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BFH 04.08.2016 - VI R 47/13
BFH 04.08.2016 - VI R 47/13 - Treuhändervergütung im Verbraucherinsolvenzverfahren weder Werbungskosten noch außergewöhnliche Belastung
Normen
§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 33 Abs 1 EStG 2002, § 1 InsO, § 33 Abs 2 S 1 EStG 2002, EStG VZ 2006
Vorinstanz
vorgehend FG Köln, 23. Mai 2013, Az: 6 K 2216/08, Urteil
Leitsatz
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1. Die Vergütung des Insolvenztreuhänders ist dem Privatbereich des Steuerpflichtigen zuzuordnen und kann deshalb nicht als Werbungskosten abgezogen werden .
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2. Hat der Steuerpflichtige die entscheidende Ursache für seine Zahlungsschwierigkeiten selbst gesetzt, so kann die Insolvenztreuhändervergütung auch nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden .
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 23. Mai 2013 6 K 2216/08 aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wird, erzielte im Streitjahr (2006) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Renten sowie aus Vermietung und Verpachtung. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beruhten auf der Vermietung von insgesamt drei Eigentumswohnungen. Die Wohnung in A hatte der Kläger im Jahr 2000 erworben. Die Wohnungen in B hatte er gemeinsam mit seiner Ehefrau im Jahr 1997 erworben. Alle drei Wohnungen waren fremdfinanziert. Die Mieteinnahmen waren nicht ausreichend, um die laufenden Kosten einschließlich der Annuitäten für die aufgenommenen Darlehen zu decken. Dies war zumindest mitursächlich für die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers, die dazu führten, dass für die Wohnung in A am 10. Dezember 2004 die Zwangsversteigerung und am 27. Januar 2005 die Zwangsverwaltung angeordnet wurde. Für die Wohnungen in B wurde die Zwangsverwaltung am 28. Februar 2005 und die Zwangsversteigerung am 3. März 2005 angeordnet. Darüber hinaus wurde auf Antrag des Klägers am 24. März 2005 über sein Vermögen das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet.
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Die Eigentumswohnung in A wurde am 25. Januar 2006, die Wohnungen in B wurden am 12. Juni 2006 außerhalb des Insolvenzverfahrens versteigert.
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Der Insolvenztreuhänder erzielte Einnahmen in Höhe von ca. 140.000 €, wobei ca. 133.200 € aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers resultierten. Es handelte sich hierbei um pfändbare Anteile des Arbeitseinkommens und eine Vorruhestands-Abfindung. Diesen Einnahmen standen nach dem endgültigen Schlussverzeichnis Insolvenzforderungen in Höhe von ca. 575.000 € gegenüber, die aus den Versteigerungserlösen nicht gedeckt werden konnten. Darin enthalten waren Forderungen der die Eigentumswohnungen finanzierenden Banken in Höhe von ca. 384.000 €. Nach Vollzug der Schlussverteilung wurde das Insolvenzverfahren am 25. April 2007 aufgehoben. Der Insolvenztreuhänder erhielt für seine Tätigkeit im Insolvenzverfahren aus der Masse eine nach der Höhe der erzielten Einnahmen berechnete Vergütung in Höhe von 28.272,83 €.
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Dem Kläger wurde nach Ablauf der sog. Wohlverhaltensphase durch Beschluss vom 29. Juli 2011 Restschuldbefreiung erteilt. Für seine Tätigkeit in diesem Verfahren erhielt der Treuhänder eine weitere Vergütung in Höhe von 3.514,21 €.
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Die Einkommensteuererklärung des Klägers für das Streitjahr enthielt keine Anlage V und führte zu einer erklärungsgemäßen Veranlagung. Mit dem Einspruch begehrte der Kläger, die an den Treuhänder gezahlte Vergütung entweder als Werbungskosten oder als außergewöhnliche Belastung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch als unbegründet zurück.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und berücksichtigte die an den Insolvenztreuhänder gezahlte Vergütung als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Das FA beantragt,
das Urteil des FG Köln vom 23. Mai 2013 6 K 2216/08 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Vergütung des Insolvenztreuhänders ist weder bei den Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung noch als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG zu berücksichtigen.
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1. Das FG hat die Insolvenztreuhändervergütung zu Recht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.
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Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Zwischen den Aufwendungen und den steuerpflichtigen Einnahmen muss ein Veranlassungszusammenhang bestehen. Eine derartige Veranlassung liegt vor, wenn (objektiv) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der auf Vermietung und Verpachtung gerichteten Tätigkeit besteht und (subjektiv) die Aufwendungen zur Förderung der Nutzungsüberlassung getätigt werden. Maßgeblich ist, ob bei wertender Beurteilung das auslösende Moment für das Entstehen der Aufwendungen der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen ist (z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Oktober 2015 IX R 35/14, BFHE 252, 34, BStBl II 2016, 210; vom 8. April 2014 IX R 45/13, BFHE 244, 442, BStBl II 2015, 635; vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672).
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2. Nach diesen Grundsätzen ist die Vergütung des Insolvenztreuhänders insgesamt dem Privatbereich des Klägers zuzuordnen und kann deshalb nicht --auch nicht anteilig-- als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgezogen werden.
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Zwar war im Streitfall die Finanzierung der Eigentumswohnungen mitursächlich für die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers und damit für die spätere Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens mit den entsprechenden Kostenfolgen, u.a. der Insolvenztreuhändervergütung. Objektiv bestand danach ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und den streitigen Aufwendungen. Jedoch hat der Kläger die Aufwendungen nicht zur Förderung der Nutzungsüberlassung getätigt. Die Durchführung eines Insolvenzverfahrens dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt wird (§ 1 der Insolvenzordnung --InsO--). Ferner erhält der redliche Schuldner die Chance, sich von seinen Schulden zu befreien (§ 1 i.V.m. §§ 287 Abs. 1, 305 InsO). Das Verbraucherinsolvenzverfahren betrifft damit die wirtschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen als Person und mithin die private Lebensführung, indem es eine geordnete Befriedigung der Gläubiger für den Fall ermöglicht, dass das Einkommen und Vermögen nicht zu deren vollständiger Befriedigung ausreicht. Bei der erforderlichen wertenden Beurteilung kommt diesem privaten Umstand --die Schuldentilgung ist dem Vermögensbereich des Steuerpflichtigen zuzurechnen (vgl. BFH-Urteil vom 7. August 1990 IX R 139/86, BFH/NV 1991, 94)-- das entscheidende Gewicht zu. Er ist das "auslösende Moment" für das Entstehen der getätigten Aufwendungen, welche damit insgesamt der Privatsphäre und nicht der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre zuzuordnen sind. Die Aufwendungen hierfür sind daher auch dann nicht bei der Einkünfteermittlung abziehbar, wenn --wie im Streitfall zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung-- Bezüge zu einzelnen Einkunftsarten vorliegen (im Ergebnis gl.A. Rößler, Finanz-Rundschau 1999, 1357; a.A. Müller, Deutsches Steuer-Zeitung 1999, 645).
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3. Die Aufwendungen waren auch nicht als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG zu berücksichtigen.
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Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastungen). Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit sie den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn die vorstehend aufgezählten Gründe von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag (vgl. BFH-Urteile vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774, und vom 23. Mai 2001 III R 33/99, BFH/NV 2001, 1391).
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Hat der Steuerpflichtige durch sein Verhalten die entscheidende Ursache für die geltend gemachten Aufwendungen selbst gesetzt, kann er sich nicht darauf berufen, er habe sich in einer Zwangslage befunden (vgl. BFH-Urteile vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2001, 1391; Senatsurteil vom 19. November 2015 VI R 38/14, BFH/NV 2016, 902). Denn es kommt darauf an, ob das der Zahlungsverpflichtung als wesentliche Ursache zugrunde liegende Ereignis als solches für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1391). Daher steht es der Abziehbarkeit von außergewöhnlichen Belastungen entgegen, wenn den Steuerpflichtigen ein Verschulden an der Entstehung der Aufwendungen trifft (Senatsurteile in BFH/NV 2016, 902; vom 29. März 2012 VI R 70/10, BFHE 237, 90, BStBl II 2012, 572; BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 1391). Denn er hat dann durch sein Verhalten die entscheidende Ursache für die geltend gemachten Aufwendungen selbst gesetzt und kann sich daher nicht darauf berufen, er habe sich in einer Zwangslage befunden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2001, 1391; Senatsurteil in BFH/NV 2016, 902).
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4. Das FG ist unter Zugrundelegung der --mittlerweile aufgegebenen (vgl. Senatsurteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800)-- Grundsätze des Senatsurteils vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) zur Abziehbarkeit von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen zu dem Ergebnis gelangt, die Insolvenztreuhändervergütung sei als außergewöhnliche Belastung i.S. des § 33 EStG anzuerkennen. Für die Entscheidung des Streitfalls kann offenbleiben, ob Kosten eines Insolvenzverfahrens den Aufwendungen für einen Zivilprozess gleichzustellen sind. Denn die im Streitfall geltend gemachte Vergütung des Insolvenztreuhänders ist bereits nach den angeführten --auch für Zivilprozesskosten geltenden-- allgemeinen Grundsätzen nicht nach § 33 EStG steuermindernd zu berücksichtigen.
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Im Streitfall hat der Kläger die Ursache für die streitigen Aufwendungen selbst gesetzt. Ihn trifft aufgrund der gewählten Gestaltung beim Erwerb der Eigentumswohnungen ein Verschulden am Eintreten der Überschuldung und mithin der Notwendigkeit eines Insolvenzverfahrens mit entsprechenden Kostenfolgen. Denn nach den Feststellungen des FG war für die Zahlungsschwierigkeiten des Klägers zumindest mitursächlich, dass alle drei vermieteten Wohnungen fremdfinanziert waren und die Mieteinnahmen nicht ausreichten, um die laufenden Kosten einschließlich der Annuitäten für die aufgenommenen Darlehen zu decken. Damit hatte sich der Kläger auf eine Vertragsgestaltung eingelassen, die konkret in der Weise risikobehaftet war, dass die Investitionen sich bereits auf der Grundlage der wirtschaftlichen Lage bei Abschluss der Verträge nicht trugen. Mit den Zahlungsschwierigkeiten hat sich demnach ein Risiko verwirklicht, das schon in der konkreten Gestaltung bei Vertragsabschluss angelegt und nicht etwa auf später eingetretene unvorhersehbare Umstände zurückzuführen war. Es beruhte vielmehr wesentlich auf der vom Kläger eingegangenen Gestaltung. Hat sich der Steuerpflichtige aber auf eine vertragliche und wirtschaftliche Gestaltung eingelassen, die konkret mit Unsicherheiten behaftet ist, deren Risiken sich später realisieren, so hat er die wesentliche Ursache für die hierdurch entstandenen Aufwendungen selbst gesetzt. Sie sind daher nicht zwangsläufig i.S. des § 33 EStG.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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