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BVerfG 10.10.2019 - 2 BvR 1380/19
BVerfG 10.10.2019 - 2 BvR 1380/19 - Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 19 Abs 4 S 1 GG iVm Art 2 Abs 2 S 1 GG durch unzureichende fachgerichtliche Sachaufklärung bzgl der Lebensbedingungen im Zielstaat der Abschiebung einer Mutter und ihres wenige Monate alten Säuglings - Zum Erfordernis einer konkret-individuellen Zusicherung Italiens bzgl der Überstellung besonders vulnerabler Asylsuchender im Zusammenhang mit dem sog "Salvini-Dekret" (Dekret Nr. 113/2018 vom 05.10.2018; juris: DL 113/2018 ITA) - Gegenstandswertfestsetzung
Normen
Art 2 Abs 2 S 1 GG, Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 60 Abs 2 AufenthG, § 60 Abs 5 AufenthG 2004, DL 113/2018 ITA, Art 4 EUGrdRCh, Art 3 MRK
Vorinstanz
vorgehend BVerfG, 4. September 2019, Az: 2 BvR 1380/19, Einstweilige Anordnung
vorgehend VG Würzburg, 25. Juli 2019, Az: W 4 S 19.50593, Beschluss
vorgehend VG Würzburg, 8. Juli 2019, Az: W 4 S 19.50575, Beschluss
Tenor
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Die Beschlüsse des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. Juli 2019 - W 4 S 19.50575 - und vom 25. Juli 2019 - W 4 S 19.50593 - verletzen die Rechte des Beschwerdeführers aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Die Entscheidungen werden aufgehoben und die Sache an das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg zurückverwiesen.
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Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und für das - mit Beschluss vom 4. September 2019 beschiedene - Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erstatten. Damit erledigt sich der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.
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Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 10.000 (in Worten: zehntausend) Euro und für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 5.000 (in Worten: fünftausend) Euro festgesetzt.
Gründe
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I.
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1. Der am 20. April 2019 in Deutschland geborene Beschwerdeführer ist somalischer Staatsangehöriger.
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Für seine Mutter hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) bereits am 18. Januar 2018 ein Übernahmeersuchen nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) an Italien gerichtet. Nachdem dieses Ersuchen unbeantwortet geblieben war, ging das Bundesamt mit Ablauf des 18. März 2019 von der Zuständigkeit Italiens für die Durchführung des Asylverfahrens der Mutter des Beschwerdeführers aus (Art. 22 Abs. 7 Dublin III-Verordnung). Der Asylantrag des Beschwerdeführers galt am 15. Mai 2019 als gestellt (§ 14a Abs. 2 Satz 3 AsylG). Seine Mutter hatte Gelegenheit, schutzwürdige Belange vorzutragen.
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2. Mit Bescheid vom 24. Juni 2019 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Beschwerdeführers als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien an (Ziffer 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4).
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Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens des Beschwerdeführers zuständig, ohne dass für ihn ein eigenes Zuständigkeitsbestimmungsverfahren eingeleitet werden müsse; die Zustimmung Italiens im Dublin-Verfahren der Mutter gelte gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin III-Verordnung auch für den Beschwerdeführer. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote oder Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung lägen nicht vor. Das italienische Asylsystem leide auch unter Berücksichtigung des sogenannten Salvini-Dekrets nicht an systemischen Mängeln. Allerdings könne es vorkommen, dass Asylsuchenden der Zugang zu einer Unterbringung erst nach der formellen Registrierung des Antrags ermöglicht werde. Es sei jedoch nicht zu befürchten, dass asylsuchende Kleinkinder beeinträchtigt würden. Eine individuelle Garantieerklärung Italiens vor einer Überstellung von Familien mit Kleinstkindern sei daher nicht erforderlich. Dass es bei Dublin-Rückkehrern in bestimmten Fällen zu einem Verlust des Unterkunftsanspruchs komme, begründe keinen Verstoß gegen Art. 3 EMRK. Inlandsbezogene Abschiebungshindernisse - insbesondere infolge der Anerkennung der Vaterschaft für den Beschwerdeführer - lägen ebenso wenig vor.
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3. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid vom 24. Juni 2019 am 2. Juli 2019 Klage beim Verwaltungsgericht Würzburg und beantragte, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Zur Begründung führte er unter Verweis auf zahlreiche verwaltungsgerichtliche Entscheidungen und Berichte über die Situation in Italien aus: Als neugeborenes Kind gehöre er zu den besonders vulnerablen Personen im Sinne der Tarakhel-Rechtsprechung des EGMR (Urteil vom 4. November 2014, Tarakhel v. Switzerland, Nr. 29217/12), doch liege eine kon-kret-individuelle Zusicherung in seinem Fall nicht vor. Die allgemeine Zusicherung Italiens vom 15. April 2015 zur Unterbringung von Familien in den sogenannten SPRAR-Einrichtungen sei hinfällig, weil diese Einrichtungen nur noch für unbegleitete Minderjährige und anerkannte Asylbewerber vorgesehen seien. Auch die allgemeine Zusicherung Italiens vom 8. Januar 2019, wonach Dublin-Rückkehrer in anderen Aufnahmezentren (CARA und CAS) aufgenommen würden, in denen die Wahrung der Familieneinheit und der Schutz Minderjähriger gewährleistet seien, reiche nicht aus. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe beobachte, dass insbesondere verletzliche Personen, die nach Italien überstellt würden, dort oftmals keine oder keine ausreichende Unterstützung erhielten. Zugang zum Aufnahmesystem erhielten Asylsuchende in Italien in der Regel erst nach Ausfüllen des Formulars C3; dieses wiederum erhielten sie nicht unmittelbar nach ihrer Ankunft, sondern erst beim normalerweise einige Wochen später stattfindenden zweiten Termin bei der Questura.
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4. Mit Beschluss vom 8. Juli 2019 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.
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In Italien bestünden keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen. Zwar werde der bisherige humanitäre Schutzstandard durch das am 5. Oktober 2018 erlassene und am 7. November 2018 durch den Senat sowie am 28. November 2018 durch das Parlament bestätigte Dekret No. 113/2018 über Sicherheit und Migration (Salvini-Dekret) stark abgesenkt. Die Bedürfnisse von Familien sowie vulnerablen Personen würden jedoch auch künftig Berücksichtigung finden. So seien Plätze für Familien sowie alleinreisende Frauen (mit Kindern) vorgesehen, und neben den staatlichen Einrichtungen existierten karitative und kommunale Angebote zusätzlicher Unterkunftsmöglichkeiten. Lediglich in Einzelfällen sei es möglich, dass Dublin-Rückkehrer keine Unterbringung erhielten und vorübergehend obdachlos würden. Insbesondere könne es zu Problemen kommen, wenn sie in Italien bereits offiziell untergebracht gewesen seien, da der Anspruch auf Unterbringung in staatlichen Einrichtungen untergehe, wenn Ausländer ihre Unterkunft ohne vorherige Bewilligung verlassen oder eine ihnen zugewiesene Unterkunft gar nicht erst in Anspruch genommen hätten. Zudem sei die Anzahl der in Italien ankommenden Asylsuchenden seit Beginn des Jahres 2018 stark rückläufig. Dem Gericht sei in tatsächlicher Hinsicht nichts dafür bekannt, dass ein Kleinkind in Italien nicht angemessen behandelt werde. Es lägen auch keine außergewöhnlichen Umstände vor, die für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts der Bundesrepublik Deutschland sprechen könnten.
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5. Gegen den Beschluss erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge. Er machte geltend, das Verwaltungsgericht habe sein Vorbringen, dass ohne individuelle Zusicherung nicht von einer familien- und kindgerechten Unterbringung in Italien ausgegangen werden könne, ebenso wenig berücksichtigt wie die vorgelegten Erkenntnismittel. Mit Beschluss vom 25. Juli 2019 verwarf das Verwaltungsgericht die Anhörungsrüge.
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II.
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1. Der Beschwerdeführer hat am 29. Juli 2019 Verfassungsbeschwerde erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er macht - neben weiteren Grundrechtsrügen - geltend, das Verwaltungsgericht habe die sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1, 2 GG ergebenden Anforderungen an die Beurteilung der Aufnahmebedingungen in Italien verfehlt. Es habe in seinem Beschluss vom 8. Juli 2019 auf die problematische Unterbringungssituation in Italien Bezug genommen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, wenn das Verwaltungsgericht behaupte, dem Gericht sei in tatsächlicher Hinsicht nichts dafür bekannt, dass ein Kleinkind in Italien nicht sofort eine adäquate Unterkunft erhalte. Die angegriffenen Entscheidungen beruhten auch auf der Grundrechtsverletzung.
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2. Mit Beschluss vom 4. September 2019 hat die Kammer dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben.
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3. Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen. Das Bundesministerium des Innern, das Bayerische Staatsministerium des Innern und das Bundesamt hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Bundesamt hat von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht.
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III.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG liegen vor. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angezeigt. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.
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1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Juli 2019 verstößt gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Das Verwaltungsgericht hat die sich aus diesen Vorschriften ergebenden Anforderungen an die Aufklärung und Beurteilung der Aufnahmebedingungen in Italien verfehlt.
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a) Die Verfahrensgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beschränkt sich nicht auf die Einräumung der Möglichkeit, die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen; sie gibt dem Bürger darüber hinaus einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potenziell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einer richterlichen Prüfung unterstellt werden kann; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen (vgl. BVerfGE 35, 263 274>; 40, 272 275>; 67, 43 58>; 84, 34 49>; stRspr). Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts (vgl. BVerfGE 60, 253 297>), hier des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.
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Die Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung im fachgerichtlichen (Eil-) Verfahren haben dem hohen Wert der Rechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK Rechnung zu tragen. In Fällen, in denen es um die Beurteilung der Aufnahmebedingungen in einem Drittstaat als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta beziehungsweise Art. 3 EMRK geht, kommt der verfahrensrechtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) verfassungsrechtliches Gewicht zu (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kam-mer des Zweiten Senats vom 31. Juli 2018 - 2 BvR 714/18 -, juris, Rn. 19 m.w.N.). Die fachgerichtliche Beurteilung von möglicherweise gegen Art. 4 GR-Charta beziehungsweise Art. 3 EMRK verstoßenden Aufnahmebedingungen muss - jedenfalls, wenn diese ernsthaft zweifelhaft sind - auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage beruhen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 21. April 2016 - 2 BvR 273/16 -, Rn. 11; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Mai 2017 - 2 BvR 157/17 -, Rn. 16; vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. März 2019, Jawo, C-163/17, Rn. 90: "Insoweit ist das mit einem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung befasste Gericht in dem Fall, dass es über Angaben verfügt, die die betreffende Person zum Nachweis des Vorliegens eines solchen Risikos vorgelegt hat, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen.").
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Unter diesen Voraussetzungen kann es sowohl verfassungsrechtlich als auch europa- und konventionsrechtlich geboten sein, dass sich die zuständigen Behörden und Gerichte vor der Rückführung eines Asylsuchenden in einen anderen Staat über die dortigen Verhältnisse informieren und gegebenenfalls Zusicherungen der zuständigen Behörden einholen (vgl. BVerfGE 94, 49 100>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, Rn. 15 f.; EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011, M.S.S. v. Belgium and Greece, Nr. 30696/09, Rn. 353 f.; Urteil vom 4. November 2014, Tarakhel v. Switzerland, Nr. 29217/12, Rn. 121). Soweit entsprechende Erkenntnisse und Zusicherungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht vorliegen und nicht eingeholt werden können, ist es zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes geboten, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (vgl. zur Bedeutung des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes für das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG: BVerfGE 126, 1 27 ff.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 - 2 BvR 2013/16 -, Rn. 17).
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b) Diesen Vorgaben wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Juli 2019, auf dessen Grundlage der Beschwerdeführer nach Italien abgeschoben werden soll, nicht gerecht.
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aa) Der Beschwerdeführer hat im fachgerichtlichen Verfahren und in der Verfassungsbeschwerdeschrift hinreichend dargelegt, dass in seinem Fall auf eine konkret-individuelle Zusicherung seitens der italienischen Behörden, dass er in Italien unmittelbar nach der Überstellung kind- und familiengerecht untergebracht werde, möglicherweise nicht verzichtet werden könne, da nach Erlass des Salvini-Dekrets und auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnismittel tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestünden, dass ihm aufgrund seines Alters ohne eine konkret-individuelle Zusicherung im Falle einer Überstellung nach Italien vorübergehende Obdachlosigkeit, eine nicht kind- und familiengerechte Unterbringung sowie unzureichender Zugang zu medizinischer Versorgung drohten.
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Dieses Vorbringen ist auf dem Boden des Beschwerdevortrags nachvollziehbar und begründet die Pflicht zur Aufklärung der aktuellen Sachlage.
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Die Überstellung von Familien mit (Klein-) Kindern nach Italien wurde von der Rechtsprechung bereits in der Vergangenheit als problematisch angesehen. Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Frage ausgeführt:
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"Bestehen - wie gegenwärtig im Falle Italiens - aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat, hat die auf deutscher Seite für die Abschiebung zuständige Behörde dem angemessen Rechnung zu tragen.
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Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls (vgl. nunmehr Erwägungsgrund 16 der neugefassten Verordnung <EU> Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 - Dublin III-Verordnung) jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 15 Abs. 1 und 2 der Dublin II-Verordnung und Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen."
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(BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 17. September 2014 - 2 BvR 732/14 -, Rn. 15 f.).
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Im November 2014 hat der EGMR entschieden, dass die Dublin-Staaten vor der Überstellung von Familien mit (Klein-) Kindern nach Italien konkret-individuelle Zusicherungen bei den italienischen Behörden einzuholen hätten, aus denen hervorgehe, dass ohne Zeitverzug eine kind- und familiengerechte Unterbringung erfolgen werde (EGMR, Urteil vom 4. November 2014, Tarakhel v. Switzerland, Nr. 29217/12, Rn. 122). In Reaktion auf diese Entscheidung sicherten die italienischen Behörden mit Erklärungen vom 2. Februar 2015, 15. April 2015 und 8. Juni 2015 allgemein zu, Familien mit (Klein-) Kindern zukünftig ausschließlich in den für Familien geeigneten SPRAR-Unterkünften unterzubringen.
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Unter Bezugnahme auf diese Zusicherungen und die Annahme, dass Familien mit (Klein-) Kindern grundsätzlich in SPRAR-Unterkünften untergebracht werden sollten, sah der EGMR von dem Erfordernis der konkret-individuellen Zusicherung durch die italienischen Behörden wieder ab (vgl. EGMR, Entscheidung vom 4. Oktober 2016, Ali v. Switzerland and Italy, Nr. 30474/14 -, Rn. 34; vgl. auch: VG Berlin, Beschluss vom 15. Oktober 2018 - 3 L 371.18 A -, juris, Rn. 29 m.w.N.).
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Die Situation in Italien hat sich seit dem Erlass des Salvini-Dekrets Ende 2018 jedoch erneut in entscheidungserheblicher Weise verändert: Die vom EGMR in Bezug genommenen SPRAR-Unterkünfte stehen Asylsuchenden mit Ausnahme unbegleiteter Minderjähriger seit Erlass des Salvini-Dekrets nicht mehr zur Verfügung. Dies ergibt sich auch aus den vom Beschwerdeführer inhaltlich wiedergegebenen Erkenntnismitteln (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bericht vom 8. Mai 2019; Danish Refugee Council/Swiss Refugee Council, Bericht vom 12. Dezember 2018). Davon, dass die übrigen Unterkünfte für Asylsuchende (CAS und CARA) eine kind- und familiengerechte Unterbringung gewährleisten, kann nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat zu Recht zu bedenken gegeben, dass - auch unter Berücksichtigung der neuerlichen allgemeinen Zusicherung der italienischen Behörden vom 8. Januar 2019 - nach Erlass des Salvini-Dekrets nicht mehr hinreichend ersichtlich ist, wo und wie die italienischen Behörden eine dem Alter und der Situation des Beschwerdeführers angemessene Unterbringung tatsächlich ermöglichen können; dies hat er durch Verweise auf verwaltungsgerichtliche Entscheidungen belegt. Weiter hat er nachvollziehbar dargelegt, dass - selbst wenn er und seine Mutter Aussicht auf eine kind- und familiengerechte Unterkunft in den CAS- und CARA-Unterkünften hätten - nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden könne, dass sie sofort nach ihrer Ankunft in Italien Zugang zu einer angemessenen Unterkunft haben würden. Das Risiko einer vorübergehenden Obdachlosigkeit der Familie ist damit - insbesondere vor dem Hintergrund der im italienischen Verwaltungsverfahren bestehenden hohen Hürden - schlüssig dargelegt.
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bb) Bei dieser Ausgangssituation hat das Verwaltungsgericht die aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) erwachsenden Anforderungen an die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung im Eilverfahren verkannt. Es hat seine entscheidungserhebliche Annahme, dass im Falle des Beschwerdeführers eine konkret-individuelle Zusicherung der italienischen Behörden nicht erforderlich sei, nicht auf eine hinreichende Tatsachengrundlage gestützt:
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Es lässt im angegriffenen Beschluss außer Acht, dass die Unterbringung von Familien mit (Klein-) Kindern in Italien schon in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum als äußerst kritisch bewertet worden war und - nach vorübergehender Verbesserung der Lage - seit Ende 2018 erneut unklar geworden ist und im entscheidungserheblichen Zeitpunkt möglicherweise von systemischen Mängeln geprägt war. Die angegriffenen Beschlüsse vermitteln insbesondere den Eindruck, das Verwaltungsgericht gehe davon aus, dass zureichende Unterkunftsmöglichkeiten erst noch geschaffen werden und dass Dublin-Rückkehrer in Italien nach ihrer Ankunft zunächst mit Obdachlosigkeit rechnen müssten. In dieser Übergangsphase seien Dublin-Rückkehrer auf die Hilfe von Freunden oder karitativen Einrichtungen angewiesen, über deren Aufnahmekapazität es keine gesicherten und aussagekräftigen Unterlagen gebe. Das Verwaltungsgericht thematisiert - obwohl es die vorgenannten Feststellungen getroffen hat - nicht, wie hoch das Risiko einer vorübergehenden Obdachlosigkeit in Italien für den Beschwerdeführer und seine Mutter tatsächlich ist. Insbesondere der Frage, ob die Mutter des Beschwerdeführers vor ihrer Ausreise aus Italien bereits staatlich untergebracht war beziehungsweise jedenfalls eine Unterkunft zugewiesen bekommen hatte, ist das Verwaltungsgericht - trotz der offenkundigen Relevanz dieser Frage - nicht nachgegangen; damit lässt es die Frage einer dem Beschwerdeführer etwa drohenden Obdachlosigkeit offen. Auf einen relevanten Teil der vom Beschwerdeführer in Bezug genommenen Erkenntnisse, insbesondere auf den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 8. Mai 2019, geht es nicht ein. Indem das Verwaltungsgericht weder weitere Erkenntnisse und/oder eine konkret-individuelle Zusicherung Italiens eingeholt noch die ergänzende Sachverhaltsaufklärung dem Hauptsacheverfahren überlassen, sondern auf unzureichender Tatsachenbasis die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage verneint hat, hat es sowohl die vom Bundesverfassungsgericht zu Art. 19 Abs. 4 Satz 1GG entwickelten als auch die vom EUGH in der Sache "Jawo" (Urteil vom 19. März 2019, C-163/17, Rn. 90) aufgestellten Anforderungen an die gerichtliche Sachverhaltsaufklärung im Eilverfahren verfehlt.
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2. Hat die Verfassungsbeschwerde schon wegen der Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG Erfolg, bedarf es keiner Entscheidung, ob die weiter geltend gemachten Grundrechtsverstöße vorliegen.
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3. Der angegriffene Beschluss beruht auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß. Es ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht bei hinreichender Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu einer anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung gelangt wäre.
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IV.
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Die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 8. und vom 25. Juli 2019 waren gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.
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Der Freistaat Bayern hat dem Beschwerdeführer nach § 34a Abs. 2 BVerfGG die notwendigen Auslagen sowohl für das Verfassungsbeschwerde- als auch für das einstweilige Anordnungsverfahren zu erstatten. Dadurch erledigt sich der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (vgl. BVerfGE 105, 239 252> m.w.N.).
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Die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 366 ff.>).
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