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BFH 02.12.2011 - VII B 43/11
BFH 02.12.2011 - VII B 43/11 - Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen Divergenz
Normen
§ 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 191 AO, § 3 Abs 1 AnfG, § 4 Abs 1 AnfG
Vorinstanz
vorgehend FG Münster, 28. Januar 2011, Az: 11 K 4184/06 AO, Urteil
Leitsatz
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1. NV: Ein Beschluss, mit dem die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen worden ist, scheidet als Divergenzentscheidung grundsätzlich aus, weil in einer solchen Entscheidung nicht über revisible Rechtsfragen entschieden wird.
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2. NV: Voneinander abweichende Entscheidungen ein und desselben FG rechtfertigen für sich allein nicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz.
Tatbestand
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I. Der frühere Ehemann der Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) M wickelte den Zahlungsverkehr seines Gewerbebetriebs aufgrund einer im Jahr 1976 erteilten --und 2006 widerrufenen-- Kontovollmacht über ein auf den Namen der Klägerin lautendes Bankkonto ab. Aufgrund erheblicher Steuerrückstände des M, die bei diesem nicht beizutreiben waren, hat der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) gegen die Klägerin einen auf § 191 der Abgabenordnung i.V.m. § 3 Abs. 1, § 4 des Anfechtungsgesetzes (AnfG) gestützten Duldungsbescheid erlassen, in dem das FA die im Zeitraum vom 9. Januar 2002 bis zum 22. November 2005 auf dem Bankkonto eingegangenen Zahlungen anfocht.
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Die nach erfolglos durchgeführten Einspruchsverfahren erhobene Klage führte zur Aufhebung des angefochtenen Duldungsbescheids. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass eine Anfechtung nach § 4 Abs. 1 AnfG mangels unentgeltlicher Leistung des M an die Klägerin ausscheide. Eine auf § 3 Abs. 1 AnfG gestützte Anfechtung käme mangels Kenntnis der Klägerin von den angefochtenen Rechtshandlungen der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des M nicht in Betracht.
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Mit seiner Beschwerde begehrt das FA die Zulassung der Revision und macht die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) geltend. Die Klägerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde (§ 116 Abs. 1 FGO) hat keinen Erfolg. Die vom FA geltend gemachten Zulassungsgründe sind teils nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt, teils liegen sie nicht vor.
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1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag, aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).
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Das Vorbringen des FA wird diesen Anforderungen insbesondere im Hinblick auf die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage nicht gerecht. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, "ob in Fällen der Kontoüberlassung an Dritte die Kenntnis der Gläubigerbenachteiligungsabsicht vermutet werden kann oder ob zumindest in Fällen einer erteilten Kontovollmacht eine Zurechnung über § 166 Abs. 2 BGB vorgenommen werden kann", ist nicht klärungsfähig, weil das FG die Frage, ob M Gläubigerbenachteiligungsabsicht hatte, ausdrücklich offengelassen hat, ohne dass vom FA in Bezug auf den vom FG festgestellten Sachverhalt Verfahrensrügen erhoben worden sind (vgl. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 30, m.w.N.). Das Urteil des FG wird bereits von der Feststellung getragen, dass die Klägerin das Konto "aus den Augen verloren hat" und von den Rechtshandlungen tatsächlich keine Kenntnis hatte.
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2. Dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Streitfall erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), ist weder schlüssig dargelegt noch ersichtlich. Denn zur schlüssigen Darlegung einer Divergenz gehört u.a. die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen. Des Weiteren ist auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und eine identische Rechtsfrage handele (z.B. BFH-Beschluss vom 27. Juni 2008 II B 19/07, BFH/NV 2008, 1519).
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Daran fehlt es, soweit das FA eine Divergenz des angegriffenen FG-Urteils vom Senatsurteil vom 22. Juni 2004 VII R 16/02, (BFHE 206, 217, BStBl II 2004, 923), vom Senatsbeschluss vom 17. Januar 2000 VII B 282/99 (BFH/NV 2000, 857) sowie vom Urteil des FG Münster vom 22. Januar 2010 6 K 4276/06 AO behauptet.
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Der Senatsbeschluss in BFH/NV 2000, 857 scheidet als mögliche Divergenzentscheidung aus, weil hierin über keine revisible Rechtsfrage, sondern ausschließlich über die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision entschieden wurde (vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 50). Der BFH hat die Beschwerde mangels substantiierter Darlegung des behaupteten Verfahrensmangels als unzulässig verworfen.
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Offenbleiben kann, ob auch eine divergierende Rechtsprechung verschiedener Senate desselben FG den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO begründen kann oder das Urteil des FG Münster vom 22. Januar 2010 6 K 4276/06 AO bereits deshalb als mögliche Divergenzentscheidung ausscheidet (so wohl Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 49). Die Zulassung der Revision wegen Divergenz kommt im Streitfall bereits deshalb nicht in Betracht, weil beiden Entscheidungen kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt. Nach den Feststellungen des FG Münster im Urteil vom 22. Januar 2010 6 K 4276/06 AO wusste die Ehefrau, dass die Zahlungsunfähigkeit ihres Mannes drohte und durch Zahlungen auf ihr Konto ein direkter Zugriff von Gläubigern auf Forderungen des Ehemannes vereitelt werden sollte, sie hat durch ihr Mitwirken an der Übertragung verwertbaren Vermögens auf sie dazu beigetragen, die Vermögenslage des Ehemannes zu verschlechtern und damit in letzter Konsequenz die Zahlungsunfähigkeit des Ehemannes herbeigeführt. Aus all diesen Umständen hat das FG Münster im Urteil vom 22. Januar 2010 6 K 4276/06 AO geschlossen, dass die Kenntnis der Ehefrau von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht ihres Ehemannes vermutet werden kann. Im Streitfall hingegen wusste die Ehefrau nach den Feststellungen des FG weder von der drohenden Zahlungsunfähigkeit noch wurde ihr verwertbares Vermögen übertragen. Zudem lebten die Ehegatten im Streitfall getrennt und der Umstand, dass in dem Fall der Entscheidung vom 22. Januar 2010 6 K 4276/06 AO Gütertrennung vereinbart worden ist, ist hiermit --entgegen der Auffassung des FA--
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nicht vergleichbar.
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Schließlich hat die Beschwerde eine Divergenz zu dem Senatsurteil in BFHE 206, 217, BStBl II 2004, 923 nicht schlüssig dargelegt, insbesondere ist die Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht erkennbar. Während in der dem Senatsurteil in BFHE 206, 217, BStBl II 2004, 923 zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellation den Kindern die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Vaters als gesetzlichem Vertreter nach § 166 Abs. 1, § 1629 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zugerechnet wurde, scheidet im Streitfall eine Zurechnung nach § 166 Abs. 2 BGB aus, da das FG eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht des M gerade nicht festgestellt hat. Im Übrigen hat der BFH in der genannten Entscheidung keinen Rechtssatz in Bezug auf die Zurechnung einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht aufgestellt. Im Streit stand lediglich der Umfang der Duldungspflicht der Kinder.
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