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BAG 09.09.2010 - 4 AZN 354/10
BAG 09.09.2010 - 4 AZN 354/10 - Nichtzulassungsbeschwerde - Rüge der gesetzwidrigen Vertretung
Normen
§ 72 Abs 2 Nr 3 ArbGG, § 72a Abs 3 S 2 Nr 3 ArbGG, § 547 Nr 4 ZPO
Vorinstanz
vorgehend ArbG Leipzig, 29. Mai 2009, Az: 1 Ca 3559/08, Urteil
vorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht, 26. Februar 2010, Az: 3 Sa 357/09, Urteil
Tenor
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1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 26. Februar 2010 - 3 Sa 357/09 - wird als unzulässig verworfen.
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2. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
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3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 21.970,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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I. Die Parteien streiten über die auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht wegen der nicht hinreichenden Berufungsbegründung der Klägerin als unzulässig verworfen und die Revision nicht zugelassen. Mit ihrer auf Divergenz, auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs und auf das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes der nicht gesetzmäßigen Vertretung gestützten Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision.
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II. Die Beschwerde ist unzulässig.
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1. Die auf Divergenz gestützte Beschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der gesetzmäßigen Form begründet worden ist.
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a) Zur ordnungsgemäßen Begründung einer auf Divergenz (§ 72a Abs. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG) gestützten Nichtzulassungsbeschwerde gehört, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung sowie einen hiervon abweichenden abstrakten, also fallübergreifenden Rechtssatz aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte anführt und konkret und fallbezogen darlegt, dass das anzufechtende Urteil auf dieser Abweichung beruht (BAG 15. September 2004 - 4 AZN 281/04 - BAGE 112, 35).
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b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Es mangelt bereits an der Darlegung eines abstrakten Rechtssatzes des Landesarbeitsgerichts. Die Beschwerde zitiert aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (8. Oktober 2008 - 5 AZR 526/07 - AP ZPO § 520 Nr. 1 = EzA ZPO 2002 § 520 Nr. 7) die allgemeinen Anforderungen der Rechtsprechung, die an die Zulässigkeit einer Berufungsbegründung gestellt werden. Im Folgenden legt die Klägerin jedoch nicht dar, inwieweit das Landesarbeitsgericht einen ebenso abstrakten fallübergreifenden Rechtssatz formuliert hätte, der dem zitierten des Bundesarbeitsgerichts widerspricht, was auch bereits deshalb schwierig wäre, weil eben diese Kriterien aus der genannten Entscheidung vom Landesarbeitsgericht in gleicher Ausführlichkeit seinen Subsumtionsüberlegungen vorangestellt worden sind. Die Klägerin bezieht sich in ihrer Beschwerdebegründung vielmehr darauf, dass das Landesarbeitsgericht bei seiner Rechtsanwendung die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten - und von ihm selbst zitierten - Kriterien nicht beachtet habe. Die Rechtsanwendung des Landesarbeitsgerichts kann jedoch nur im Rahmen einer zugelassenen Revision überprüft werden.
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2. Auch die auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützte Beschwerde ist nicht gesetzmäßig begründet.
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a) Zur Darlegung einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gehört bei der Rüge eines unterlassenen Hinweises nach § 139 Abs. 2 ZPO nicht nur der substantiierte Vortrag, dass der Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO geboten war, sondern darüber hinaus die Darlegung, dass mit der rechtlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht auch ein gewissenhafter und rechtskundiger Prozessbevollmächtigter selbst unter Beachtung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte. Denn nicht jeder einfach-rechtliche Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO stellt zugleich eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dar (BVerfG 12. Juni 2003 - 1 BvR 2285/02 - BVerfGK 1, 211; 8. Januar 2004 - 1 BvR 864/03 - BVerfGK 2, 213; BAG 31. August 2005 - 5 AZN 187/05 - AP ArbGG 1979 § 72a Rechtliches Gehör Nr. 7 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 104).
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b) Diese Anforderungen werden von der Beschwerdebegründung der Klägerin nicht erfüllt. Die Beschwerdeführerin legt bereits nicht dar, aus welchem Grund für das Landesarbeitsgericht eine besondere Hinweispflicht auf die mögliche Unzulässigkeit der Berufung bestanden habe. Die Berufungsbegründung, die am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht einging, also nicht mehr innerhalb der Frist hätte „nachgebessert“ werden können, ist bereits von der Berufungserwiderung mit einer ausführlichen Begründung, die deutlich länger als die gesamte Berufungsbegründung ist, als unzulässig bewertet worden. Hier könnte eine zusätzliche Hinweispflicht des Landesarbeitsgerichts nur dann angenommen werden, wenn auch ein gewissenhafter und rechtskundiger Prozessbevollmächtigter selbst unter Beachtung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen mit einer ernsthaften Prüfung der Zulässigkeit der Berufung durch das Landesarbeitsgericht nicht rechnen musste. Davon kann nicht die Rede sein. Zwischen der Zustellung der Berufungserwiderung und der Berufungsverhandlung lagen vier Monate, in denen die Klägerin drei weitere Schriftsätze eingereicht hat, ohne zur Frage der von der Gegenseite angesprochenen Zulässigkeit der Berufung Stellung zu nehmen. Auch hätte die Klägerin in der Berufungsverhandlung, als die mögliche Unzulässigkeit der Berufung vom Vorsitzenden Richter ausdrücklich angesprochen worden ist, hierzu Erklärungen abgeben können; warum auch die nicht möglich war, sondern nur in einem nachgelassenen Schriftsatz hätte erfolgen können, wird von der Klägerin nicht begründet. Aus all diesen Gründen hatte es für die Zulässigkeit der Beschwerde einer gesonderten Darlegung einer von der Klägerin angenommenen, gleichwohl bestehenden und vom Landesarbeitsgericht verletzten Hinweispflicht bedurft. Eine solche findet sich in der Beschwerdebegründung der Klägerin nicht.
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3. Soweit die Beschwerde der Klägerin darauf gestützt wird, dass die Beklagte zu 2) in der Berufungsinstanz nicht entsprechend den gesetzlichen Vorschriften vertreten war, weil deren Prozessbevollmächtigter zwar zugelassener Rechtsanwalt, jedoch - zumindest zeitweise - gleichzeitig auch Personalleiter der Beklagten zu 2) war, ist die Beschwerde gleichfalls unzulässig.
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a) Die Revision gegen ein landesarbeitsgerichtliches Urteil ist zuzulassen, wenn ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO geltend gemacht wird und vorliegt (§ 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG). Hierzu gehört grundsätzlich auch die Rüge der nicht gesetzmäßigen Vertretung einer Partei im Verfahren nach § 547 Nr. 4 ZPO. Dieser Zulassungsgrund kann jedoch nur von der Partei geltend gemacht werden, um deren Vertretung es dabei geht.
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Die gesetzlichen Vorschriften über die Vertretung einer Partei im Prozess dienen dem Schutz der vertretenen Partei. Allein sie soll davor geschützt werden, dass sie ihre prozessualen Rechte nicht wahrnehmen konnte, weil sie nicht gesetzlich vertreten war. Das Fehlen der Vertretungsmacht eines für einen von ihm Vertretenen Handelnden berührt und beschwert nur den Vertretenen, falls diese die Erklärungen und Handlungen seines Vertreters nicht gegen sich gelten lassen will. Ein solcher Mangel kann daher nur von der Partei geltend gemacht werden, die in dem vorangegangenen Rechtsstreit nicht ordnungsgemäß vertreten war, nicht aber auch von ihrem Prozessgegner (GK-ArbGG/Mikosch Stand Juli 2010 § 73 Rn. 60; Zöller/Heßler ZPO 28. Aufl. § 547 Rn. 6; Reichold in Thomas/Putzo 31. Aufl. § 547 Rn. 8; ebenso für die gleichlautenden Regelungen bei der Nichtigkeitsklage nach § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO BGH 20. September 1974 - IV ZR 55/73 - BGHZ 63, 78, 79 f.; BVerwG 27. Januar 1992 - 5 B 183.91 - Buchholz 303 § 579 ZPO Nr. 1; bei der Rechtsbeschwerdezulassung nach § 100 Abs. 3 PatG BGH 21. Dezember 1989 - X ZB 7/89 - NJW-RR 1990, 509, 510). Dies gilt auch für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren. Eine Beschwer durch eine mangelhafte Vertretung der Gegenseite ist auch dann ausgeschlossen, wenn und soweit die Gegenseite im Rechtsstreit erfolgreich geblieben ist. Auf dem Vertretungsmangel kann die Entscheidung nicht beruhen.
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b) Im Übrigen wäre die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Verbot aus § 46 Abs. 1 BRAO allein die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit des Rechtsanwaltsvertrages und nicht die Unwirksamkeit der von dem Prozessbevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen.
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aa) Nach § 46 Abs. 1 BRAO darf ein Rechtsanwalt für einen Auftraggeber, dem er auf Grund eines ständigen Dienstverhältnisses seine Arbeitszeit und -kraft zur Verfügung stellen muss, vor Gerichten nicht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt tätig werden. Ist ein gleichwohl unter Verstoß gegen § 46 Abs. 1 BRAO geschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag vereinbart worden, so ist dieser gemäß § 134 BGB nichtig, was zB zur Folge hat, dass der Rechtsanwalt keine Gebührenansprüche gegen seinen Auftraggeber geltend machen kann (BGH 25. Februar 1999 - IX ZR 384/97 - BGHZ 141, 69; vgl. auch Feuerich/Weyland BRAO 7. Aufl. § 46 Rn. 30).
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bb) Die Verletzung der Berufspflichten eines Rechtsanwalts machen die prozessualen Handlungen, die er vorgenommen hat, jedoch nicht unwirksam. Die erteilte Prozessvollmacht hat im Hinblick auf das Abstraktionsprinzip Bestand (Kleine-Cosack BRAO 6. Aufl. § 46 Rn. 39). Das Erfordernis einer besonderen Postulationsfähigkeit dient dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Gang des Verfahrens und dem Interesse des Beteiligten an ordnungsgemäßer Beratung. Um diese Zwecke zu erreichen, schreibt das Gesetz eine bestimmte Form prozessualen Handelns vor. Es liegt jedoch in der Verantwortung des handlungsfähigen Beteiligten, eine vertretungsberechtigte Person auszuwählen, die für ihn vor Gericht wirksam handeln kann. Besitzt der von der Partei ausgewählte Vertreter diese Fähigkeit nicht, beruht die Gerichtsentscheidung nicht darauf, dass dem Beteiligten verwehrt wurde, in Bezug auf das Verfahren sein Selbstbestimmungsrecht auszuüben (BVerwG 10. Juni 2005 - 1 B 149.04 - NJW 2005, 3018, 3019, zu dem Verlust der Rechtsanwaltszulassung während eines Rechtsstreits). Soweit der Prozessbevollmächtigte die Prozesshandlungen - wie vorliegend - nach außen erkennbar in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt und nicht als Angestellter einer Partei wahrgenommen hat, sind sie wirksam (BAG 19. März 1996 - 2 AZB 36/95 - BAGE 82, 239; Prütting AnwBl. 2001, 313, 318).
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4. Von einer weiteren Begründung zum sonstigen, vom Senat geprüften Vorbringen der Klägerin wird abgesehen, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen die Revision zuzulassen wäre (§ 72a Abs. 5 Satz 5 ArbGG).
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens ist nach § 63 Abs. 2, § 42 Abs. 3 Satz 2 GKG festgesetzt.
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