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BFH 15.06.2016 - VI R 25/14
BFH 15.06.2016 - VI R 25/14 - Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung
Normen
§ 33 Abs 1 EStG 2009, § 33 Abs 2 EStG 2009
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 20. März 2014, Az: 5 K 1147/12 E, Urteil
Leitsatz
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NV: Mit einem Scheidungsfolgeprozess im Zusammenhang stehende Anwaltskosten, die durch eine zunächst im gemeinsamen Eigentum stehende Immobilie entstanden sind, sind nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 20. März 2014 5 K 1147/12 E aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist der Abzug von Aufwendungen für einen Zivilprozess als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
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Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde für das Streitjahr (2010) mit seiner Ehefrau zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
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Die Ehe des Klägers mit Frau B wurde durch das Urteil des Amtsgerichts ... vom ... 2000 rechtskräftig geschieden. Der Kläger und B waren gemeinsame Eigentümer eines Zweifamilienhauses.
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Das Amtsgericht ... verurteilte B, an den Kläger bestimmte Kosten der Immobilie, die nach Auszug der gemeinsamen Kinder entstanden waren, zu zahlen. Gegen dieses Urteil legte B Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) ... ein. In der mündlichen Verhandlung am ... 2010 schlossen der Kläger und B einen Vergleich insbesondere hinsichtlich der Nutzungsentschädigung, der Darlehensverbindlichkeiten und der Übernahme des Miteigentumsanteils des Klägers durch B.
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Die Anwaltsgebühren für das o.g. Verfahren in Höhe von 6.251,56 € bezahlte der Kläger im Streitjahr.
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In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte er die Anwaltsgebühren zunächst nicht geltend. Gegen den Einkommensteuerbescheid vom 25. November 2011 legte er fristgemäß Einspruch ein und begehrte u.a. die Anerkennung der Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen. Mit Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2011 berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) antragsgemäß Unterhaltsleistungen des Klägers an B, nicht jedoch die geltend gemachten Anwaltskosten. Anschließend wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 16. März 2012 als unbegründet zurück. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) im Hinblick auf das Senatsurteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015) statt.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt,
das Urteil des FG Münster vom 20. März 2014 5 K 1147/12 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht die vom Kläger aufgewandten Anwaltskosten als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt.
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418, und vom 26. Juni 2014 VI R 51/13, BFHE 246, 326, BStBl II 2015, 9).
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a) Bei den Kosten eines Zivilprozesses sprach nach der langjährigen Rechtsprechung des BFH eine Vermutung gegen die Zwangsläufigkeit (Senatsurteil vom 22. August 1958 VI 148/57 U, BFHE 67, 379, BStBl III 1958, 419; BFH-Urteile vom 18. Juli 1986 III R 178/80, BFHE 147, 171, BStBl II 1986, 745; vom 9. Mai 1996 III R 224/94, BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596; vom 4. Dezember 2001 III R 31/00, BFHE 198, 94, BStBl II 2002, 382; vom 18. März 2004 III R 24/03, BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und vom 27. August 2008 III R 50/06, BFH/NV 2009, 553). Solche Kosten wurden nur als zwangsläufig erachtet, wenn auch das die Zahlungsverpflichtung oder den Zahlungsanspruch adäquat verursachende Ereignis zwangsläufig war (BFH-Urteil in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596). Daran fehlte es nach der Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen bei einem Zivilprozess (BFH-Urteile in BFHE 206, 16, BStBl II 2004, 726, und in BFH/NV 2009, 553). Als zwangsläufige Aufwendungen erkannte die Rechtsprechung Zivilprozesskosten nur an, wenn der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührte. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, könne er trotz unsicherer Erfolgsaussichten gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen (BFH-Urteile in BFHE 181, 12, BStBl II 1996, 596, und in BFH/NV 2009, 553).
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b) Dagegen nahm der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 die Unausweichlichkeit von Zivilprozesskosten unter der Voraussetzung an, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Diese Auffassung hat auch das FG dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegt.
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c) Der Senat hält an seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Auffassung allerdings nicht mehr fest. Wie er in seinem Urteil vom 18. Juni 2015 VI R 17/14 (BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800) entschieden hat, kehrt er unter Aufgabe seiner in dem Urteil in BFHE 234, 30, BStBl II 2011, 1015 vertretenen Ansicht zu der früheren Rechtsprechung des BFH zur Abziehbarkeit der Kosten eines Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastung zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf das Senatsurteil in BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800 Bezug genommen.
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2. Nach diesen Maßstäben ist auch im Streitfall zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten für die zivilprozessuale Auseinandersetzung als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind. Zivilprozesskosten sind demnach nur insoweit abziehbar, als der Prozess existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Liefe der Steuerpflichtige ohne den Rechtsstreit Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, kann der Steuerpflichtige auch bei unsicheren Erfolgsaussichten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gezwungen sein, einen Zivilprozess zu führen, sodass die Prozesskosten zwangsläufig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen.
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a) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Seine Entscheidung hat daher keinen Bestand.
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b) Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden. Die vom Kläger getragenen Anwaltskosten sind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen.
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aa) Der Senat führt für die bis einschließlich 2012 geltende Fassung des § 33 EStG die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von durch Ehescheidungsverfahren entstandenen Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen fort (Urteil vom 20. Januar 2016 VI R 70/12, BFH/NV 2016, 905). Danach sind zwar die mit dem Gerichtsverfahren verbundenen Kosten für die Scheidung und den Versorgungsausgleich als zwangsläufig entstanden anzusehen und dementsprechend als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Aber Kosten für außerhalb des so genannten Zwangsverbunds durch das Familiengericht oder außergerichtlich im Zusammenhang mit der Ehescheidung getroffene Regelungen werden nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Das gilt unabhängig davon, ob für die Scheidungsfolgesachen noch § 623 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) a.F. anzuwenden ist oder schon § 137 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Weiter kommt es auch nicht darauf an, ob ein Ehegatte die Kosten auslösende Aufnahme von Scheidungsfolgesachen in den Scheidungsverbund beantragt hatte und diese insoweit zwingend im Verbund zu entscheiden waren. Denn auch insoweit gelten die Kosten für den mit dem Verfahren überzogenen Ehegatten nicht als unvermeidbar (BFH-Urteil vom 30. Juni 2005 III R 27/04, BFHE 210, 306, BStBl II 2006, 492).
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Entscheidend ist, dass der Gesetzgeber den früheren Eheleuten Inhalt und Verfahren der Regelung ihrer Verhältnisse im Wesentlichen in gleicher Weise zur eigenverantwortlichen Gestaltung übertragen hat wie in bestehender Ehe oder im Falle nichtehelicher Familienbeziehungen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 210, 306, BStBl II 2006, 492; vom 30. Juni 2005 III R 36/03, BFHE 210, 302, BStBl II 2006, 491; ebenso FG München, Urteil vom 21. August 2012 10 K 800/10, Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 451).
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bb) Die vom Kläger hier geltend gemachten Anwaltskosten im Zusammenhang mit dem Berufungsverfahren vor dem 1. Senat für Familiensachen des OLG ... betrafen Aufwendungen, die durch die zunächst im gemeinsamen Eigentum der früheren Eheleute stehenden Immobilie entstanden waren. Es handelte sich mithin nicht um Scheidungsfolgesachen, die im Zwangsverbund (Versorgungsausgleich nach § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO a.F.) zu entscheiden waren.
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Die Anwaltskosten betrafen auch keine Rechtsstreitigkeiten, die existenziell wichtige Bereiche oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührten.
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Zwar mag der Ausgang der betreffenden zivilrechtlichen Auseinandersetzungen für den Kläger von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung gewesen sein. Er lief indes nicht Gefahr, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, hätte er sich nicht auf einen Prozess eingelassen. Insbesondere stellt auch die Stellung als Miteigentümer einer Immobilie kein existenzielles Bedürfnis dar, und zwar auch dann nicht, wenn sie zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Es handelte sich insoweit nicht um nicht disponible, notwendige Aufwendungen für den Lebensunterhalt, der atypisch ist und außerhalb der normalen Lebensführung liegt. Nichts anderes gilt für Prozesskosten zur Abwehr von entsprechenden Ansprüchen (vgl. auch Senatsurteil vom 10. März 2016 VI R 70/14, BFH/NV 2016, 1011).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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