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BFH 12.10.2011 - I R 93/10
BFH 12.10.2011 - I R 93/10 - Genossenschaft ist keine Kapitalgesellschaft i.S. des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz
Normen
Art 15 Abs 4 DBA CHE 1992, Art 24 Abs 1 Nr 1 Buchst d DBA CHE 1992, Art 3 Abs 1 Buchst e DBA CHE 1992, Art 15 Abs 1 S 1 DBA CHE 1992, Art 3 Abs 2 DBA CHE 1992
Vorinstanz
vorgehend FG München, 23. September 2010, Az: 11 K 1169/08, Urteil
Leitsatz
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NV: Vergütungen, die eine in Deutschland ansässige Person für ihre Tätigkeit als Organ einer schweizerischen Genossenschaft vereinnahmt, sind keine solchen i.S. von Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 für die entsprechende Tätigkeit als Organ einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft und deswegen, soweit sie auf Aktivitäten außerhalb der Schweiz entfallen, nicht von der deutschen Einkommensteuer freigestellt .
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob von einem schweizerischen Arbeitgeber bezogene Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der deutschen Einkommensteuer unterliegen.
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Die zur Einkommensteuer des Streitjahres 2003 als Eheleute zusammen veranlagten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) hatten im Streitjahr einen Wohnsitz in Deutschland. Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger, hatte darüber hinaus einen Wohnsitz in der Schweiz. Er war … Generaldirektor bei der A, einer im schweizerischen Handelsregister eingetragenen Genossenschaft mit Sitz in B-Stadt. Aus diesem Arbeitsverhältnis bezog er im Streitjahr ein Bruttogehalt von … €. Die Tätigkeit übte der Kläger vorwiegend in der Schweiz aus.
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Das Einkommen aus dieser Tätigkeit wurde in der Schweiz nicht der Besteuerung unterworfen. Die Geschäftsleitung der A hatte mit dem Schweizerischen Bundesrat (Conseil fédéral suisse) eine auch im Streitjahr noch wirksame Vereinbarung getroffen, nach der alle Mitarbeiter der A mit nicht-schweizerischer Staatsangehörigkeit für die während ihrer Tätigkeit in der Schweiz von A bezogenen Gehälter von der schweizerischen Besteuerung freigestellt werden.
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Der Kläger erklärte seine bei A erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als steuerfreie Einnahmen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte dem nicht.
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Das Finanzgericht (FG) München gab der Klage gegen den hiernach ergangenen Einkommensteuerbescheid durch Urteil vom 23. September 2010 11 K 1169/08 statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 418), indem es die Einkommensteuer von zuvor … € (Einspruchsentscheidung) auf … € herabsetzte.
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Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision des FA ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Für die Entscheidung, ob und ggf. inwieweit die in der Schweiz erzielten Einkünfte in die Bemessungsgrundlage der deutschen Einkommensteuer einzubeziehen sind, fehlen tatrichterliche Feststellungen zu der Frage, inwieweit der Arbeitslohn des Klägers auf eine Tätigkeit in der Schweiz entfällt.
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1. Nach den Feststellungen des FG, die nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen und deshalb im Revisionsverfahren bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), hatte der Kläger im Streitjahr einen Wohnsitz im Inland. Er war mithin gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 2002 unbeschränkt steuerpflichtig mit der Folge, dass er mit allen im Streitjahr erzielten Einkünften der Einkommensteuer unterlag. Ferner ist das FG ersichtlich davon ausgegangen, dass der Kläger aus abkommensrechtlicher Sicht in Deutschland ansässig war (Art. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971, BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519 i.d.F. des Protokolls vom 21. Dezember 1992, BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928
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--DBA-Schweiz 1992--); diese Einschätzung wird von den Beteiligten geteilt und bedarf deshalb und mangels gegenteiliger Anhaltspunkte keiner näheren Erörterungen.
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2. Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 werden bei einer in Deutschland ansässigen Person aus der Schweiz stammende Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen i.S. des Art. 15 DBA-Schweiz 1992, soweit sie nicht unter Art. 17 DBA-Schweiz 1992 fallen, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, wenn sie in der Schweiz besteuert werden können und wenn die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Dazu kann der Senat im Ergebnis wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen keine abschließende Entscheidung treffen.
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a) Die Vorinstanz ist in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, dass die vom Kläger bezogene Vergütung der Regelung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 unterfällt. Dem ist nicht beizupflichten.
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aa) Nach Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 können die Einkünfte einer natürlichen Person, die in Deutschland ansässig, aber als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft tätig ist, in der Schweiz besteuert werden, vorausgesetzt, die Tätigkeit ist nicht so abgegrenzt, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst. Dabei greift dieses Besteuerungsrecht unabhängig von dem Ort der physischen Anwesenheit der betreffenden Person; Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 ordnet die Fiktion des Arbeitsorts an, die auch im Rahmen von Art. 24 DBA-Schweiz 1992 maßgebend ist (vgl. z.B. Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04, BFHE 215, 237, BStBl II 2010, 778; s.a. Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art. 15 Rz 115; Brandis in Debatin/ Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Schweiz Art. 15 Rz 100, 106, jeweils m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung des Senats). Besteuert die Schweiz diese Einkünfte nicht, können sie allerdings in Deutschland besteuert werden (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz 1992). Im Übrigen gilt diese Regelung nur vorbehaltlich des Art. 15a DBA-Schweiz 1992. Deshalb dürfen, wenn die betreffende Person Grenzgänger i.S. des Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1992 ist, die von ihr bezogenen Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen in Deutschland besteuert werden (Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992).
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bb) Im Streitfall war der Kläger, den das FG in Übereinstimmung mit den Beteiligten nicht als Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1992 angesehen hat, nach den Feststellungen des FG als Generaldirektor der schweizerischen A --einer Genossenschaft--
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tätig. Damit ist die Tatbestandsvoraussetzung einer Tätigkeit bei einer "Kapitalgesellschaft" (Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992) nicht erfüllt.
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aaa) Der erkennende Senat hat in diesem Zusammenhang in seinem Urteil vom 21. August 2007 I R 17/07 (BFH/NV 2008, 530) --zu einem im schweizerischen Handelsregister eingetragenen Verein i.S. der Art. 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs-- entschieden, dass der Begriff der Kapitalgesellschaft nicht jede Rechtsperson erfasst, die sowohl nach schweizerischem wie nach deutschem Rechtsverständnis als juristische Person bzw. Körperschaft anzusehen ist. Eine Ausdehnung des in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 verwendeten (engeren) Begriffs der Kapitalgesellschaft auf Körperschaften jeglicher Art kann weder aus dem Abkommenstext noch -zusammenhang abgeleitet werden. Dazu hat der Senat darauf verwiesen, dass das Abkommen immer dann, wenn darin allgemein von juristischen Personen oder von Rechtsträgern, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, gesprochen wird, ausweislich der insoweit maßgeblichen (vgl. Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweiz 1992) Abkommensdefinition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. e DBA-Schweiz 1992 (nur) von "Gesellschaft" die Rede ist.
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bbb) Daran ist festzuhalten. Der insoweit eindeutige Abkommenswortlaut steht der Auffassung der Kläger entgegen, letztlich alle Gesellschaftsformen mit Haftungsbegrenzung, eigener Rechtssubjektivität bzw. Steuerrechtsfähigkeit und einer Beteiligung der Mitglieder/Gesellschafter am Gewinn nur im Falle der Ausschüttung abkommensrechtlich als Kapitalgesellschaft zu behandeln (abweichend Niedersächsisches FG, Urteil vom 14. Mai 1991 VI 676/89, Recht der Internationalen Wirtschaft 1991, 963; zweifelnd Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 15 Rz 107). Der von den Vertragsstaaten in Kenntnis der Differenzierungsmöglichkeiten vereinbarte klare Abkommenswortlaut begrenzt sowohl ein ausweitendes als auch ein einengendes Verständnis des Begriffs der Kapitalgesellschaft (zu Letzterem s. z.B. das Senatsurteil vom 19. Mai 2010 I R 62/09, BFHE 230, 18). Auch eine Eintragung einer juristischen Person im Handelsregister kann auf dieser Grundlage eine abkommensrechtliche Gleichbehandlung mit einer dort ebenfalls eingetragenen Kapitalgesellschaft nicht erzwingen.
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ccc) Wenn damit die Genossenschaft nicht in den Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 fällt, kommt es auf die Voraussetzungen der Rückfallklausel des Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz 1992 im Streitfall nicht an.
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b) Das Besteuerungsrecht für die vom Kläger aus der Tätigkeit bei A bezogene Vergütung könnte allerdings gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 --zumindest teilweise-- der Schweiz zustehen. Denn danach können Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat (hier Deutschland) ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird in dem anderen Staat ausgeübt. Abkommensrechtlich verbleibt damit die Besteuerung von Einkünften für eine Tätigkeit in Deutschland oder in einem Drittstaat bei Deutschland als Wohnsitzstaat (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 19. April 1999 I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317, 1319 f.; Senatsurteil in BFH/NV 2008, 530). Soweit die Tätigkeit hingegen in der Schweiz ausgeübt wurde, steht dieser das Besteuerungsrecht zu.
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Zum Ort der Tätigkeit des Klägers hat das FG --von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht-- jedoch keine Feststellungen getroffen. Diese Feststellungen können im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden; diese Aufgabe obliegt dem FG im zweiten Rechtsgang.
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