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BSG 09.06.2011 - B 8 SO 3/10 R
BSG 09.06.2011 - B 8 SO 3/10 R - Sozialgerichtliches Verfahren - Beschränkung des Streitgegenstands - Sozialhilfe - kein einmaliger Bedarf - Wohnungserstausstattung nach Haftentlassung - Fernsehgerät
Normen
§ 95 SGG, § 31 Abs 1 Nr 1 SGB 12 vom 27.12.2003, § 19 Abs 1 SGB 12 vom 27.12.2003, § 19 Abs 1 SGB 12 vom 24.03.2011, § 27 SGB 12 vom 24.03.2011
Vorinstanz
vorgehend SG Schleswig, 30. Januar 2009, Az: S 15 SO 55/08, Urteil
vorgehend Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, 9. Dezember 2009, Az: L 9 SO 5/09, Urteil
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 9. Dezember 2009 aufgehoben und die Klage unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Schleswig vom 30. Januar 2009 insgesamt abgewiesen.
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Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Im Streit sind Leistungen zur Beschaffung eines Fernsehgerätes im Rahmen der Erstausstattung einer Wohnung.
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Der 1975 geborene Kläger bezog ab 1.10.2005 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) und beantragte am 18.10.2005 nach seiner Haftentlassung ua Leistungen für einen Fernseher und eine Satellitenanlage. Die Leistungsgewährung wurde abgelehnt (Bescheid vom 25.10.2005 der im Auftrag und im Namen des Landkreises handelnden Stadt Eutin; Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27.4.2006 unter Beteiligung sozialerfahrener Dritter).
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Das Sozialgericht (SG) Schleswig hat den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger eine einmalige Beihilfe für die Beschaffung eines Fernsehers in Höhe von 70 Euro zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen (Urteil vom 30.1.2009). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG dahin abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wurde, "über die Beihilfe für ein Fernsehgerät für den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden", und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 9.12.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, dass der Kläger nach § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII einen Anspruch auf Ausstattung mit einem Fernsehgerät im Rahmen der Erstausstattung seiner nach der Haftentlassung neu bezogenen Wohnung gegen den Beklagten habe. Ein Fernsehgerät sei ein wohnraumbezogener Ausstattungsgegenstand, der für ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen erforderlich sei. Allerdings räumten § 31 Abs 3, § 10 Abs 1 und 3 SGB XII dem Leistungsträger ein Auswahlermessen ein; danach könne er die in § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII bezeichneten Leistungen als Sachleistungen - auch in Form gebrauchter Fernsehgeräte - oder Geldleistungen, ggf in Form von Pauschalbeträgen, erbringen. Folglich habe der Kläger lediglich einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des dem Beklagten eingeräumten Auswahlermessens.
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Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung des § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII. Auch wenn ein Fernsehgerät Bestandteil des notwendigen Lebensunterhalts sei, komme dennoch hierfür eine Leistung im Rahmen einer Erstausstattung nicht in Betracht. Bei einem Fernsehgerät handele es sich weder um ein Haushaltsgerät noch um einen Einrichtungsgegenstand, sondern um ein Gerät aus dem Bereich der Unterhaltungselektronik, das jedenfalls nicht für eine geordnete Haushaltsführung erforderlich sei. Ohnedies habe der Kläger keinen Anspruch mehr auf die begehrte Sozialleistung, weil er seit dem 1.12.2009 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) beziehe.
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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Klage unter Abänderung des Urteils des SG insgesamt abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass er sich im Laufe der langen Verfahrensdauer selbst ein Fernsehgerät beschafft habe. Hinsichtlich der Frage, ob er unter das Leistungssystem des SGB II falle, sei noch ein Verfahren vor dem SG Lübeck anhängig.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf erneute Entscheidung über Leistungen für ein Fernsehgerät.
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Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 25.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.4.2006 (§ 95 SGG), soweit darin Leistungen für ein Fernsehgerät abgelehnt worden sind; gegen diesen Bescheid wendet sich der Kläger mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage, hilfsweise mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG). In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats zur Abtrennbarkeit von Leistungsansprüchen im Sinne eines eigenen Streitgegenstandes (vgl nur BSGE 103, 181 ff RdNr 13 mwN = SozR 4-3500 § 42 Nr 2; s auch das Urteil des 14. Senats des Bundessozialgerichts <BSG> vom 24.2.2011 - B 14 AS 75/10 R - RdNr 9 mwN), haben Beklagter, SG und LSG vorliegend zu Recht lediglich darüber, also nicht insgesamt über die dem Kläger zu gewährenden Sozialhilfeleistungen, entschieden. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist - mangels entsprechenden Begehrens des Klägers - die Gewährung eines Darlehens gemäß § 37 SGB XII.
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Die Klage richtet sich gegen den Landrat als beteiligtenfähige Behörde des Kreises Ostholstein (§ 70 Nr 3 SGG iVm § 5 des Schleswig-Holsteinischen Ausführungsgesetzes zum Sozialgerichtsgesetz vom 2.11.1953 - Gesetz- und Verordnungsblatt <GVBl> 144, in der Bekanntmachung vom 4.8.1965, GVBl 53, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.3.2011 - GVBl 72). Hieran ändert sich nichts dadurch, dass die Stadt Eutin im Namen und Auftrag des Landkreises gehandelt hat; in diesem Fall ist mangels Tätigwerdens unter eigenem Namen nicht der Bürgermeister der Stadt Eutin Behörde iS des § 70 Nr 3 SGG (näher dazu das Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R).
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Es kann dahinstehen, ob sich die Klage gegen den Ablehnungsbescheid wegen Wegfalls des Bedarfs beim Kläger erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <SGB X>) und deshalb unzulässig geworden ist, weil sich der Kläger nach seinem Revisionsvorbringen zwischenzeitlich selbst ein Fernsehgerät beschafft hat; wenn dies der Fall wäre, wäre das Urteil des LSG ebenfalls aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen, gleichgültig, wann der Kläger den Fernseher erhalten hat.
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Ob das LSG den für den Kläger möglicherweise (mittlerweile) zuständigen Leistungsträger des SGB II gemäß § 75 Abs 2 Satz 1 2. Alt SGG (sogenannte unechte notwendige Beiladung) von Amts wegen hätte beiladen müssen, ist vom Senat mangels erforderlicher Verfahrensrüge nicht zu entscheiden (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 75 RdNr 13b mwN zur Rspr). Eine Beiladung durch den Senat gemäß § 168 Satz 2 SGG ist nicht erforderlich, weil auch eine Verurteilung des SGB-II-Leistungsträgers nach der Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 24.2.2011 (aaO) nicht in Betracht kommt (dazu später).
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Nach § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII (idF, die die Norm durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022 - erhalten hat) iVm § 19 Abs 1 SGB XII und zusätzlich ab 1.11.2011 § 27 SGB XII werden Leistungen für Wohnungserstausstattungen einschließlich Haushaltsgeräten bei Bedürftigkeit gesondert erbracht. Die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Nr 1 SGB XII sind vorliegend nicht erfüllt. Insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen des 14. Senats des BSG zur inhaltlich identischen Parallelvorschrift des § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB II aF (vgl seit 1.1.2011 § 24 Abs 3 SGB II) im Urteil vom 24.2.2011 (B 14 AS 75/10 R - RdNr 13 ff) an. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Beklagten bedarf wegen der Klageabweisung keiner näheren Prüfung. Dies gilt in gleicher Weise für die Frage der Zulässigkeit der Heranziehung der Stadt Eutin, im Namen und Auftrag des Landkreises tätig zu werden, obwohl die maßgebliche Heranziehungssatzung für die Aufgaben des SGB XII erst am 1.1.2007 in Kraft getreten ist (näher dazu das Senatsurteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 11/10 R).
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Im Urteil vom 24.2.2011 hat der 14. Senat zu Recht ausgeführt, dass kein Anspruch auf ein Fernsehgerät im Rahmen der Erstausstattung einer Wohnung besteht, weil der Fernseher weder ein Einrichtungsgegenstand noch ein Haushaltsgerät im Sinne der Vorschrift ist, sondern der Befriedigung von Unterhaltungs- und Informationsbedürfnissen dient (vgl BSG, aaO, RdNr 21), sodass ein Fernseher aus dem Regelsatz des SGB XII bzw der Regelleistung (bzw ab 1.1.2011 der Regelbedarfsleistung) nach dem SGB II zu finanzieren ist. Ohne Bedeutung ist der Umstand, dass das LSG den Beklagten (nur) verurteilt hat, über den Antrag des Klägers neu zu befinden, weil auch die Zurverfügungstellung eines Fernsehgeräts möglich und zulässig sei, obwohl der Kläger bereits zum Zeitpunkt dieser Entscheidung oder später - Feststellungen dazu fehlen - einen Fernseher besaß, sodass die vom LSG entschiedenen Leistungsalternativen entweder bereits zum Zeitpunkt seiner Entscheidung überhaupt nicht mehr in Betracht kamen oder jetzt nicht mehr in Betracht kommen, sondern nur noch eine Geldleistung denkbar war oder ist. Welche materiellen und prozessualen Auswirkungen dies hätte, wenn der Kläger einen Leistungsanspruch besäße, kann hier offen bleiben. Ob der Kläger überhaupt die sonstigen Voraussetzungen für die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII erfüllt, bedarf ebenfalls keiner Prüfung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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