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BFH 21.12.2011 - VIII B 88/11
BFH 21.12.2011 - VIII B 88/11 - Verfahrensfehlerhafte Ermessensausübung des FG bei Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens - Grundstücksbewertung - Als Privatgutachten zu behandelnde Verkehrswertermittlung des FA
Normen
§ 76 Abs 1 FGO, § 81 Abs 1 FGO, § 82 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 404 ZPO, § 412 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 19. Mai 2011, Az: 13 K 13181/08, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Das dem Tatsachengericht bei der Bestimmung von Art und Zahl einzuholender Sachverständigengutachten nach § 82 FGO i.V.m. §§ 404, 412 ZPO zustehende Ermessen wird verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung gutachtlicher Stellungnahmen absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit der Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen .
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2. NV: Ist die Bewertung eines Grundstückes streitig, so ist das FG in der Regel gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 FGO das Gutachten eines unabhängigen vereidigten Sachverständigen einzuholen .
Gründe
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Die Beschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil ist verfahrensfehlerhaft ergangen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Auf dem vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sinngemäß gerügten Verfahrensfehler (Verstoß gegen § 76 FGO) kann das Urteil beruhen.
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Die Beteiligten streiten u.a. über die Höhe des Werts, mit dem ein Teil des ansonsten zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit anzusetzen ist, nachdem der Kläger die freiberufliche Nutzung dieser Teilfläche 2003 beendet hatte (Teilentnahme). Das Finanzgericht (FG) hat sich im Ergebnis der Verkehrswertermittlung angeschlossen, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) in das Verfahren eingeführt hat. Der Kläger hat dagegen unter Vorlage des Kaufvertrags u.a. vorgetragen, dass ein baugleiches Reihenmittelhaus in derselben Reihe 2006 zu einem wesentlich niedrigeren Kaufpreis als vom Gutachter angenommen veräußert worden ist.
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a) Ermessensfehlerhaft hat das FG von der Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Verkehrswert des Grundstückes im Entnahmezeitpunkt abgesehen und damit seine Aufklärungspflicht gemäß § 76 Abs. 1 FGO verletzt. Während das FG die von den Verfahrensbeteiligten angebotenen Beweise grundsätzlich erheben muss, steht die Zuziehung eines Sachverständigen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Hat es die nötige Sachkunde selbst, braucht es einen Sachverständigen nicht hinzuziehen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Mai 1996 X B 223/95, BFH/NV 1996, 773). Das dem Tatsachengericht bei der Bestimmung von Art und Zahl einzuholender Sachverständigengutachten nach § 82 FGO i.V.m. §§ 404, 412 der Zivilprozessordnung zustehende Ermessen wird verfahrensfehlerhaft ausgeübt, wenn das Gericht von der Einholung gutachtlicher Stellungnahmen absieht, obwohl sich ihm die Notwendigkeit der Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen.
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Ist die Bewertung eines Grundstückes streitig, so ist das FG in der Regel gehalten, gemäß § 81 Abs. 1 FGO das Gutachten eines unabhängigen vereidigten Sachverständigen einzuholen (BFH-Urteil vom 31. August 1994 X R 170/93, BFH/NV 1995, 299, 301). Dies gilt insbesondere dann, wenn drastische Schwankungen am Grundstücksmarkt im fraglichen Zeitraum eine Wertermittlung zum Stichtag als schwierig erscheinen lassen, oder wenn das Grundstück wegen seiner besonderen Nutzung vom Durchschnitt abweichende Jahresmieten erzielt und ein Beteiligter unter Hinweis auf diese Umstände die Einholung eines unabhängigen Sachverständigen beantragt. Hiervon absehen kann das FG nur dann, wenn es ausnahmsweise selbst über die nötige Sachkunde verfügt und diese in den Entscheidungsgründen darlegt (BFH-Urteil vom 12. April 1994 IX R 101/90, BFHE 174, 301, BStBl II 1994, 660).
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b) Im Streitfall hat das FG nicht in den Entscheidungsgründen dargelegt, dass es über die nötige Sachkunde verfügt, um die Grundstücksbewertung selbst vornehmen zu können. Zwar hat der Kläger die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht beantragt. Er hat aber der Sache nach stark gefallene Immobilienpreise behauptet und hierzu substantiiert vorgetragen, nämlich unter Bezugnahme auf den für das Nachbarhaus 2006 erzielten Verkaufspreis. Danach ist zwischen den Beteiligten streitig, mit welchem Wert die Immobilie im Sachwertverfahren angesetzt werden kann. Bei dieser Sachlage hätte sich dem FG die Notwendigkeit der Einholung eines vom Gericht bestellten Sachverständigengutachtens aufdrängen müssen. Der als Privatgutachten anzusehenden, vom FA vorgelegten Verkehrswertermittlung durfte das FG schon deshalb nicht ohne weiteres folgen, weil der Kläger dessen Richtigkeit der Sache nach in Zweifel gezogen hatte (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Mai 2001 III B 52/00, BFH/NV 2001, 1419).
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c) Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Vorentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).
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