegen u.a. ein, die grundsätzliche Ablehnung der Videokonferenz durch den Prozessbevollmächtigten könne nicht zu Lasten der Prozessökonomie gehen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Beschwerde ist begründet. Sie führt gemäß § 116 Abs. 6 FGO zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
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Das Urteil des FG beruht auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und damit auf einem Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, wie die Klägerin zu Recht rügt.
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1. Das FG hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletzt, indem es die mündliche Verhandlung durchgeführt und eine verfahrensabschließende Entscheidung getroffen hat, obwohl die Klägerin einen erheblichen Grund für eine Verlegung vorgebracht hat.
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a) Einem Verfahrensbeteiligten wird das rechtliche Gehör versagt, wenn das Gericht mündlich verhandelt und in der Sache entscheidet, obwohl der Beteiligte einen Antrag auf Terminverlegung gestellt und dafür erhebliche Gründe geltend gemacht hat (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO).
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Welche Gründe als erheblich anzusehen sind, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles. Der Prozessstoff und die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass das FG im steuergerichtlichen Verfahren die einzige Tatsacheninstanz ist und die Beteiligten ein Recht darauf haben, ihre Sache in einer mündlichen Verhandlung vorzutragen (vgl. BFH-Urteil vom 08.07.2015 - X R 41/13, BFHE 250, 397, BStBl II 2016, 525, Rz 28, m.w.N.).
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"Erhebliche Gründe" für die Aufhebung oder Verlegung eines Termins i.S. des § 227 Abs. 1 ZPO können sich auch aus der persönlichen Lebenssphäre des Prozessbevollmächtigten ergeben (BFH-Beschluss vom 15.12.1994 - X B 159/94, BFH/NV 1995, 533). Zum Beispiel können Todesfälle, plötzliche schwere Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit innerhalb des Familienkreises einen erheblichen Grund i.S. des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO darstellen (Wendl in Gosch, FGO § 91 Rz 127). Die Betreuung von Kindern und eines kranken Ehegatten ist im Allgemeinen kein erheblicher Grund i.S. des § 227 Abs.1 Satz 1 ZPO. Denn es ist der Partei grundsätzlich zuzumuten, die Betreuung der ihrer Pflege anvertrauten Personen für den Fall einer vorhersehbaren, kurzzeitigen Abwesenheit einem Verwandten oder Bekannten zu übertragen (BFH-Beschluss vom 12.06.1985 - VIII S 26/83, BFH/NV 1986, 178, unter 1.).
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Zwar ist grundsätzlich eine strenge Handhabung angeraten, um Prozessverschleppung zu vermeiden (Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 17. Aufl., § 227 Rz 4). Eine Terminsänderung ist jedoch gerechtfertigt, wenn trotz aller nach der Prozesslage gebotenen und zumutbaren Anstrengungen die ordnungsgemäße Wahrnehmung eines Termins seitens eines Beteiligten nicht möglich ist.
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b) Unter Anwendung dieser Grundsätze hätte das FG im konkreten Streitfall den Termin verlegen müssen.
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Insbesondere angesichts der Tatsache, dass die Sache über zwei Jahre durch das FG in keiner Weise gefördert worden war, fehlt es der Ablehnung des erstmaligen Verlegungsantrags (um lediglich vier Wochen) an der angemessenen Großzügigkeit. Das FG hat in keiner Weise berücksichtigt, dass der Prozessbevollmächtigte --wie nachvollziehbar vorgetragen-- seiner Ehefrau am Vortag der Herzoperation beistehen wollte. Insoweit ging es ihm nachvollziehbar nicht um die Betreuung der Ehefrau an sich, sondern um eine Betreuung gerade durch ihn als Ehemann. Den besonderen Schutz der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG hat das FG in seine Ermessensentscheidung nicht mit einbezogen.
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Dem Prozessbevollmächtigten vorzuschlagen, gemeinsam mit seiner Ehefrau den Gottesdienst im C Dom am Verhandlungstag um 7:00 Uhr bzw. 8:15 Uhr zu besuchen und anschließend die Fahrt von A nach B auf sich zu nehmen (ca. 240 km einfache Fahrt), wird den Interessen der Beteiligten nicht gerecht, weil dies nichts an der Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten geändert hätte. Es ging ihm nicht nur um den Besuch des Gottesdienstes, sondern um den Beistand, den er seiner Frau an diesem Tag leisten wollte.
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Im Übrigen hätte das FG auch berücksichtigen müssen, dass die Konzentrationsfähigkeit des Prozessbevollmächtigten wegen der Sorge um seine Ehefrau mit hoher Wahrscheinlichkeit eingeschränkt gewesen wäre und ihm deshalb der Termin nicht zuzumuten war (vgl. Beschluss des Bundessozialgerichts vom 27.11.2018 - B 2 U 17/18 B, juris, Rz 14). Dem Einwand des FG, der Gerichtstermin hätte bei der Entscheidung für den Eingriff berücksichtigt werden müssen, kann aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls nicht gefolgt werden.
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c) Soweit das FG den Prozessbevollmächtigten auf die Möglichkeit einer Videokonferenz nach § 91a FGO hingewiesen hat, steht dieser Hinweis der Annahme eines Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs nicht entgegen.
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aa) Nach § 91a Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht den Beteiligten, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Seine heutige Fassung erhielt die Vorschrift durch das Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltlichen Verfahren vom 25.04.2013 (BGBl I 2013, 935). Das Erfordernis der körperlichen Präsenz bei einer mündlichen Verhandlung und damit der Unmittelbarkeitsgrundsatz wird durch Zulassung einer Bild- und Tonübertragung gelockert, indem die Zuschaltung einer Partei und/oder ihres Prozessbevollmächtigten per Video in die im Sitzungszimmer stattfindende Verhandlung gestattet wird (BFH-Beschluss vom 18.07.2016 - VI B 128/15, BFH/NV 2016, 1752). Diese Vorschrift dient der Prozessökonomie und Verfahrensbeschleunigung (BTDrucks 17/12418, S. 1; MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl., § 128a Rz 1; Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, Zivilprozessordnung, 79. Aufl., § 128a Rz 3; Schmieszek in Gosch, FGO § 91a Rz 3, m.w.N.; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 91a FGO Rz 5).
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bb) Der Verweis des FG auf die Möglichkeit einer Videokonferenz käme einem Zwang zur Teilnahme an einer solchen gleich, welchen das Gesetz gerade nicht vorsieht (BTDrucks 17/12418, S. 14; MüKoZPO/Fritsche, a.a.O., § 128a Rz 5). Vor diesem Hintergrund ist auch dem Einwand des FA, die grundsätzliche Ablehnung der Videokonferenz durch den Prozessbevollmächtigten könne nicht zu Lasten der Prozessökonomie gehen, entgegenzutreten.
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Im Übrigen war dem Prozessbevollmächtigten nach den Umständen des Streitfalls auch die Teilnahme an einer Videokonferenz --wie vom FG vorgeschlagen-- in den Räumen der Hessischen Steuerberaterkammer in D, die eine Abwesenheit von mindestens drei Stunden mit sich gebracht hätte (einfache Fahrtstrecke ca. 60 km), nicht zumutbar.
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cc) Ob es zulässig ist, den Beteiligten als "anderen Ort" i.S. des § 91a FGO lediglich verschiedene FA und die Steuerberaterkammer Hessen anzubieten, oder ob jeder beliebige Ort außerhalb des Sitzungssaales in Frage kommt (so Musielak/Voit/Stadler, a.a.O., § 128a Rz 2; anderer Ansicht Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 128a Rz 4), kann der Senat deshalb dahingestellt lassen.
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2. Da das Urteil der Vorinstanz bereits aufgrund des Verfahrensfehlers keinen Bestand haben kann, bedarf es keines Eingehens auf das weitere Vorbringen der Klägerin.
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3. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab. Diese Vorschrift gilt auch im Falle des § 116 Abs. 6 FGO (vgl. BFH-Beschluss vom 03.07.2019 - XI B 17/19, BFH/NV 2019, 1351, Rz 27, m.w.N.).
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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