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BFH 21.08.2014 - VII R 11/13
BFH 21.08.2014 - VII R 11/13 - Stromsteuer: Großbäckerei steht keine Steuerbegünstigung für rechtlich selbständige Filialen zu
Normen
§ 2 Nr 4 StromStG, § 9 Abs 3 StromStG, § 9 Abs 4 StromStG, § 383 Abs 1 HGB
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 24. Januar 2013, Az: 6 K 2349/10 Z, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Einer Großbäckerei steht für Filialen, die von selbständigen Handelsvertretern betrieben werden und daher i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG als begünstigte Unternehmen anzusehen sind, kein Anspruch auf eine Stromsteuerbegünstigung nach § 9 Abs. 3 StromStG a.F. zu .
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2. NV: Entscheidend für die stromsteuerrechtliche Einstufung einer Betriebseinrichtung als begünstigtes Unternehmen ist eine rechtlich selbständige Wahrnehmung von Aufgaben, die mit einer betriebsbedingten Entnahme von Strom verbunden ist .
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Großbäckerei, die ihre Produkte über ein Netz von Filialen vertreibt, die sie mit Teigrohlingen beliefert, die dort für den Verkauf an die Endkunden fertig gebacken werden. Der Vertrieb in den Filialen erfolgt auf der Grundlage von Agenturverträgen durch Handelsvertreter. Das Ergebnis einer Außenprüfung für das Jahr 2007, nach dem die Stromentnahmen nicht der Klägerin, sondern den jeweils von selbständigen Handelsvertretern betriebenen Filialen zuzurechnen seien, nahm der inzwischen für die Klägerin zuständig gewordene Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --HZA--) zum Anlass, die der Klägerin rückwirkend zum 1. April 1999 vom Hauptzollamt X erteilte Erlaubnis nach § 9 Abs. 4 des Stromsteuergesetzes (StromStG a.F.), die sich auch auf sämtliche Filialen erstreckte, mit Wirkung zum 1. Oktober 2010 hinsichtlich der Entnahme von Strom durch die Filialen zu widerrufen.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Klägerin habe den angemeldeten Strom nicht für eigene betriebliche Zwecke entnommen, weshalb die Erlaubnis nach § 130 Abs. 1 i.V.m. § 131 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung zu Recht teilweise widerrufen worden sei. Die von den Agenturpartnern der Klägerin betriebenen Filialen seien rechtlich selbständig und daher als begünstigte Unternehmen i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG anzusehen. Dafür spreche die Ausgestaltung der jeweiligen Verträge, nach denen der Agent, der zur Entrichtung einer Umsatzpacht verpflichtet sei, als selbständiger Handelsvertreter mit seinem eigenen Gewerbe tätig werde und als Betreiber der Filiale zur anteiligen Tragung der Reparaturkosten sowie zur ordnungsgemäßen Auswahl und Überwachung des eingesetzten Personals verpflichtet sei. Aufgrund der eigenständigen, auf Provisionsbasis in gepachteten Geschäftsräumen ausgeübten Handelsvertretertätigkeit seien die Filialen als stromsteuerrechtlich kleinste rechtlich selbständige Einheit anzusehen. Daran könne auch die Einbindung der Filialen in ein Vertriebsnetz und ein Verkaufskonzept nichts ändern.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine unzutreffende Auslegung des § 2 Nr. 4 StromStG. Eine zutreffende Auslegung müsse in zwei Stufen erfolgen. In einem ersten Schritt seien die möglichen Zurechnungssubjekte als rechtlich selbständige Einheiten zu identifizieren, um dann in einem zweiten Schritt im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung die Stromentnahme zuzurechnen. Auf der zweiten Stufe verbiete sich eine rein formale Betrachtungsweise. Im Streitfall diene die Stromentnahme der Fertigstellung der in ihrem Namen verkauften Backwaren. Die Agenturpartner seien an strenge Qualitäts- und Verhaltensvorgaben gebunden, die keinen Raum für eine eigene Unternehmerinitiative böten. Auch im Rahmen von Werbemaßnahmen werde kein eigenes Firmenprofil der Agenturpartner erkennbar. Durch ein Filialhandbuch würden den Agenturpartnern genaue Vorgaben u.a. hinsichtlich der Reinigungsarbeiten, der Berufskleidung, des Verhaltens während der Pausen und gegenüber Kunden und der arbeitsrechtlichen Gefährdungsbeurteilung gemacht. Darüber hinaus werde der Telefonanschluss in der Verkaufsstelle von ihr (der Klägerin) beantragt, die auch die Anschlusskosten trage. Reparaturaufträge für technische Geräte erfolgten ausschließlich durch ihren zuständigen Außendienstmitarbeiter. Bei ihr verbleibe infolge des Provisionssystems das Risiko, denn die umsatzabhängige Miete sei stets geringer als die Provisionszahlung, so dass ein Verlust nicht erwirtschaftet werden könne. Infolgedessen seien die zwischen ihr und den Agenturpartnern abgeschlossenen Verträge nicht als Pachtverträge, sondern als Geschäftsbesorgungsverträge zu qualifizieren. Zudem werde die für den wirtschaftlichen Erfolg bedeutsame Entscheidung über den Standort der Filiale von ihr getroffen. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sei die Stromentnahme ihr zuzuordnen.
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Die Klägerin beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Verwaltungsakte.
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Das HZA beantragt die Zurückweisung der Revision. Es schließt sich weitgehend der Rechtsauffassung des FG an. Im Streitfall zahlten die Agenten für die Überlassung und Nutzung der Filialen einen vom monatlichen Umsatz abhängigen prozentualen Betrag an die Klägerin, weshalb von einer entgeltlichen Gebrauchsüberlassung auszugehen sei. Die Agenten ließen sich als selbständige Handelsvertreter in die örtliche Gewerbekartei eintragen und seien verpflichtet, ihr Firmenschild an der Eingangstür der Filiale mit vollständigem Namen und Telefonnummer anzubringen. Sie seien keine Angestellten der Klägerin und seien berechtigt, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung die nach dem Agenturvertrag zu erbringenden Tätigkeiten durch Dritte ausüben zu lassen. Darüber hinaus trügen sie die Kosten für das Inventar der Filialen, die Reinigung und die Berufskleidung des eingesetzten Personals.
Entscheidungsgründe
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Die Revision der Klägerin ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin in Bezug auf den in den Filialen verwendeten Strom keine Begünstigung zusteht, weil dieser von der Klägerin nicht zu eigenbetrieblichen Zwecken entnommen worden ist. Somit hat das HZA die gemäß § 9 Abs. 4 StromStG der Klägerin für die Filialen erteilte Erlaubnis zu Recht widerrufen.
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1. Gemäß § 9 Abs. 3 StromStG a.F. unterliegt Strom einem ermäßigten Steuersatz, wenn er von Unternehmen des Produzierenden Gewerbes oder Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft für betriebliche Zwecke entnommen wird. Die Begünstigung setzt voraus, dass es sich um ein Unternehmen i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG handelt, das produzierend tätig ist und den entnommenen Strom für eigenbetriebliche Zwecke verwendet. Ausgeschlossen von der Begünstigung ist eine Verteilung des einem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Stroms an Dritte.
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a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin als Großbäckerei ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes ist. Auch ist sie nach den Feststellungen des FG im Besitz einer Erlaubnis zur Entnahme steuerbegünstigten Stroms (§ 9 Abs. 4 StromStG), die sich nicht nur auf den Betrieb der Klägerin, sondern auch auf insgesamt … Filialen bezieht. Den in den Filialen verwendeten Strom hat die Klägerin jedoch nicht selbst zu eigenbetrieblichen Zwecken entnommen, sondern der Strom wurde im Rahmen von Agenturverträgen für betriebliche Zwecke der Vertragspartner der Klägerin entnommen, die für sie als selbständige Handelsvertreter tätig geworden sind.
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b) Stromsteuerrechtlich begünstigt ist nach § 2 Nr. 4 StromStG die jeweils kleinste rechtlich selbstständige Einheit und nicht ein Unternehmensverbund wie z.B. ein Organkreis. Dabei werden nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes Unternehmen als solche und nicht bestimmte Vorgänge begünstigt, bei denen Strom verbraucht wird. Eine Erlaubnis nach § 9 Abs. 4 StromStG wird daher personenbezogen natürlichen oder juristischen Personen erteilt. Wie der Senat entschieden hat, entspricht der Unternehmensbegriff den Vorgaben des Statistischen Bundesamtes für dessen Erhebungen zum Produzierenden Gewerbe (Fachserie 4, Reihe 4.1.1.). Aus Gründen der Praktikabilität und zur Herstellung einer Kongruenz mit dem Unternehmensbegriff der Klassifikation der Wirtschaftszweige hat der Gesetzgeber auf eine formale Betrachtungsweise abgestellt und zum prägenden Merkmal die rechtliche Selbständigkeit bestimmt (Senatsurteil vom 30. November 2004 VII R 41/03, BFHE 208, 361, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --ZfZ-- 2005, 168).
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2. Entscheidend für die stromsteuerrechtliche Einstufung einer Betriebseinrichtung als begünstigtes Unternehmen ist somit eine rechtlich selbständige Wahrnehmung von Aufgaben, die mit der betriebsbedingten Verwendung von Strom einhergeht. Dies ist bei der Tätigkeit von Kommissionären, die es gemäß § 383 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs gewerbsmäßig übernommen haben, in vom Kommittenten zur Verfügung gestellten Filialen bestimmte Produkte für Rechnung des Kommittenten in eigenem Namen zu verkaufen, der Fall (Senatsbeschluss vom 31. Januar 2008 VII B 79/07, BFH/NV 2008, 1013). Der Umstand, dass die Filialen feste Bestandteile eines einheitlichen Verkaufskonzepts und eines großflächigen Vertriebsnetzes eines Kommittenten sind, vermag an der rechtlichen Selbständigkeit und der dadurch vermittelten Unternehmensqualität der einzelnen Kommissionäre nichts zu ändern. Auch für den Fall der Verpachtung von Verkaufsstellen an Personen, die keine Angestellten des Unternehmens sind, sondern auf Provisionsbasis im Rahmen einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Handelsvertretertätigkeit u.a. Produkte des Unternehmens veräußern sowie Eigengeschäfte ausführen, hat der Senat entschieden, dass der verpachtete Geschäftsbetrieb und nicht etwa der Verpächter als steuerbegünstigtes Unternehmen i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG anzusehen ist (BFH-Urteil vom 2. November 2010 VII R 48/09, BFH/PR 2011, 246). Schließlich kommt nach der Rechtsprechung des Senats eine Steuerentlastung auch in den Fällen nicht in Betracht, in denen ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes auf dem eigenen Betriebsgelände einem anderen Unternehmen Strom zur Verfügung stellt, damit Mitarbeiter dieses Unternehmens im Rahmen eines Werkvertrags einen Teil der Produktion übernehmen (Senatsurteil vom 25. September 2013 VII R 64/11, BFHE 242, 460, ZfZ 2014, 26). Ausgeschlossen ist auch die Begünstigung rechtlich selbständiger Gesellschaften, die als beherrschte Tochterunternehmen die ihr von der Muttergesellschaft übertragene Fertigung bestimmter Produkte übernehmen, ohne jedoch über eine eigene stromsteuerrechtliche Erlaubnis zu verfügen (Senatsurteil vom 18. März 2014 VII R 12/13, BFH/NV 2014, 1093).
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3. Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den Agenturpartnern, die nach den Feststellungen des FG für die Klägerin als selbständige Handelsvertreter tätig sind, um Unternehmen i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG, denen die Stromentnahme auch zuzurechnen ist. Denn ihnen hat die Klägerin die von ihr eingerichteten Filialen gegen Zahlung einer umsatzabhängigen Vergütung zum eigenverantwortlichen Betrieb überlassen. Als Betreiber der Filiale ist der Agent berechtigt, die übernommenen Tätigkeiten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durch Dritte ausüben zu lassen. Dabei obliegt ihm auch die Auswahl und Überwachung des Personals sowie die sachgemäße Ausführung des ihm vertraglich eingeräumten Weisungsrechts. Zudem ist es ihm gestattet, neben den Backwaren im eigenen Namen und auf eigene Rechnung bestimmte Getränke zu verkaufen, über deren Aufnahme in das Sortiment er selbst entscheiden kann.
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In einer Gesamtbetrachtung entsprechen die Umstände des Streitfalls im Wesentlichen denen, die der Entscheidung in BFH/PR 2011, 246 zugrunde lagen. Dabei ist es unerheblich, ob sich die als Agenturverträge bezeichneten vertraglichen Vereinbarungen rechtlich als reine Pachtverträge qualifizieren lassen. Entscheidend für die stromsteuerrechtliche Beurteilung des Streitfalls ist die rechtliche Selbständigkeit der Agenturpartner i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG und der Umstand, dass der Strom von den Betreibern der Filialen zur Ausführung der vertraglich geschuldeten Tätigkeiten entnommen wird. Selbst eine unentgeltliche Überlassung von Betriebsflächen stünde einer solchen Betrachtung nicht entgegen (Senatsurteil in BFHE 242, 460, ZfZ 2014, 26). Für die Zuordnung des entnommenen Stroms kommt es auch nicht darauf an, in welchem Maß die Handelsvertreter ein eigenes wirtschaftliches Risiko zu tragen haben oder in welchem Umfang ihnen das Geschäftsrisiko durch die Zahlung einer umsatzbezogenen Provision und durch die Bemessung des für die Nutzungsüberlassung zu entrichtenden Entgelts nach dem erzielten Nettoumsatz des klägerischen Sortiments von der Klägerin abgenommen wird. An der Einstufung als Unternehmen i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG vermag das Ausmaß des wirtschaftlichen Risikos nichts zu ändern. Im Übrigen liegt es auf der Hand, dass die Klägerin von ihrem vertraglichen Kündigungsrecht Gebrauch machen wird, wenn der Handelsvertreter nicht in der Lage sein sollte, die in ihn gesetzten Erwartungen --insbesondere in Bezug auf die Menge der verkauften Backwaren-- zu erfüllen. Insoweit trägt der Betreiber der Filiale auch ein eigenes unternehmerisches Risiko.
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Schließlich kommt auch den im Filialhandbuch festgelegten Vorgaben für die Qualitätskontrolle und Qualitätssicherung, das Auftreten der Mitarbeiter nach außen, die Gestaltung der Berufskleidung, die Ausführung der Reinigungsarbeiten und die Veranlassung des Telefonanschlusses keine streitentscheidende Bedeutung zu. Diese Vorgaben tragen dem Umstand Rechnung, dass die Handelsvertreter in ein Vertriebsnetz eingebunden sind, das von einer bestimmten Verkaufsstrategie mit einheitlichem corporate design geprägt wird. An der Zuordnung der Stromentnahme und an der rechtlichen Selbständigkeit der Agenturpartner vermögen diese Vorgaben nichts zu ändern.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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