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BVerfG 31.01.2020 - 2 BvR 2592/18
BVerfG 31.01.2020 - 2 BvR 2592/18 - Nichtannahmebeschluss: Darlegungsanforderungen im Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO) und Rechtsschutzanspruch (Art 19 Abs 4 GG) - hier: Verletzung der Rechtsschutzgarantie oder des Gehörsanspruchs (Art 103 Abs 1 GG) im Klageerzwingungsverfahren nicht hinreichend dargelegt - Verfassungsbeschwerde unzulässig
Normen
Art 19 Abs 4 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 339 StGB
Vorinstanz
vorgehend OLG München, 26. Oktober 2018, Az: 3 Ws 1048/18, Beschluss
vorgehend OLG München, 26. September 2018, Az: 2 Ws 803/18 KL, Beschluss
Tenor
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Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe
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I.
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Der Beschwerdeführer befand sich seit dem 24. Juli 2015 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ("Umsatzsteuerkarussell") in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Kempten.
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Am 30. Juni 2015 verstarb die Mutter des Beschwerdeführers, die am 5. August 2015 in Berlin beigesetzt werden sollte. Mit Beschluss vom 3. August 2015 gestattete das Amtsgericht Augsburg gemäß § 119a Abs. 1 Satz 1 StPO auf seinen Antrag die Teilnahme an der Beerdigung in Berlin und ordnete die Ausführung an. Die JVA habe nicht hinreichend begründet, aus welchen Gründen dies personell und organisatorisch nicht durchzuführen sei.
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Am 4. August 2015 teilte die als Leiterin der JVA tätige Beschuldigte gegenüber der zuständigen Ermittlungsrichterin mit, dass sie den Beschluss vom 3. August 2015 nicht umsetzen könne; es fehle für eine Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 119a StPO an einer Ausgangsentscheidung der JVA. Die JVA nahm die Ausführung in der Folge nicht vor, sodass der Beschwerdeführer an der Beisetzung nicht teilnehmen konnte.
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Mit Beschluss vom 11. Juli 2016 stellte das Landgericht Augsburg die Rechtswidrigkeit der unterlassenen Ausführung fest.
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Mit Bescheid vom 9. Januar 2018 stellte die Staatsanwaltschaft Kempten das Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigte gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Für den Tatbestand der Rechtsbeugung fehle es bezogen auf den konkreten Einzelfall an der Leitungs- und Entscheidungskompetenz der Beschuldigten. Eine Freiheitsberaubung liege tatbestandlich nicht vor, da hierdurch lediglich die Freiheit der Ortsveränderung, nicht jedoch das Interesse am Aufsuchen eines bestimmten Ortes und dortigen Verweilen geschützt werde.
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Mit Bescheid vom 9. Juli 2018 gab die Generalstaatsanwaltschaft München der hiergegen erhobenen Beschwerde keine Folge; auf die zutreffenden Ausführungen der Staatsanwaltschaft werde Bezug genommen. Die Beschuldigte habe keine Rechtssache geleitet oder entschieden. Nachdem die Entscheidung vom 3. August 2015 zu diesem Zeitpunkt so nicht hätte ergehen dürfen, sei kein tatbestandliches Verhalten durch die Nichtbeachtung der in der Sache unzutreffenden Entscheidung gegeben. Mit ihrer mit den tatsächlichen Gegebenheiten des Vollzugs plausibel begründeten Entscheidung habe sich die Beschuldigte jedenfalls nicht in schwerwiegender Weise vom Gesetz entfernt. Eine Strafbarkeit wegen Nötigung scheitere an der Verwerflichkeit des Handelns, nachdem sich die Beschuldigte aus organisatorischen Gründen nicht zur Umsetzung des Beschlusses vom 3. August 2015 in der Lage gesehen habe. An der fehlenden Verwerflichkeit ändere auch die Feststellung der Rechtswidrigkeit der unterbliebenen Ausführung durch das Landgericht Augsburg nichts.
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Mit Beschluss vom 26. September 2018 verwarf das Oberlandesgericht München den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig. Die Antragsschrift erfülle die Voraussetzungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht vollständig. Zum subjektiven Tatbestand der Nötigung werde auf die als Anlage beigefügte Strafanzeige Bezug genommen; nähere Ausführungen hierzu fehlten. Zur Rechtsbeugung werde ohne nähere Begründung vorgetragen, dass die Beschuldigte in Kenntnis des Beschlusses vom 3. August 2015 aus sachwidrigen Motiven entschieden habe, den Beschwerdeführer nicht ausführen zu lassen. Im Hinblick auf die schwierige Rechtslage wäre - auch vor dem Hintergrund des Art. 24 Abs. 2 Satz 1 BayVollzG - eine Begründung für die Schlüssigkeit jedoch unabdingbar gewesen, zumal auch nicht vorgebracht werde, weshalb gegebenenfalls eine unrichtige Rechtsansicht der Beschuldigten ausgeschlossen werden könne.
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Die hiergegen gerichtete Anhörungsrüge wies das Oberlandesgericht zurück.
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II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist. Sie legt weder eine mögliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) noch der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) substantiiert dar (§ 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG).
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1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht (lediglich) dazu, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 42, 364 367 f.>; 47, 182 187>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 29. August 2017 - 2 BvR 863/17 -, Rn. 15; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Juni 2019 - 2 BvR 2579/17 -, Rn. 23; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Juli 2019 - 2 BvR 1082/18 -, Rn. 14; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 1. Oktober 2019 - 1 BvR 552/18 -, Rn. 8), nicht jedoch, deren (Rechts-)Auffassung zu folgen.
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a) Art. 103 Abs. 1 GG ist nur dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist (vgl. BVerfGE 25, 137 140>; 34, 344 347>; 47, 182 187>). Grundsätzlich geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Vorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. BVerfGE 40, 101 104 f.>; 47, 182 187>). Die Gerichte sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfGE 13, 132 149>; 42, 364 368>; 47, 182 187>). Deshalb müssen, wenn das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG feststellen soll, im Einzelfall besondere Umstände deutlich ergeben, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 27, 248 251 f.>; 42, 364 368>; 47, 182 187 f.>). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. BVerfGE 47, 182 189>; 86, 133 146>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 - 2 BvR 1107/16 -, Rn. 19).
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Inhalt und Grenzen einer auf Art. 103 Abs. 1 GG gestützten Verfassungsbeschwerde werden zudem maßgeblich durch die im fachgerichtlichen Verfahren erhobene Anhörungsrüge bestimmt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 27. Juni 2007 - 1 BvR 1470/07 -, Rn. 14; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 - 2 BvR 1107/16 -, Rn. 13; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 28. November 2018 - 2 BvR 882/17 -, Rn. 12). Sinn und Zweck der Anhörungsrüge, die Korrektur von Gehörsverletzungen vorrangig innerhalb des fachgerichtlichen Verfahrens zu ermöglichen, könnten jedenfalls dann nicht erfüllt werden, wenn die Rüge von Gehörsverstößen mit der Verfassungsbeschwerde allein davon abhinge, dass überhaupt ein als Anhörungsrüge bezeichneter Rechtsbehelf eingelegt wurde, ohne dass ein ernsthafter Versuch unternommen wird, die gerügte Verletzung inhaltlich zu belegen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Mai 2017 - 2 BvR 1107/16 -, Rn. 13).
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b) An diesen Anforderungen gemessen ist eine mögliche Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht dargetan. Die Verfassungsbeschwerde erschöpft sich - wie schon die Anhörungsrüge - darin, eine gegenüber dem Oberlandesgericht abweichende rechtliche Bewertung der Darlegungsanforderungen aus § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO bei der Würdigung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung vorzunehmen.
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Soweit der Beschwerdeführer mit Blick auf den Beschluss vom 26. September 2018 vorträgt, das Oberlandesgericht habe den an verschiedenen - näher bezeichneten - Stellen im Klageerzwingungsantrag enthaltenen Vortrag zur subjektiven Haltung der Beschuldigten übergangen, übersieht er nicht nur, dass dieser unter dem Blickwinkel von Art. 103 Abs. 1 GG durch den Beschluss vom 26. Oktober 2018 über die Anhörungsrüge überholt ist. Er vermag auch nicht darzulegen, dass das Oberlandesgericht entscheidungserheblichen (vgl. dazu Toepel, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl. 2017, § 240 Rn. 195; Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 240 Rn. 54; Valerius, in: v. Heintschel-Heinegg, Beck'scher Online-Kommentar StGB, § 240 Rn. 43 1. November 2019>) Vortrag insbesondere zum subjektiven Tatbestand der Nötigung nicht zur Kenntnis genommen hätte.
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c) Schließlich genügt die Anhörungsrüge nicht den materiellen Subsidiaritätsanforderungen, indem zum Beruhen lediglich konstatiert wird, dass der Beschwerdeführer mangels einer antragsgemäßen Entscheidung beschwert sei.
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2. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG darin erblickt, dass das Oberlandesgericht die Darlegungsanforderungen im Verfahren nach § 172 Abs. 3 StPO überspannt habe, muss der Verfassungsbeschwerde der Erfolg ebenfalls versagt bleiben.
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Zwar verbietet Art. 19 Abs. 4 GG, ein von der Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv zu machen und für den Rechtsmittelführer "leer laufen" zu lassen (vgl. BVerfGE 96, 27 39>). Auch dürfen Formerfordernisse nicht weitergehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt. Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BVerfGK 14, 211 214>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Juli 2016 - 2 BvR 2040/15 -, Rn. 13); § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO spricht von der Angabe der Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und der diese belegenden Beweismittel.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es verfassungsrechtlich jedoch unbedenklich, wenn diese Norm dahingehend ausgelegt wird, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts enthalten muss, der bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigt, und dass die Sachdarstellung in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für ihre Unrichtigkeit wiederzugeben hat, wodurch das Oberlandesgericht in die Lage versetzt werden soll, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen (vgl. BVerfGK 2, 45 50>; 5, 45 48>; 14, 211 214 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 13. April 2016 - 2 BvR 1155/15 -, Rn. 4; stRspr). Es verstößt insofern nicht gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, wenn von einem Antragsteller im Rahmen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO verlangt wird, dass er den für strafbar erachteten Sachverhalt in sich geschlossen so darstellt, dass dieser - als wahr unterstellt - die Erhebung der öffentlichen Klage gegen den Beschuldigten rechtfertigen würde (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Januar 2017 - 2 BvR 225/16 -, Rn. 6).
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Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht die Ausführungen zum subjektiven Tatbestand des § 339 StGB für unzureichend gehalten hat.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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