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BSG 27.01.2021 - B 13 R 77/20 B
BSG 27.01.2021 - B 13 R 77/20 B - Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Verletzung der Amtsermittlungspflicht - Rüge eines fehlerhaften Gutachtens bei mehreren mindestens im Ergebnis übereinstimmenden Gutachten
Normen
§ 103 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 412 Abs 1 ZPO
Vorinstanz
vorgehend SG Berlin, 10. Januar 2018, Az: S 15 R 1505/15, Gerichtsbescheid
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 13. Februar 2020, Az: L 3 R 166/18, Urteil
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. Februar 2020 wird als unzulässig verworfen.
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Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
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I. Mit Urteil vom 13.2.2020 hat das LSG Berlin-Brandenburg einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung verneint.
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Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt.
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II. Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
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Die Klägerin macht ausschließlich geltend, die angegriffene Entscheidung des LSG beruhe auf einem Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), weil das LSG einem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, sie erneut fachärztlich begutachten zu lassen, nicht gefolgt sei (Verstoß gegen § 103 SGG).
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Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.10.2018 - B 13 R 59/18 B - juris RdNr 7). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zu Grunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 23). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Dem genügt die Beschwerdebegründung vom 18.6.2020 nicht.
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Die Klägerin sieht einen Verfahrensmangel darin, dass das LSG ihrem in der mündlichen Verhandlung gestellten, auf Einholung eines Gutachtens gerichteten Beweisantrag nicht gefolgt sei. Mit diesem Antrag sei unter Beweis gestellt worden, dass die durch ihre psychischen Erkrankungen bedingten Funktionseinschränkungen in Form der mittelgradigen Depression sowie Migräne dazu führen, dass ihre Leistungsfähigkeit auf unter drei Stunden abgesunken sei.
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Der Senat lässt dahinstehen, ob der in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsantrag der Klägerin in seinem protokollierten Wortlaut den Anforderungen an einen prozessordnungsgerechten Beweisantrag iS der § 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 403 ZPO erfüllt. Jedenfalls hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan, dass das LSG diesem Antrag ohne eine iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG "hinreichende" Begründung nicht gefolgt sei. Für die Frage, ob ein hinreichender Grund für die unterlassene Beweiserhebung vorliegt, kommt es darauf an, ob das Gericht objektiv gehalten war, den Sachverhalt zu den von dem Beweisantrag erfassten Punkten weiter aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 7.4.2011 - B 9 SB 47/10 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 13.2.2019 - B 6 KA 14/18 B - juris RdNr 8). Soweit entscheidungserhebliche tatsächliche Umstände noch nicht hinreichend geklärt sind, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten Gebrauch machen, die vernünftigerweise zur Verfügung stehen. Einen darauf bezogenen Beweisantrag eines Beteiligten darf das Gericht nur ablehnen, wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (BSG Beschluss vom 6.2.2007 - B 8 KN 16/05 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10; BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - juris RdNr 24 mwN). Bei einer derartigen Fallgestaltung ist für eine weitere Beweiserhebung regelmäßig kein Raum. Liegen bereits mehrere Gutachten vor, ist das Tatsachengericht nur dann zu weiteren Beweiserhebungen verpflichtet, wenn die vorhandenen Gutachten iS von § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO ungenügend sind, weil sie grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche enthalten oder von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Gutachters geben (vgl BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 9 mwN; BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - juris RdNr 9).
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Die Klägerin macht geltend, es habe weiterer Ermittlungsbedarf bestanden, weil sich das LSG auf ein Gutachten von M. gestützt habe. Dieses habe jedoch die tatsächlichen Auswirkungen der Erkrankungen bzw die Erkrankung an sich nicht in Gänze erfasst, sodass die erfolgte Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit durch den Gutachter keine Grundlage für die rechtliche Würdigung des Gerichts habe darstellen können. Dies ergebe sich aus unzutreffenden Annahmen sowie Widersprüchlichkeiten des Gutachtens. Insbesondere seien fehlende Durchschlafstörungen, die nicht durchgeführte psychotherapeutische Behandlung ihres Depressionsleidens und ihre kritische Haltung gegenüber einer medikamentösen Behandlung falsch gewürdigt worden. Einerseits empfehle der Gutachter den Einsatz eines Antidepressivums mit einem anderen, bisher nicht eingesetzten Wirkmechanismus, andererseits halte er in einer ergänzenden Stellungnahme eine solche Behandlung angesichts "der nur gering ausgeprägten depressiven Symptomatik" für "nur in einem sehr begrenzten Maß erfolgversprechend". Nicht tragfähig sei zudem der Schluss, dass die Migräneerkrankung nicht in rentenrechtlich relevanter Schwere vorliege, weil sie sich sonst nicht beruflich hätte fortentwickeln können. Gleichzeitig hat die Klägerin ausgeführt, während des Verwaltungs- und erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens seien von der Beklagten und vom SG bereits zwei fachärztliche Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet eingeholt worden. Ein weiteres Gutachten sei auf ihren Antrag nach § 109 SGG hin während des Berufungsverfahrens eben von M., einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, erstattet worden. Alle drei Gutachten seien übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass das Leistungsvermögen zwar in qualitativer, nicht jedoch in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt sei. Das LSG habe durch das Gutachten M. die Ergebnisse der bereits zuvor eingeholten Gutachten im Wesentlichen bestätigt gesehen, wobei es es als unerheblich angesehen habe, ob das als leichtförmig anzusehende depressive Leiden schon als rezidivierende depressive Störung oder als Dysthymie einzuordnen sei.
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Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die von der Klägerin gegen das Gutachten M. vorgebrachten Einwendungen überhaupt geeignet sind, das Gutachten als iS des § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 412 Abs 1 ZPO ungeeignet einzustufen. Jedenfalls fehlt es in der Beschwerdebegründung an Ausführungen dazu, dass auch die beiden vorangegangenen Gutachten an groben Mängeln und unlösbaren Widersprüchen litten. Dies wäre aber erforderlich gewesen, denn nach der Darstellung des Inhalts des angegriffenen Urteils in der Beschwerdebegründung hat das LSG seine Entscheidung auch darauf gestützt, dass deren Ergebnisse durch das Gutachten M. bestätigt werden. So habe neben M. auch H. nachvollziehbar dargelegt, dass die von der Gutachterin P. in der Reha-Klinik N. beschriebene Symptomatik nicht den Kriterien einer endogenen Depression oder "Major Depression" entsprechen. Wird aber - wie erkennbar - das angegriffene Urteil auf mehrere mindestens im Ergebnis übereinstimmende Gutachten auf demselben Fachgebiet gestützt, so kann eine Verpflichtung des Tatsachengerichts zur weiteren Beweiserhebung nur schlüssig bezeichnet werden, wenn die mangelnde Eignung aller Gutachten dargetan wird. Hieran fehlt es.
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Dass die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
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Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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