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BSG 27.03.2020 - B 10 ÜG 4/19 R
BSG 27.03.2020 - B 10 ÜG 4/19 R - Überlanges Gerichtsverfahren - Entschädigungsklage - Bestimmtheit der Verzögerungsrüge - Benennung des Aktenzeichens oder klare Bestimmbarkeit des gerügten Verfahrens - entsprechende Geltung der für Prozesserklärungen geltenden Auslegungsgrundsätze - Vielkläger - Unwirksamkeit der pauschalen Rüge aller anhängigen Verfahren als verzögert - widersprüchliches Verhalten bei Behinderung der Verfahrensbeschleunigung durch unklare Zuordnungen - keine Hinweispflicht des Richters bei unwirksamen Verzögerungsrügen - Schriftformerfordernis - Erhebung von Verzögerungsrügen nur bis Verfahrensabschluss - Präklusionswirkung bei nicht rechtzeitig erhobener Verzögerungsrüge - eigenständige Bewertung der Restzeit mit voller Vorbereitungs- und Bedenkzeit - Wartefrist
Normen
§ 198 Abs 3 S 1 GVG, § 198 Abs 3 S 2 GVG, § 198 Abs 5 S 1 GVG, Art 23 S 1 ÜberlVfRSchG, Art 23 S 2 ÜberlVfRSchG, § 133 BGB, § 242 BGB, § 106 Abs 1 SGG, Art 19 Abs 4 GG, Art 6 Abs 1 MRK
Vorinstanz
vorgehend SG Potsdam, 12. Januar 2012, Az: S 35 AS 1675/09, Beschluss
vorgehend SG Potsdam, 27. Februar 2013, Az: S 35 AS 1137/09, Urteil
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 22. März 2017, Az: L 5 AS 949/13, Beschluss
vorgehend BSG, 23. Januar 2018, Az: B 14 AS 318/17 B, Beschluss
vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 24. Januar 2019, Az: L 37 SF 102/18 EK AS WA, Urteil
Leitsatz
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1. Eine Verzögerungsrüge muss sich auf ein mit Aktenzeichen benanntes oder nach dem Inhalt der Erklärung klar bestimmbares Ausgangsverfahren beziehen.
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2. Für die Auslegung einer Erklärung als Verzögerungsrüge sind die für Prozesserklärungen geltenden Auslegungsgrundsätze entsprechend heranzuziehen.
Tenor
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Januar 2019 wird zurückgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
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Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2000 Euro festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Verurteilung des beklagten Landes zur Zahlung einer Entschädigung iHv 2000 Euro wegen überlanger Dauer des vor dem SG Potsdam zunächst unter dem Aktenzeichen S 31 AS 1675/09, sodann unter dem Aktenzeichen S 35 AS 1675/09 und zuletzt unter dem Aktenzeichen S 35 AS 1137/09 geführten Klageverfahrens.
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Der Kläger, der Volljurist ist und Leistungen nach dem SGB II bezog, beantragte beim zuständigen Grundsicherungsträger die Übernahme der Kosten für Fachanwaltslehrgänge zum Sozial- und Verwaltungsrecht. Den Antrag lehnte der Grundsicherungsträger mit Bescheid vom 27.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.4.2009 ab. Hiergegen erhob der Kläger am 24.4.2009 Klage beim SG, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 31 AS 1675/09 geführt wurde, und begehrte die Übernahme der Kosten und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nichtbewilligung der Kostenübernahme für die beiden Fachanwaltslehrgänge. Nach Klageerwiderung und einem Ablehnungsgesuch des Klägers vom 5.2.2010 gegen die zuständige Kammervorsitzende wegen Besorgnis der Befangenheit, das vom LSG mit Beschluss vom 23.3.2010 (L 1 SF 38/10) zurückgewiesen wurde, wechselte das Verfahren in die Zuständigkeit einer anderen Kammer. Dort wurde es unter dem Aktenzeichen S 35 AS 1675/09 fortgeführt. Deren Vorsitzende beraumte am 14.10.2011 in diesem und in 14 weiteren Klageverfahren des Klägers einen Erörterungstermin auf den 16.11.2011 an. Am 15.11.2011 hob das SG den Termin wegen Verhinderung des Terminsvertreters des beklagten Grundsicherungsträgers auf und verlegte diesen auf den 11.1.2012. Mit einem nicht zum Klageverfahren S 35 AS 1675/09 gelangten Schreiben vom 15.11.2011 zum Aktenzeichen "S 35 AS 1137/09 u.a.", beim SG eingegangen am 17.11.2011, rügte der Kläger die Verschiebung des Erörterungstermins und "die generellen Verzögerungen der zum Teil bereits seit Beginn des Jahres 2009 anhängigen Verfahren". In dem am 11.1.2012 durchgeführten Erörterungstermin zu dem Klageverfahren S 35 AS 1675/09 erklärte der Kläger den Feststellungsantrag bezüglich des Fachanwaltslehrgangs Verwaltungsrecht für erledigt. Mit Beschluss des SG vom 12.1.2012 wurde das Klageverfahren S 35 AS 1675/09 mit dem Klageverfahren S 35 AS 1137/09 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 35 AS 1137/09 fortgeführt. Nach weiteren Schreiben des Klägers wies das SG nach mündlicher Verhandlung vom 27.2.2013 mit Urteil vom selben Tag die Klagen ab.
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Gegen das ihm am 4.4.2013 zugestellte Urteil des SG erhob der Kläger Berufung beim LSG, die (zusammen mit einer hinzuverbundenen Berufung) durch Beschluss vom 22.3.2017 zurückgewiesen wurde. Seine Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BSG mit Beschluss vom 23.1.2018 (B 14 AS 318/17 B) als unzulässig verworfen.
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Nachdem das LSG als Entschädigungsgericht mit Beschluss vom 11.4.2014 dem Kläger Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Klage auf Entschädigung von 2000 Euro wegen überlanger Dauer des beim SG unter dem Aktenzeichen S 35 1675/09 geführten Klageverfahrens (nachfolgend: Ausgangsverfahren) bewilligt hatte, hat der Kläger am 15.4.2014 Entschädigungsklage in dieser Höhe erhoben. Mit Urteil vom 24.1.2019 hat das Entschädigungsgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Entschädigung. Im Ausgangsverfahren seien zwar bereits bis zum 3.12.2011 (Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren <ÜGG>) Phasen gerichtlicher Inaktivität im Umfang von 20 Kalendermonaten und im restlichen Zeitabschnitt bis zur Urteilszustellung im Umfang von weiteren 7 Kalendermonaten aufgetreten. Abzüglich einer Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 12 Monaten übersteige die Verfahrensdauer das angemessene Maß um 15 Kalendermonate. Es fehle aber an einer vom Kläger unverzüglich erhobenen Verzögerungsrüge. Da das Ausgangsverfahren schon zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÜGG am 3.12.2011 verzögert gewesen sei, hätte die Verzögerungsrüge vom Kläger binnen drei Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes beim Ausgangsgericht erhoben werden müssen. Von den vom Kläger als Rügen benannten Schreiben vom 15.11.2011, 22.12.2011, 17.7.2012, 18.1.2013, 31.7.2013 und 4.8.2013 seien nur die Schreiben vom 15.11.2011 und 22.12.2011 vor Ablauf dieser Dreimonatsfrist beim SG eingegangen. Bei dem Schreiben des Klägers vom 15.11.2011 handele es sich bereits deshalb nicht um eine Verzögerungsrüge, weil maßgeblich allein Äußerungen seien, die nach dem Inkrafttreten des ÜGG an das Ausgangsgericht herangetragen worden seien. Auch das Telefax-Schreiben des Klägers vom 22.12.2011 sei keine auf das Ausgangsverfahren bezogene Verzögerungsrüge. Dieses Schreiben weise weder das Aktenzeichen des Ausgangsverfahrens aus noch sei es zu dessen Akte gelangt. Zwar sei ihm zu entnehmen, dass der Kläger die überlange Dauer seiner "bereits seit fast drei Jahren anhängigen Fälle" rügen wolle. Damit sei der Kreis der wegen überlanger Dauer gerügten Verfahren aber nicht eindeutig zu bestimmen. Daran ändere auch die Bezugnahme auf das Schreiben vom 15.11.2011 nichts. Eine Verzögerungsrüge müsse sich auf ein konkret mit Aktenzeichen benanntes oder auf andere Weise eindeutig bestimmbares Ausgangsverfahren beziehen, sonst werde sie ihrer Warnfunktion nicht gerecht. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass hier sämtliche Verfahren des Klägers bei einer Kammer anhängig gewesen seien. Dahingestellt bleiben könne, ob die Schreiben des Klägers vom 17.7.2012 und 18.1.2013 als Verzögerungsrügen für das erstinstanzliche Ausgangsverfahren zu werten seien. Denn für die Zeit ab dem möglichen Rügezeitpunkt 17.7.2012 liege keine entschädigungspflichtige Verzögerung (7 Kalendermonate Verzögerung abzüglich 12 Kalendermonate Vorbereitungs- und Bedenkzeit) vor.
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Gegen dieses Urteil des Entschädigungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers. Er rügt eine Verletzung des § 198 GVG und des Art 23 ÜGG sowie der §§ 133, 157 BGB und führt ua aus, das Entschädigungsgericht habe zu Unrecht sein auf das Schreiben vom 15.11.2011 Bezug nehmendes Schreiben vom 22.12.2011 nicht als Verzögerungsrüge ausgelegt, indem es keine unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips am wirklichen Willen des Entschädigungsklägers orientierte Auslegung vorgenommen habe. Eine besondere Form für die Verzögerungsrüge sei nicht vorgeschrieben. Daher könne sie ohne Benennung eines Aktenzeichens in einem Sammelschreiben beim Gericht erhoben werden. Könne ein Richter einer Verzögerungsrüge nicht entnehmen, auf welches Verfahren sie sich beziehe, habe er die Pflicht beim Rügenden nachzufragen.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Januar 2019 aufzuheben und das beklagte Land zu verurteilten, dem Kläger wegen der unangemessenen Dauer des vor dem Sozialgericht Potsdam zunächst unter dem Aktenzeichen S 31 AS 1675/09 und zuletzt unter dem Aktenzeichen S 35 AS 1137/09 geführten Klageverfahrens eine Entschädigung in Höhe von 2000 Euro zu zahlen.
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Das beklagte Land beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Es hält das angefochtene Urteil des Entschädigungsgerichts für zutreffend.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 Satz 1 SGG).
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das Entschädigungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger mangels wirksamer Verzögerungsrüge iS des § 198 Abs 3 GVG keinen Anspruch auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens nach § 198 Abs 1 Satz 1 GVG hat.
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A. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der vom Kläger ausschließlich geltend gemachte Anspruch auf Geldentschädigung iHv 2000 Euro wegen überlanger Dauer des vor dem SG Potsdam zunächst unter dem Aktenzeichen S 31 AS 1675/09, sodann unter dem Aktenzeichen S 35 AS 1675/09 und zuletzt unter dem Aktenzeichen S 35 AS 1137/09 geführten Klageverfahrens. Potentiell entschädigungspflichtig ist zwar gemäß § 198 Abs 6 Nr 1 GVG der gesamte Zeitraum eines Gerichtsverfahrens von dessen Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Die vom Kläger im Rahmen seiner Dispositionsbefugnis (vgl § 123 SGG) vorgenommene Begrenzung der Entschädigungsklage auf den Ausgleich des ihm infolge der unangemessenen Dauer des Klageverfahrens entstandenen Nachteils ist prozessrechtlich zulässig.Die Beschränkung auf einen Verfahrenszug - hier des Klageverfahrens - stellt einen abtrennbaren Teil des Entschädigungsanspruchs wegen unangemessener Dauer eines über mehrere Instanzen geführten Gerichtsverfahrens dar (vgl Senatsurteil vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 1/13 R - BSGE 118, 91 = SozR 4-1720 § 198 Nr 7, RdNr 21; BVerwG Urteil vom 27.2.2014 - 5 C 1/13 D - juris RdNr 11 - 13).
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Der Senat hat das Begehren des Klägers sowohl in prozessualer als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht an §§ 198 ff GVG zu messen, weil das ÜGG in seinem Fall anwendbar war. Art 23 Satz 1 Alternative 1 ÜGG eröffnet Entschädigungsansprüche auch für solche Verfahren, die wie das Ausgangsverfahren bei Inkrafttreten des ÜGG am 3.12.2011 bereits anhängig waren.
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B. Die Entschädigungsklage ist zulässig.
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1. Die Entschädigungsklage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft (§ 54 Abs 5 SGG; vgl stRspr, zB Senatsurteil vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 11/13 R - BSGE 118, 102 = SozR 4-1720 § 198 Nr 9, RdNr 15; Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 5 RdNr 17).
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2. Die Wartefrist des § 198 Abs 5 Satz 1 GVG iVm Art 23 Satz 1 ÜGG, wonach eine Entschädigungsklage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden kann, ist ausgehend von dem am 22.12.2011 beim SG als Ausgangsgericht per Telefax zum Aktenzeichen S 35 AS 2934/11 eingegangenen Schreiben vom selben Tage, das der Kläger als unverzüglich erhobene Verzögerungsrüge verstanden wissen will, gewahrt. Denn der Kläger hat die Entschädigungsklage beim LSG als Entschädigungsgericht (§ 201 Abs 1 Satz 1 GVG iVm § 202 Satz 2 SGG) erst am 15.4.2014 erhoben.
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3. Auch die Klagefrist des § 198 Abs 5 Satz 2 GVG hat der Kläger eingehalten. Er hat bereits vor Rechtskraft des Ausgangsverfahrens einen Antrag auf PKH für das beabsichtigte Entschädigungsverfahren gestellt und nach Zustellung des PKH bewilligenden Beschlusses des Entschädigungsgerichts vom 11.4.2014 unverzüglich am 15.4.2014 Klage erhoben.
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C. Die Entschädigungsklage ist unbegründet.
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Dem Kläger steht kein Entschädigungsanspruch zu. Denn er hat keine Verzögerungsrüge bezogen auf das Ausgangsverfahren erhoben.
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Zu Recht ist das Entschädigungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass dem vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruch zunächst Art 23 Satz 2 ÜGG iVm § 198 Abs 3 GVG entgegensteht, weil der Kläger keine Verzögerungsrüge unverzüglich iS des Art 23 Satz 2 ÜGG - dh spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des ÜGG - beim Ausgangsgericht bezogen auf das hier einschlägige Ausgangsverfahren erhoben hat (dazu unter 1.). Wird die Verzögerungsrüge in einem beim Inkrafttreten des ÜGG bereits anhängigen Verfahren nicht unverzüglich erhoben, ist eine Entschädigung zwar nur bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt ausgeschlossen. Dahingestellt bleiben kann, ob die vom Kläger verfassten Schreiben vom 17.7.2012 und 18.1.2013 als Verzögerungsrügen in Bezug auf das Ausgangsverfahren anzusehen sind. Selbst wenn bereits das Schreiben vom 17.7.2012 eine das Ausgangsverfahren betreffende Verzögerungsrüge beinhalten sollte, ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Entschädigungsgericht die Zeitspanne ausgehend von einem möglichen Rügezeitpunkt vom 17.7.2012 bis zum Abschluss des Ausgangsverfahrens im April 2013 nicht als eine entschädigungspflichtige Verzögerung gewertet hat (dazu unter 2.).
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1. Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter gemäß § 198 Abs 3 Satz 1 GVG nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat. Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist (§ 198 Abs 3 Satz 2 GVG). Für anhängige Verfahren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÜGG am 3.12.2011 schon verzögert waren, gilt dies mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden muss (Art 23 Satz 2 ÜGG). In diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge den Entschädigungsanspruch auch für den vorangegangenen Zeitraum (Art 23 Satz 3 ÜGG; vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum ÜGG vom 17.11.2010, BT-Drucks 17/3802 S 31 zu Art 22; Senatsurteil vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 3/16 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 14 RdNr 19; Senatsbeschluss vom 26.10.2015 - B 10 ÜG 13/15 B - juris RdNr 6; BGH Urteil vom 17.7.2014 - III ZR 228/13 - juris RdNr 15). Für bereits vor dem Inkrafttreten des ÜGG erhobene Verzögerungsrügen gilt dies allerdings nicht. Da sie keine präventive Warnfunktion iS des § 198 Abs 3 GVG entfalten konnten, sind sie nicht geeignet, einen Entschädigungsanspruch zu begründen (Senatsbeschluss vom 26.10.2015 - B 10 ÜG 13/15 B - juris RdNr 6; Senatsbeschluss vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 11/14 B - juris RdNr 13; BGH Urteil vom 17.7.2014 - III ZR 228/13 - juris RdNr 15; BFH Urteil vom 20.8.2014 - X K 9/13 - juris RdNr 21; BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - juris RdNr 25).
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Das Ausgangsverfahren vor dem SG war bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÜGG verzögert (dazu unter a). Der Kläger hat jedoch bezogen auf dieses Verfahren keine Verzögerungsrüge innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist (Art 23 Satz 2 ÜGG) erhoben (dazu unter b).
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a) Das Ausgangsverfahren war nach den Feststellungen des Entschädigungsgerichts bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ÜGG verzögert. Dies steht zu Recht zwischen den Beteiligten außer Streit. Das Entschädigungsgericht hat insoweit bereits Phasen gerichtlicher Inaktivität im Umfang von 20 Kalendermonaten festgestellt, so dass auch nach Abzug einer Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 12 Monaten eine überlange Verfahrensdauer von 8 Monaten gegeben war und damit eine rügepflichtige Situation vorlag. Ob zu diesem Zeitpunkt bereits weitere Verzögerungsmonate zu verzeichnen sind, wie der Kläger meint, bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung.
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b) Der Kläger hat keine Verzögerungsrüge bezogen auf das Ausgangsverfahren unverzüglich iS des Art 23 Satz 2 ÜGG beim Ausgangsgericht erhoben.
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Unverzüglich ist eine Verzögerungsrüge erhoben, wenn sie spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des ÜGG beim Ausgangsgericht eingegangen ist (stRspr, zB Senatsurteil vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 3/16 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 14 RdNr 19; Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 5 RdNr 27; BGH Urteil vom 17.7.2014 - III ZR 228/13 - juris RdNr 22; BFH Urteil vom 20.8.2014 - X K 9/13 - juris RdNr 23). Da das ÜGG am 3.12.2011 in Kraft trat, lag von den vom Kläger als "Verzögerungsrügen" bezeichneten Schreiben nur das am 22.12.2011 beim SG per Telefax zum Aktenzeichen S 35 AS 2934/11 eingegangene Schreiben vom selben Tag noch innerhalb der dem Kläger eingeräumten Dreimonatsfrist. Das Schreiben vom 15.11.2011 scheidet - wie oben ausgeführt - schon deshalb als (eigenständige) Verzögerungsrüge iS des § 198 Abs 3 GVG aus, weil es vor Inkrafttreten des ÜGG beim SG eingegangen war. Die Anforderungen an eine den Vorgaben des ÜGG entsprechende Verzögerungsrüge (dazu unter c) werden von dem Schreiben des Klägers vom 22.12.2011 bezogen auf das hier einschlägige Ausgangsverfahren hingegen nicht erfüllt (dazu unter d).
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c) Welche konkreten Anforderungen an eine Verzögerungsrüge zu stellen sind, hat der ÜGG-Gesetzgeber nicht normiert. Vielmehr stellt der Wortlaut des insoweit maßgeblichen § 198 Abs 3 GVG keine besonderen Anforderungen an die Form oder den Mindestinhalt einer Verzögerungsrüge (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.12.2015 - 1 BvR 3164/13 - juris RdNr 30; BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - juris RdNr 27). Der Norm ist lediglich zu entnehmen, dass ein Verfahrensbeteiligter (§ 198 Abs 6 Nr 2 GVG) nur dann eine Entschädigung erhält, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Satz 1). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist (Satz 2). Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen (Satz 3). Anderenfalls werden sie vom Entschädigungsgericht bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt (Satz 4). Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge (Satz 5).
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Ein Schriftformerfordernis statuiert § 198 GVG für die Verzögerungsrüge anders als im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht (vgl § 97b Abs 1 Satz 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG). In den Gesetzesmaterialien ist allerdings verlautbart, dass die Verzögerungsrüge auch mündlich erhoben werden kann (BT-Drucks 17/3802 S 22 zu Abs 5 Satz 1; zustimmend BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - juris RdNr 27; zur Problematik des Formerfordernisses einer Verzögerungsrüge s auch Loytved, jurisPR-SozR 19/2019 Anm 4). Der Senat hat diese Frage bislang offen gelassen (Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 2/14 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 5 RdNr 28). Allerdings dürfte die schriftliche Einlegung einer Verzögerungsrüge zur Sicherstellung der Nachweisbarkeit für ein späteres Entschädigungsverfahren ratsam sein (Röhl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, Stand: 26.11.2019, § 198 GVG RdNr 87; Loytved, jurisPR-SozR 19/2019 Anm 4 C mwN).
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Die Verzögerungsrüge ist in jedem Fall beim Richter des Ausgangsverfahrens anzubringen. Dies folgt aus der Zweckbestimmung einer Verzögerungsrüge. Hierzu heißt es in den Gesetzesmaterialien, dass die Verzögerungsrüge dem das Ausgangsverfahren "bearbeitenden Richter" - soweit erforderlich - die (zukunftsgerichtete) Möglichkeit zu einer beschleunigten Verfahrensförderung eröffnen und insofern als Vorwarnung dienen soll (BT-Drucks 17/3802 S 20 zu Abs 3 Satz 1). Danach hat die Verzögerungsrüge den Charakter einer "Mahnung" (so Loytved, SGb 2014, 293, 295) an den beim Ausgangsgericht mit der konkreten Sache befassten Richter, eine drohende Verzögerung zu verhindern oder eine reale Verzögerung zu beseitigen und das Verfahren zügig zum Abschluss zu bringen. Deshalb muss die Verzögerungsrüge nach § 198 Abs 3 Satz 1 GVG bei dem Gericht erhoben werden, bei dem das Verfahren ("die Sache") anhängig ist (vgl BT-Drucks 17/3802 S 20 zu Abs 3 Satz 1). Damit korrespondierend bestimmt § 198 Abs 3 Satz 5 GVG, dass es einer "erneuten Verzögerungsrüge" bedarf, wenn sich das Verfahren bei einem "anderen Gericht" (zB höheres Gericht im Instanzenzug) weiter verzögert (vgl BT-Drucks 17/3802 S 21 zu Abs 3 Satz 5). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die mit einer Verzögerungsrüge bezweckte Warn- und Beschleunigungsfunktion nur dann hinreichend zum Tragen kommen kann, wenn sie unmittelbar gegenüber dem Richter erhoben wird, der das Ausgangsverfahren zu bearbeiten und zu entscheiden hat (ebenso Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG RdNr 204; vgl in diesem Kontext auch BT-Drucks 17/3802 S 21 zu § 198 Abs 3 Satz 2, wonach ein Abweichen von der in § 198 Abs 2 Satz 3 GVG normierten pauschalierten Entschädigungshöhe nach § 198 Abs 2 Satz 4 GG gerechtfertigt sein kann, wenn keine "weitere Rüge" erhoben wird, obwohl sich dies angesichts des Verfahrensgangs - wie etwa bei einem "Richterwechsel" - aufdrängt).
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An den Inhalt einer Verzögerungsrüge sind nach dem Willen des ÜGG-Gesetzgebers nur geringe Anforderungen zu stellen (vgl bereits Senatsurteil vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 11/13 R - BSGE 118, 102 = SozR 4-1720 § 198 Nr 9, RdNr 32). Ausweislich der Gesetzesmaterialien muss der Beteiligte lediglich zum Ausdruck bringen, dass er mit der Verfahrensdauer nicht einverstanden ist und eine Beschleunigung des Verfahrens verlangt (BT-Drucks 17/3802 S 21 zu Abs 3 Satz 3). Ist dies dem Inhalt einer Erklärung in Verbindung mit den Umständen, die für das Gericht offensichtlich sind, zu entnehmen, so wäre es eine bloße Förmelei, diese Erklärung allein deshalb nicht als Verzögerungsrüge anzusehen, weil sie nicht als solche ausdrücklich bezeichnet oder - insbesondere von nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten - unzulänglich formuliert ist (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.12.2015 - 1 BvR 3164/13 - juris RdNr 31 f; BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - juris RdNr 27; Wenner, SozSich 2014, 118, 120; Heine, MDR 2013, 1147, 1148).
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Der die Verfahrensdauer rügende Beteiligte muss nicht begründen, woraus sich die Unangemessenheit der Verfahrensdauer ergibt und welche Alternativen zur Verfahrensgestaltung in Betracht kommen (anders im verfassungsgerichtlichen Verfahren, wonach nach § 97b Abs 1 Satz 3 BVerfGG die Umstände, die die Unangemessenheit der Verfahrensdauer begründen, darzulegen sind). Vorbild für diese Gestaltung ist nach den Gesetzesmaterialien der Widerspruch im Verwaltungsverfahren, an dessen Inhalt keine hohen Anforderungen gestellt werden (BT-Drucks 17/3802 S 21 zu Abs 3 Satz 3; Guckelberger, DÖV 2012, 291, 293; vgl zum Widerspruch im Sozialverwaltungsverfahren B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 83 RdNr 2, wonach bei der Auslegung eine "großzügige Handhabung ratsam" sei). Unterlässt es der Rügende Umstände zu benennen, die für das Maß der gebotenen Zügigkeit wichtig, aber noch nicht in das Verfahren eingeführt sind, ordnet § 198 Abs 3 Satz 4 GVG an, dass diese Aspekte bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht zu berücksichtigen sind. Aus der benannten Regelung kann indes nicht abgeleitet werden, dass eine Pflicht zur Begründung besteht, bei deren Fehlen der Verzögerungsrüge eben diese Rechtsnatur abgesprochen werden kann (vgl BT-Drucks 17/3802 S 21 zu Abs 3 Satz 3, Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags 6. Ausschuss> vom 28.9.2011, BT-Drucks 17/7217 S 27). Eine Verletzung der Hinweispflicht des Rügenden nach § 198 Abs 3 Satz 3 GVG kann gemäß § 198 Abs 3 Satz 4 GVG somit lediglich zu einer Verkürzung der entschädigungsrelevanten Überlänge führen (vgl Senatsurteil vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 11/13 R - BSGE 118, 102 = SozR 4-1720 § 198 Nr 9, RdNr 32, 34).
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Die Verzögerungsrüge ist eine materielle Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch (Senatsbeschluss vom 13.7.2017 - B 10 ÜG 2/17 B - juris RdNr 11; Senatsbeschluss vom 27.6.2013 - B 10 ÜG 9/13 B - SozR 4-1710 Art 23 Nr 1 RdNr 27; ebenso BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - juris RdNr 24). Sie stellt als solche eine haftungsbegründende Obliegenheit des (späteren) Entschädigungsklägers dar (BT-Drucks 17/3802 S 21 zu Abs 3 Satz 3; Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drucks 17/3802 S 43 zu Nr 18; BGH Urteil vom 17.7.2014 - III ZR 228/13 - juris RdNr 14; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 4 RdNr 142; Söhngen in Hennig, SGG, § 202 RdNr 83, Stand der Einzelkommentierung: Februar 2016).
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Die Verzögerungsrüge ist aber kein eigenständiger (präventiver) Rechtsbehelf (BT-Drucks 17/3802 S 21 zu Abs 3 Satz 3 und S 43 zu Nr 18). Bei ihr handelt es sich auch nicht um eine Prozesshandlung im engeren Sinne, weil sie auf das Prozessrechtsverhältnis zwischen den Beteiligten und dem Gericht im Ausgangsverfahren nicht unmittelbar rechtsgestaltend einwirkt (BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - juris RdNr 28; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 4 RdNr 143). Der Senat lässt dahinstehen, ob deshalb die an Prozesshandlungen zu stellenden Anforderungen im Hinblick auf die Klarheit, Eindeutigkeit und Bedingungsfeindlichkeit derartiger Äußerungen für die Verzögerungsrüge nicht gelten (so aber BFH Zwischenurteil vom 7.11.2013 - X K 13/12 - juris RdNr 28). Jedenfalls weist die Verzögerungsrüge Elemente einer Prozesshandlung auf. So gelten für sie bestimmte Fristen (vgl § 198 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG, Art 23 Satz 2 ÜGG). Vor allem aber soll sie dazu dienen, das Ausgangsverfahren zu beschleunigen, weshalb sie in den Gesetzesmaterialien ausdrücklich auch als "Beschleunigungsrüge" bezeichnet wird (BT-Drucks 17/3802 S 21 zu Abs 3 Satz 3). Sie soll im jeweiligen Einzelfall eine "konkret-präventive Beschleunigungswirkung" (so BT-Drucks 17/3802 S 16 zu Nr 4) auf das Ausgangsverfahren entfalten und nach der gesetzlichen Konzeption so dazu beitragen, dass es nicht zu einer (weiteren) entschädigungspflichtigen Verzögerung kommt (BT-Drucks 17/3802 S 20 zu Abs 3 Satz 1). Insbesondere diese prozessuale Beschleunigungsfunktion der Verzögerungsrüge rechtfertigt es, sie als "Prozesshandlung eigener Art" (so Loytved, jurisPR-SozR 19/2019 Anm 4 C; Bader in GK-ArbGG, § 9 RdNr 63h, Stand der Einzelkommentierung: Juni 2016; Natter in Natter/Gross, ArbGG, 2. Aufl 2013, Anhang zu § 9 RdNr 15) oder als "prozesshandlungsähnliches Rechtsinstitut" (so Frehse, Die Kompensation der verlorenen Zeit - Wenn Prozesse Pause machen, 2017, S 1044) anzusehen.
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Wegen des prozesshandlungsähnlichen Rechtscharakters sind im sozialgerichtlichen Verfahren für die Auslegung einer Erklärung als Verzögerungsrüge gleichwohl die für Prozesserklärungen geltenden Auslegungsgrundsätze entsprechend heranzuziehen (vgl im Ergebnis auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.12.2015 - 1 BvR 3164/13 - juris RdNr 33 f). Hierbei ist die Auslegungsregel des § 133 BGB für Willenserklärungen entsprechend anzuwenden (vgl Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG RdNr 209; Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 2013, § 198 GVG RdNr 119). Maßstab der Auslegung ist der objektive Empfängerhorizont (BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R - SozR 4-1500 § 192 Nr 2 RdNr 18; Röhl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, Stand: 26.11.2019, § 198 GVG RdNr 88 mwN). Dabei ist der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu beachten (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.12.2015 - 1 BvR 3164/13 - juris RdNr 33; BFH Urteil vom 26.10.2016 - X K 2/15 - juris RdNr 48).
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Für die Frage, ob eine Erklärung eine Verzögerungsrüge darstellt und welchen Inhalt sie hat, ist demnach nicht der innere Wille des erklärenden Beteiligten maßgebend, sondern der erklärte Wille, wie ihn das Ausgangsgericht bei objektiver Würdigung unter Berücksichtigung aller erkennbarer Umstände des Einzelfalls zu verstehen hatte (vgl Senatsurteil vom 13.12.2018 - B 10 ÜG 4/16 R - SozR 4-1500 § 92 Nr 5 RdNr 17 zur Auslegung eines Klageantrags einer Entschädigungsklage; BSG Urteil vom 14.6.2018 - B 9 SB 2/16 R - SozR 4-1500 § 92 Nr 4 RdNr 12 zur Auslegung eines Klageantrags im Schwerbehindertenverfahren; BVerwG Urteil vom 27.4.1990 - 8 C 70/88 - juris RdNr 23 zur Auslegung eines mehrdeutigen Schriftsatzes als Klageschrift; Senatsbeschluss vom 12.12.2019 - B 10 EG 3/19 B - juris RdNr 9 allgemein zur Auslegung von Prozesserklärungen). Dabei ist am Wortlaut anzusetzen, aber nicht buchstäblich daran zu haften, vielmehr tritt er hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Bei der Ermittlung des wirklichen Willens ist zugunsten des Erklärenden davon auszugehen, dass er diejenige Erklärung abgeben will, die seiner wohlverstandenen Interessenlage entspricht und eingelegt werden muss, um das erkennbar angestrebte Ziel zu erreichen (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.12.2015 - 1 BvR 3164/13 - juris RdNr 33; BVerwG Urteil vom 27.8.2008 - 6 C 32/07 - juris RdNr 23; BVerwG Urteil vom 12.12.2001 - 8 C 17/01 - juris RdNr 8; Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 2013, § 198 GVG RdNr 119). Die Auslegung muss sich am Gesamtinhalt des aus den eingereichten Schriftsätzen erkennbaren Rechtsschutzbegehrens des Erklärenden ausrichten. Gegebenenfalls hat sie deshalb auch den Inhalt mehrerer zum Ausgangsverfahren ergangener Schriftsätze im Zusammenhang zu bewerten (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.12.2015 - 1 BvR 3164/13 - juris RdNr 37; Senatsurteil vom 13.12.2018 - B 10 ÜG 4/16 R - SozR 4-1500 § 92 Nr 5 RdNr 17; BSG Urteil vom 22.3.1988 - 8/5a RKn 11/87 - juris RdNr 11; Röhl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl 2017, Stand: 26.11.2019, § 198 GVG RdNr 88).
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Die Auslegung einer Erklärung als Verzögerungsrüge durch das Entschädigungsgericht ist vom Revisionsgericht in vollem Umfang und ohne Bindung an die vorinstanzliche Auslegung zu überprüfen (vgl auch BFH Zwischenurteil vom 7.11. 2013 - X K 13/12 - juris RdNr 29 f; vgl zu Prozesserklärungen: Senatsurteil vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 1/17 R - SozR 4-1710 Art 23 Nr 5 RdNr 19; BSG Urteil vom 23.2.2017 - B 11 AL 2/16 R - juris RdNr 15).
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d) Nach den vorgenannten Maßstäben handelt es sich bei dem per Telefax beim SG eingegangenen Schreiben des Klägers vom 22.12.2011 nicht um eine Verzögerungsrüge bezogen auf das hier allein in Rede stehende Ausgangsverfahren.
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aa) Dem steht bereits entgegen, dass dieses Schreiben vom Kläger zu einem Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 35 AS 2934/11 übersandt und deshalb nicht zur Akte des Ausgangsverfahrens gelangt ist. Schon aus diesem Grund konnte das Schreiben den vom ÜGG-Gesetzgeber mit einer Verzögerungsrüge verfolgten Zweck einer präventiven Warnung an den mit der konkreten Sache befassten Richter, dass er das Ausgangsverfahren fördern und in angemessener Zeit zum Abschluss bringt soll, nicht erfüllen. Dass das SG dieses vom Kläger ausdrücklich nur mit dem Aktenzeichen S 35 AS 2934/11 gekennzeichnete Schreiben fehlerhaft dem mit einem anderen Aktenzeichen versehenen Ausgangsverfahren nicht zugeordnet hat, ist für den Senat nicht ersichtlich.
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bb) Unabhängig davon stellt es aber auch von seinem Inhalt her keine auf das Ausgangsverfahren bezogene Verzögerungsrüge dar.
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Bei dem Schreiben vom 22.12.2011 handelt es sich um ein an diesem Tag beim SG eingegangenes 21-seitiges Telefax. Auf seiner ersten Seite befindet sich ein vom Kläger selbst erstelltes Empfangsbekenntnis zu der am 19.12.2011 vom SG abgesandten Ladung zum 11.1.2012 um 9.30 Uhr in dem Rechtsstreit S 35 AS 2934/11. Auf Seite 2 des Faxes (Seite 3 ist inhaltsgleich) wird unter 1.) auf die anliegende Kopie eines mehrseitigen WG-Vertrags (Seiten 4 ff des Faxes) hingewiesen. Unter 2.) bittet der Kläger das Gericht um einen "ungefähren Ablaufplan" der Verhandlung. Unter 3.) heißt es schließlich ua wie folgt:
"Im Übrigen hätte der Kläger sich angesichts seines Schreibens vom 15. November 2011 mit seiner Beschwerde über eine kurzfristige Verschiebung des anberaumten Verhandlungstermins eine Stellungnahme des Gerichts erwünscht.
An dieser Stelle kann der Kläger deshalb nur noch ein weiteres Mal die bisherigen Verzöge-rungen in der Bearbeitung seiner bereits seit fast drei Jahren anhängigen Fälle rügen. Es wäre eine Sache, wenn in den anhängigen Fällen immer etwas geschehen wäre. Tatsache aber ist, dass diese größtenteils bei Gericht einfach nur rumlagen und absolut nichts geschehen ist.
Der Kläger hat seine Klage eingereicht. Die Beklagte hat auf die Klage erwidert - meistens nur mit Verweis auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden. Und dann ist - bis zur Anberaumung der mündlichen Verhandlung zwei-ein-halb Jahre später - nichts mehr geschehen. Und die mündliche Verhandlung wurde dann auch noch ohne wirkliche Angabe von Gründen einfach verschoben.
In Anbetracht, dass es sich hier um Fälle aus dem Rechtskreis des SGB II handelt, also um Fälle, bei denen es um das sozio-kulturelle Existenzminimum geht, ist das besonders bedauerlich. (…)"
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Zwar ist diesem Schreiben - wenn auch in der vom prozesserfahrenen Kläger gewählten äußeren Aufmachung überraschend und an eher versteckter Stelle (vgl hierzu Lückemann in Zöller, ZPO, 33. Aufl 2020, § 198 GVG RdNr 9) - bei der gebotenen rechtsschutzgewährenden Auslegung zu entnehmen, dass der Kläger die überlange Dauer von Verfahren "aus dem Rechtskreis des SGB II" rügen wollte. Bei diesen Verfahren handelt es sich nach dem Wortlaut der Erklärung um seine "bereits seit fast drei Jahren anhängigen Fälle", die "größtenteils bei Gericht einfach nur rumlagen" und bei denen bis auf Klageeinreichung und Klageerwiderung "absolut nichts geschehen" sei.
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Diese unbestimmten Angaben des Klägers ermöglichen dem SG aber keine klare Zuordnung zu den Verfahren, deren überlange Dauer der Kläger mit diesen Äußerungen möglicherweise konkret rügen wollte. Zwar könnten die Formulierung "seiner bereits seit fast drei Jahren anhängigen Fälle" und der Hinweis auf den kurzfristig verschobenen Verhandlungstermin auch auf das streitgegenständliche Ausgangsverfahren hindeuten, das bei Eingang der Rüge seit rund 2 Jahren und 8 Monaten anhängig war und bei dem der bereits anberaumte Erörterungstermin verlegt wurde. Diese Deutung wird jedoch schon dadurch relativiert, dass der Kläger pauschal darauf hinweist, dass in diesen Verfahren "absolut nichts geschehen" sei. Bezogen auf das hier relevante Ausgangsverfahren trifft dies in der vom Kläger gewählten allgemeinen Formulierung jedenfalls insoweit nicht zu, als dass er in diesem Verfahren mit Schreiben vom 5.2.2010 ein Ablehnungsgesuch gegen die für das Ausgangsverfahren zuständige Kammervorsitzende wegen Besorgnis der Befangenheit gestellt hatte und dieses Ablehnungsgesuch vom LSG mit Beschluss vom 23.3.2010 zurückgewiesen wurde.
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Eine hinreichende verfahrensbezogene Konkretisierung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem kurzen Hinweis auf das Schreiben vom 15.11.2011. Denn der Kläger erwähnt dieses Schreiben lediglich im Zusammenhang mit "seiner Beschwerde über eine kurzfristige Verschiebung des anberaumten Verhandlungstermins" und beklagt sich in seinem Schreiben vom 22.12.2011 lediglich darüber, dass das Gericht hierzu nicht die vom ihm erwünschte Stellungnahme abgegeben hat. Erschwerend für eine klare Zuordnung zum Ausgangsverfahren kommt in diesem Kontext schließlich noch hinzu, dass das Schreiben vom 22.12.2011 mit einem Aktenzeichen versehen war, welches keinem der 14 Verfahren zugeordnet werden konnte, die vom Ausgangsgericht mit richterlicher Verfügung vom 14.10.2011 zusammen mit dem hier in Rede stehenden Ausgangsverfahren zum Erörterungstermin auf den 16.11.2011 geladen und später mit richterlicher Verfügung vom 14.11.2011 auf den 11.1.2012 verlegt wurden.
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cc) Eine Verzögerungsrüge iS des § 198 Abs 3 GVG muss sich aber auf ein mit Aktenzeichen benanntes oder jedenfalls nach dem Inhalt der Erklärung klar bestimmbares Verfahren beim Ausgangsgericht beziehen. Denn nur dann kann sie ihre vom Gesetzgeber bezweckte konkret-präventive Beschleunigungswirkung auf das Ausgangsverfahren entfalten.
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Die Benennung eines Aktenzeichens ist zwar keine Rechtspflicht der Beteiligten. Es handelt sich bei ihr vorrangig um eine bloße Ordnungsregel. Sie soll die Weiterleitung eines Schreibens oder Schriftsatzes innerhalb des Gerichts erleichtern und dort für eine rasche verfahrensbezogene Zuordnung und Bearbeitung sorgen (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 19.3.2018 - 1 BvR 2313/17 - juris RdNr 12; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 12.12.2012 - 2 BvR 1294/10 - juris RdNr 14; BGH Beschluss vom 10.6.2003 - VIII ZB 126/02 - juris RdNr 16; OLG Karlsruhe Beschluss vom 14.3.2017 - 2 Ws 59/17 - juris RdNr 6). Mit dieser Zweckbestimmung unterstützen Aktenzeichen aber die grundsätzliche Zielsetzung des ÜGG, effektiven Rechtsschutz in angemessener Zeit (Art 19 Abs 4 GG und Art 20 Abs 3 GG sowie Art 6 Abs 1 EMRK) zu gewährleisten (BT-Drucks 17/3802 S 15 zu I Nr 1 und Nr 2). Eine klare verfahrensbezogene Zuordnung einer Verzögerungsrüge ist auch deshalb notwendig, weil sie sonst ihre vom ÜGG-Gesetzgeber bezweckte Warn- und Beschleunigungsfunktion nicht erfüllen kann. Denn die Verzögerungsrüge soll dem Richter, der das von einem Beteiligten als unangemessen lang empfundene Ausgangsverfahren bearbeitet, zu einer Förderung des Verfahrens anhalten und auf ihn dergestalt mahnend einwirken, dass er das Ausgangsverfahren nunmehr in angemessener Zeit zum Abschluss bringt (vgl BT-Drucks 17/3802 S 20 zu Abs 3 Satz 1; stRspr, zB Senatsbeschlüsse vom 23.5.2019 - B 10 ÜG 1/19 BH - juris RdNr 8 und B 10 ÜG 2/19 BH - juris RdNr 8; BVerwG Urteil vom 29.2.2016 - 5 C 31/15 D - juris RdNr 19). Entsprechend warnen und zur zügigen Arbeit anhalten kann eine Verzögerungsrüge den Ausgangsrichter aber nur, wenn er überhaupt erfährt, dass der Beteiligte im konkreten Verfahren die Verzögerung rügt. Deshalb darf eine Verzögerungsrüge insbesondere bei Beteiligten, die - wie hier der Kläger - eine Vielzahl von Verfahren bei einem Gericht anhängig haben, keinesfalls so allgemein gehalten und formuliert sein, dass es für dieses nicht klar erkennbar ist, welchem oder welchen Verfahren ein solches Schreiben als Verzögerungsrüge zuzuordnen ist. Daran ändert sich in der Regel auch nichts, wenn - wie hier - sämtliche Verfahren nur bei einem Spruchkörper des Gerichts anhängig sind. Selbst dann muss sich aus einer Verzögerungsrüge, die kein oder ein falsches Aktenzeichen trägt, jedenfalls auf andere Weise die Zuordnung zum konkreten Verfahren beim zuständigen Spruchkörper entnehmen lassen. Ist dies nicht möglich, geht die Rüge ins Leere und ist unwirksam.
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Für das Erfordernis, dass sich die Verzögerungsrüge auf ein mit Aktenzeichen benanntes oder jedenfalls nach dem Inhalt der Erklärung klar zuordenbares Verfahren beim Ausgangsgericht beziehen muss, spricht auch der spezielle Regelungsgehalt des § 198 Abs 3 GVG zur Rügeobliegenheit der Beteiligten. Nach § 198 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 GVG kann eine Verzögerungsrüge von einem Beteiligten erst (wirksam) erhoben werden, wenn im jeweiligen Ausgangsverfahren Anlass zur Besorgnis besteht, das Verfahren werde nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen. Wer eine Verzögerungsrüge bei einem Gericht erheben will, muss daher zunächst in jedem dort anhängigen Verfahren selbst prüfen, ob der konkrete Verfahrensstand diese Besorgnis rechtfertigt, er also (objektive) Anhaltspunkte dafür hat, dass das Verfahren als solches keinen angemessenen zügigen Fortgang nimmt (BT-Drucks 17/3802 S 20 zu Abs 3 Satz 2; BVerwG Urteil vom 12.7.2018 - 2 WA 1/17 D - juris RdNr 22; BFH Urteil vom 26.10.2016 - X K 2/15 - juris RdNr 47; BGH Urteil vom 21.5.2014 - III ZR 355/13 - juris RdNr 16; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG RdNr 188). Hier ermöglicht dem das Ausgangsverfahren bearbeitenden Richter nur eine verfahrensbezogene Konkretisierung der Verzögerungsbesorgnis des Beteiligten in der Rüge die Prüfung, ob und welche verfahrensfördernden Maßnahmen er im Hinblick auf diese Äußerung in der (jeweiligen) Sache sinnvollerweise - möglicherweise sogar sofort - einleiten muss. Unabhängig von der stets bestehenden Pflicht des Ausgangsrichters, das Gerichtsverfahren zu fördern und auf eine Entscheidung in angemessener Zeit hinzuwirken (vgl Senatsurteil vom 3.9.2014 - B 10 ÜG 12/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 4 RdNr 49; BVerwG Urteil vom 12.7.2018 - 2 WA 1/17 D - juris RdNr 32), besteht allerdings bei einer aus seiner Sicht unzureichenden oder unberechtigten Verzögerungsrüge gegenüber dem rügenden Beteiligten keine Äußerungs-, Hinweis- oder Hinwirkungspflicht nach § 106 Abs 1 SGG, weil es sich bei der Verzögerungsrüge nicht um einen (prozessualen oder materiell-rechtlichen) Gesichtspunkt handelt, den das Ausgangsgericht bei seiner verfahrensbeendenden Entscheidung tragend zu berücksichtigen hat (vgl Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG RdNr 177, Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, 9. Aufl 2018, § 198 GVG RdNr 19). Auch eine sonstige Verbescheidung der Rüge durch das Ausgangsgericht hat nicht zu erfolgen (vgl BT-Drucks 17/3802 S 20 zu Abs 3 Satz 1; BT-Drucks 17/7217 S 27; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 4 RdNr 143; Zimmermann in Krüger/Rauscher, Münchener Komm zur ZPO, 5. Aufl 2017, § 198 GVG RdNr 62). Ob im Ausgangsverfahren eine Verzögerungsrüge von einem Beteiligten nach § 198 Abs 3 GVG wirksam erhoben wurde, hat im Fall einer späteren Entschädigungsklage allein das Entschädigungsgericht zu prüfen.
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Vor allem aber verhält sich insbesondere ein Kläger, der - wie hier - eine Vielzahl von Verfahren beim Ausgangsgericht anhängig hat, widersprüchlich, wenn er einerseits eine Verzögerungsrüge erheben will und damit seinen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz in angemessener Zeit (Art 19 Abs 4 GG und Art 20 Abs 3 GG sowie Art 6 Abs 1 EMRK) anmahnt, andererseits aber die gewünschte Beschleunigung dadurch be- oder gar verhindert, dass er die als überlang empfundenen Verfahren weder durch Aktenzeichen noch auf andere Weise für das Gericht klar bezeichnet. Für einen Beteiligten ist es im Regelfall ohne Weiteres möglich und mit Blick auf die eingeforderte Verfahrensbeschleunigung in jeder Hinsicht zumutbar, dass er das oder die als unangemessen lang empfundenen Verfahren mit den dazugehörigen Aktenzeichen kennzeichnet oder zumindest so konkrete Verfahrensdaten benennt, die dem Gericht eine einfache, klare und zügige Zuordnung der Rüge zum jeweiligen Ausgangsverfahren erlauben (vgl Zimmermann in Münchener Komm zur ZPO, 5. Aufl 2017, § 198 GVG RdNr 55; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG RdNr 215; Marx in Marx/Roderfeld, Rechtsschutz bei überlangen Gerichts- und Ermittlungsverfahren, 2013, § 198 GVG RdNr 110). Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr als der Kläger Volljurist ist und ihm die üblichen Gepflogenheiten im Rechtsverkehr mit den Sozialgerichten vertraut sind. Das Entschädigungsgericht hat nicht festgestellt, dass der über reichhaltige Prozesserfahrung verfügende Kläger außerstande gewesen ist, eine Verzögerungsrüge zum Aktenzeichen des Ausgangsverfahrens einzureichen. Dies behauptet der Kläger auch selbst nicht.
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dd) Musste danach das Schreiben des Klägers vom 22.12.2011 nicht dem Ausgangsverfahren als Verzögerungsrüge zugeordnet werden, kann zur weiteren Präzisierung seines Inhalts nicht auf das zum Verfahren S 35 AS 1137/09 gelangte Schreiben vom 15.11.2011 zurückgegriffen werden. Dies wäre nur dann geboten, wenn das Schreiben vom 22.12.2011 als Verzögerungsrüge zum Ausgangsverfahren gelangt wäre und die für das Ausgangsverfahren zuständige Kammervorsitzende von seinem dann aktenkundigen Inhalt konkret verfahrensbezogene Kenntnis hätte nehmen können. Denn nur unter dieser Voraussetzung käme es darauf an, ob das Schreiben vom 15.11.2011 geeignet ist, den Inhalt des Schreibens vom 22.12.2011 bezogen auf das Ausgangsverfahren zu präzisieren und ihm damit für die zuständige Kammervorsitzende den Erklärungsgehalt einer in diesem Verfahren erhobenen Verzögerungsrüge mit präventiver Warnfunktion zu verschaffen. Von daher kann der Senat auch offen lassen, ob in einer wertenden Gesamtschau unter ergänzender Heranziehung des Schreibens des Klägers vom 15.11.2011 und den dort enthaltenen Rügen der Verschiebung des für den 16.11.2011 anberaumten Erörterungstermins sowie der "generellen Verzögerungen der zum Teil bereits seit Beginn des Jahres 2009 anhängigen Verfahren" der notwendige Präzisierungsgrad für eine Verzögerungsrüge bezogen auf das hier relevante Ausgangsverfahren erreicht ist. Aus diesem Grund braucht sich der Senat ebenfalls nicht mit dem Umstand zu befassen, dass auch das Schreiben vom 15.11.2011 vom Gericht nicht dem bis zum Verbindungsbeschluss vom 12.1.2012 unter dem Aktenzeichen S 35 AS 1675/09 geführten Ausgangsverfahren zugeordnet worden ist und welche rechtlichen Folgerungen aus dieser fehlenden Aktenzuordnung zu ziehen sind.
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2. Wird - wie hier - die Verzögerungsrüge in einem bei Inkrafttreten des ÜGG bereits anhängigen Verfahren nicht unverzüglich iS des Art 23 Satz 2 ÜGG erhoben, ist eine Entschädigung nur bis zum tatsächlichen Rügezeitpunkt ausgeschlossen (Senatsurteil vom 5.5.2015 - B 10 ÜG 8/14 R - SozR 4-1710 Art 23 Nr 4 RdNr 23 ff; BGH Urteil vom 10.4.2014 - III ZR 335/13 - juris RdNr 29). Dahingestellt bleiben kann, ob die vom Kläger verfassten Schreiben vom 17.7.2012 und 18.1.2013 als Verzögerungsrügen in Bezug auf das hier relevante Ausgangsverfahren anzusehen sind. Denn selbst wenn bereits das Schreiben vom 17.7.2012 zum Ausgangsverfahren gelangt sein und eine Verzögerungsrüge des Klägers bezogen auf das Ausgangsverfahren beinhalten sollte, ist es im hier vorliegenden Fall im Ergebnis jedenfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Entschädigungsgericht vor dem Hintergrund der Übergangsvorschrift des Art 23 Satz 2 und 3 ÜGG und der eingetretenen Präklusionswirkung für die Zeit vor der Rüge die Zeitspanne ausgehend von einem möglichen Rügezeitpunkt vom 17.7.2012 bis zum Abschluss des Ausgangsverfahrens im April 2013 unter Berücksichtigung einer (erneuten) Vorbereitungs- und Bedenkzeit des Ausgangsgerichts von 12 Monaten nicht als eine entschädigungspflichtige Verzögerung gewertet hat (vgl Senatsurteil vom 5.5.2015 - B 10 ÜG 8/14 R - SozR 4-1710 Art 23 Nr 4 RdNr 36).
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Die Schreiben des Klägers vom 31.7. und 4.8.2013 scheiden als auf das Ausgangsverfahren bezogene Verzögerungsrügen von vornherein aus, weil sie vom Kläger erst nach Abschluss des Ausgangsverfahrens angefertigt worden sind. Schon aus der präventiven Funktion einer Verzögerungsrüge folgt, dass sie mit entschädigungsanspruchsbegründender Wirkung überhaupt nur so lange erhoben werden kann, wie das Verfahren bei dem Gericht anhängig ist, dessen Verfahrensdauer vom Rügenden als unangemessen angesehen wird und dessen Beschleunigung er verlangt. Da danach für das Ausgangsgericht keine Möglichkeit zu einer Reaktion in der Verfahrensführung besteht, ist auch eine Verzögerungsrüge sinnlos (vgl Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG RdNr 191).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 Satz 6, § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 47 Abs 1 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1 GKG. Der Streitwert entspricht der vom Kläger mit der Revision geltend gemachten Entschädigungssumme.
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