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BFH 25.02.2010 - IX B 156/09
BFH 25.02.2010 - IX B 156/09 - Festsetzungsfrist nicht wiedereinsetzungsfähig - § 181 Abs. 5 Satz 1 als eigenständige Änderungsvorschrift - Akteneinsicht - Zum Beweismittelverzicht
Normen
§ 110 AO, § 169 AO, § 181 Abs 1 S 1 AO, § 181 Abs 5 S 1 AO, § 10d Abs 3 S 4 EStG 1997, § 76 Abs 1 S 1 FGO, § 76 Abs 1 S 5 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 6 FGO, § 118 Abs 2 FGO, § 227 Abs 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 30. Juni 2009, Az: 2 K 2342/05, Urteil
nachgehend BFH, 2. März 2011, Az: IX B 88/10, Beschluss
Leitsatz
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1. NV: Die (gesetzliche) Festsetzungsfrist i.S. des § 169 AO gehört nicht zu den wiedereinsetzungsfähigen Fristen gemäß § 110 AO; Gleiches gilt für die (gesetzliche) Feststellungsfrist .
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2. NV: § 181 Abs. 5 Satz 1 AO ist keine eigenständige Änderungsvorschrift, sondern nur anwendbar, wenn zusätzlich die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt sind. Eine nur mittelbare Bedeutung des Feststellungsbescheids für spätere Veranlagungen und Feststellungen reicht aus .
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3. NV: Durch eine nicht gewährte Akteneinsicht wird das rechtliche Gehör nur verletzt, wenn die Akteneinsicht ausdrücklich verweigert worden ist .
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4. NV: Das Gericht erforscht den Sachverhalt vom Amts wegen. Auf eine beantragte Beweiserhebung kann es im Regelfall nur verzichten, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zugunsten der betreffenden Partei unterstellt oder das Beweismittel nicht erreichbar ist .
Gründe
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Die Beschwerde ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht --FG-- (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend gemachte Verfahrensmangel einer übergangenen Beweiserhebung liegt vor.
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1. a) Zwar hat die (zumindest konkludent) aufgeworfene Rechtsfrage nach der Wiedereinsetzungsfähigkeit von Feststellungsfristen i.S. von § 169 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; denn sie ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geklärt. Danach gehört die (gesetzliche) Festsetzungsfrist i.S. des § 169 AO nicht zu den wiedereinsetzungsfähigen Fristen gemäß § 110 AO (vgl. BFH-Beschluss vom 19. September 2008 IX B 108/08, nicht veröffentlicht, juris; BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 VII R 5/08, BFH/NV 2009, 1602, unter II. 2., m.w.N.; a.A. ohne Begründung: Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO Rz 19; Hartmann in Beermann/Gosch, AO § 171 Rz 17); Gleiches gilt für die (gesetzliche) Feststellungsfrist (s.a. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO).
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b) Auch ist eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) nicht erforderlich. Denn im Streitfall ist die gerügte Divergenz nicht gegeben. Vielmehr hat das FG auf der Basis der auch vom Kläger zitierten BFH-Rechtsprechung entschieden, dass § 181 Abs. 5 Satz 1 AO keine eigenständige Änderungsvorschrift, sondern nur anwendbar ist, wenn zusätzlich die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift erfüllt sind (vgl. BFH-Urteil vom 31. Oktober 2000 VIII R 14/00, BFHE 193, 392, BStBl II 2001, 156). Zwar reicht eine nur mittelbare Bedeutung des Feststellungsbescheids für spätere Veranlagungen und Feststellungen aus (vgl. BFH-Urteile vom 12. Juni 2002 XI R 26/01, BFHE 198, 395, BStBl II 2002, 681; vom 2. August 2006 XI R 65/05, BFHE 214, 492, BStBl II 2007, 921; zuletzt BFH-Beschluss vom 5. November 2009 IX B 96/09, juris); indes liegen die Voraussetzungen einer Änderungsnorm, insbesondere des § 10d Abs. 3 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG), im Streitfall nicht vor. Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) haben sich die zu berücksichtigenden Beträge i.S. von § 10d Abs. 3 Satz 4 EStG mangels Verwirklichung eines Auflösungsverlustes nicht geändert. Auch hinsichtlich des Zeitpunkts der Verlustrealisierung ist keine Abweichung gegeben, zumal weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die (angeblich) fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls noch schlichte Subsumtionsfehler des FG ausreichen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. November 2007 VIII B 70/07, BFH/NV 2008, 380; vom 16. Mai 2006 VIII B 160/05, BFH/NV 2006, 1477, m.w.N.). Denn das FG ist vorliegend unter Beachtung der einschlägigen BFH-Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, dass der geltend gemachte Auflösungsverlust jedenfalls "nicht im (Streit-)Jahr 1997" entstanden ist; dies wäre auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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c) Auch der gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) der Verletzung des rechtlichen Gehörs in Gestalt der Ablehnung eines Vertagungsantrags zur Gewährung von Akteneinsicht ist nicht gegeben. Das FG hat zutreffend erkannt, dass ein erheblicher Grund i.S. von § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO nicht vorlag. Durch eine nicht gewährte Akteneinsicht wird das rechtliche Gehör nur verletzt, wenn die Akteneinsicht ausdrücklich verweigert worden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15. Juli 2005 I B 233/04, BFH/NV 2005, 2216; vom 14. September 2006 II B 100/05, BFH/NV 2007, 79). Das FG hat die besagte Akteneinsicht nicht verwehrt; vielmehr wäre die Akteneinsicht dem Kläger vor der mündlichen Verhandlung wie auch im Wege ihrer --vom FG ausdrücklich angebotenen-- Unterbrechung möglich gewesen.
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2. Das FG hat aber die ihm obliegende Pflicht zur Sachaufklärung dadurch verletzt, dass es den angebotenen Zeugenbeweis nicht erhoben hat.
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Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist dabei zwar an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Von den Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise muss das FG aber grundsätzlich erheben, will es einen Verfahrensmangel vermeiden. Auf die beantragte Beweiserhebung kann es im Regelfall nur verzichten, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zugunsten der betreffenden Partei unterstellt oder das Beweismittel nicht erreichbar ist (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Januar 2007 IV B 51/05, BFH/NV 2007, 1089; Urteil vom 13. März 1996 II R 39/94, BFH/NV 1996, 757, m.w.N.).
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Im Streitfall hat das FG den angebotenen Beweis weder erhoben noch sich mit ihm in seinem Urteil beschäftigt und ihn dadurch übergangen. Dabei ist unerheblich, ob der in der mündlichen Verhandlung gestellte (und protokollierte) Beweisantrag zur Vernehmung einer Zeugin im Hinblick auf den Nachweis des Zugangs der fraglichen Schreiben beim Beklagten und Beschwerdegegner (zur Feststellungslast s. BFH-Beschlüsse vom 2. November 2000 X R 17/00, BFH/NV 2001, 611; vom 21. September 2007 IX B 79/07, BFH/NV 2008, 22) hinreichend zielführend für den Zugang der Schreiben beim Beklagten ist.
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3. Aufgrund des vorliegenden Verfahrensmangels wird das FG-Urteil ohne (weitere) sachliche Nachprüfung aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (§ 116 Abs. 6 FGO). Das FG wird die unterlassene Vernehmung der benannten Zeugin nachzuholen oder aber hinreichend zu erklären haben, warum es der Beweiserhebung nicht bedarf, z.B. weil das Beweismittel für die Entscheidung unerheblich ist oder die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 1. Februar 2007 VI B 124/06, BFH/NV 2007, 956; BFH-Urteil vom 3. Juni 2003 IX R 46/00, BFH/NV 2004, 46). Sollte das FG den gestellten Beweisantrag für nicht hinreichend spezifiziert ansehen, wäre auf eine entsprechende Konkretisierung hinzuwirken.
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