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BVerfG 16.05.2013 - 2 BvR 2671/11
BVerfG 16.05.2013 - 2 BvR 2671/11 - Stattgebender Kammerbeschluss: Anforderungen an Entscheidung über die Fortdauer einer bereits lange andauernden Unterbringung im Maßregelvollzug - hier: Unzureichende Prüfung der Gefahr einer Begehung erheblicher Straftaten - mangelnde Berücksichtigung der über 25 Jahre betragenden Unterbringungsdauer - fehlende Prüfung milderer Mittel
Normen
Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 104 Abs 1 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 63 StGB, § 67d Abs 2 StGB, § 68a StGB, § 68b StGB
Vorinstanz
vorgehend OLG Hamm, 8. November 2011, Az: III-4 Ws 314/11, Beschluss
vorgehend LG Bielefeld, 20. September 2011, Az: 015 StVK 2802/11, Beschluss
Tenor
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Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. November 2011 - III-4 Ws 314/11 - und der Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 20. September 2011 - 015 StVK 2802/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes.
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Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Hamm zurückverwiesen.
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Gründe
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Die Verfassungsbeschwerde wendet sich gegen Beschlüsse, mit denen die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus nach über 25 Jahren Maßregelvollzug angeordnet wurde.
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I.
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1. Der Beschwerdeführer wurde im April 1986 durch Urteil des Landgerichts Bochum wegen nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit vom Vorwurf des schweren Raubes beziehungsweise der schweren räuberischen Erpressung in fünf Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch geblieben war, des Raubes in drei Fällen, des versuchten Raubes in einem Fall und der Beleidigung in fünf Fällen freigesprochen. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde angeordnet.
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Der Beschwerdeführer hatte im Alter von 16 bis 18 Jahren fremden Frauen an die Brust gefasst und sich auf offener Straße entblößt. Zudem hatte er mit wechselndem Erfolg versucht, Passantinnen ihre Handtaschen zu entreißen, wobei er bei mehreren Taten "Flacheisen" mitgeführt hatte, mit denen er vorzutäuschen versucht hatte, über ein Messer zu verfügen. Nachdem in einem Fall der Versuch, die sich wehrende Inhaberin eines Blumengeschäfts in die Toilette zu sperren, misslungen war, hatte der Beschwerdeführer spontan ein dort liegendes Blumenmesser ergriffen und die Inhaberin damit genötigt, die Kasse zu öffnen. Da ihr dies nicht gelungen war, hatte er die Kasse letztlich selbst geöffnet. In einem anderen Fall hatte er bei einem Raubversuch mit einer Schreckschusspistole aus einigen Metern Entfernung auf eine Frau geschossen.
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Nach den gerichtlichen Feststellungen war seine Steuerungsfähigkeit in allen Fällen zumindest gemäß § 21 StGB erheblich eingeschränkt, womöglich auch völlig aufgehoben. Es habe das "Klinefelter-Syndrom" vorgelegen, womit eine Chromosomenabnormität bezeichnet werde, die unter anderem zu fehlender geistiger Eigenständigkeit, hoher Beeinflussbarkeit und geschwächter Impulskontrolle führe. In Verbindung mit einer Intelligenzminderung sei eine Persönlichkeitsabnormität mit dem Grad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit gegeben.
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2. Seit Mai 1986 befindet der Beschwerdeführer sich im Maßregelvollzug. Das letzte externe Sachverständigengutachten aus dem April 2010 kam zu der Einschätzung, der Beschwerdeführer sei trotz positiver Ansätze weiterhin in seiner Selbststeuerung und Verhaltensregulierung beeinträchtigt. Es lägen eine kombinierte Persönlichkeitsstörung bei sexueller Entwicklungsstörung mit sexuellen Verhaltensabweichungen, das "Klinefelter-Syndrom" und eine leichte Intelligenzminderung sowie ein Alkoholabhängigkeitssyndrom vor. Die Behandlungsprognose sei ungünstig. Die Behandlungsmöglichkeiten erschienen ausgereizt. Der Beschwerdeführer sei nach wie vor sehr bedürfnisorientiert und kaum zur Verantwortungsübernahme und Impulskontrolle in der Lage. Auch die Kriminalprognose erscheine ungünstig. Wegen der Chromosomenanomalie sei zu bezweifeln, ob es ihm möglich sein werde, jemals straffrei innerhalb der Gesellschaft zu leben. Es drohe die Gefahr ähnlicher Taten wie der Eingangsdelikte, auch wenn es zuletzt zu weniger verbalen Aggressionen und sexuellen Handlungen gekommen sei. Um den Beschwerdeführer behutsam an ein Leben außerhalb des Maßregelvollzugs heranzuführen, bedürfe er der Unterstützung professioneller Helfer in allen Lebensbereichen. Er werde zumindest mittelfristig eine geschlossene Einrichtung benötigen. Dies müsse aber nicht unbedingt eine Maßregelvollzugseinrichtung sein.
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Das Landgericht Paderborn ordnete im Januar 2011 auf Wunsch des Beschwerdeführers die Überweisung in eine Entziehungsanstalt gemäß § 67a StGB an. Diese stellte jedoch im August 2011 das Scheitern der Therapie wegen des Verhaltens des Beschwerdeführers fest. Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Erledigterklärung der Unterbringung. Die Fortdauer der Maßregel sei unverhältnismäßig. Er habe die Taten als Jugendlicher begangen. Inzwischen seien 26 Jahre vergangen, und es habe eine Nachreife eingesetzt. Hinweise für erneute erhebliche Taten bestünden nicht.
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3. Mit angegriffenem Beschluss vom 20. September 2011 ordnete das Landgericht Bielefeld die Fortdauer der Unterbringung und die Rücküberweisung des Beschwerdeführers in ein psychiatrisches Krankenhaus an. Unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten aus dem April 2010 stellte das Landgericht fest, der Beschwerdeführer leide nach wie vor an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung. Er sei weiterhin sehr bedürfnisorientiert und kaum zur Verantwortungsübernahme und Impulskontrolle in der Lage. Die Gefahr der Begehung erneuter Taten sei unverändert groß. Es sei angesichts der Ausgangstaten auch "nicht auszuschließen", dass diese Taten erheblich sein würden. Eine realistische Perspektive für die Zeit nach der Entlassung bestehe nicht. Auch habe der Beschwerdeführer sich in der Anhörung aggressiv und uneinsichtig gezeigt. Trotz der Länge von über 25 Jahren sei die Fortdauer der Unterbringung nicht unverhältnismäßig.
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4. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde. Es werde bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt, dass er die Taten als Jugendlicher begangen habe und dass er sich seit über 25 Jahren im Vollzug befinde. Bei keinem der Raubdelikte habe er irgendeiner Person körperlichen Schaden zugefügt. Der Strafrahmen der begangenen Delikte sei auf zehn Jahre Jugendstrafe beschränkt gewesen. Das Zweieinhalbfache der Höchststrafe sei bereits erreicht. In den vergangenen Jahren im Vollzug sei es zu keinen nennenswerten Vorfällen der Androhung oder gar Anwendung von Gewalt gekommen. Die angeblich fehlende realistische Perspektive für die Zeit nach der Entlassung sei kein Grund für die Fortdauer, zumal im Rahmen der Führungsaufsicht eine engmaschige Betreuung möglich sei und § 67h StGB jederzeit die kurzfristige Wiederinvollzugsetzung der Unterbringung ermögliche.
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5. Auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Hamm replizierte der Beschwerdeführer, das Sachverständigengutachten aus dem April 2010 treffe keine Aussage zur Wahrscheinlichkeit der Begehung weiterer Raubdelikte. Mit der konkreten Gefährlichkeit des Beschwerdeführers habe sich das Landgericht nicht ausreichend auseinandergesetzt.
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6. Mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 8. November 2011 verwarf das Oberlandesgericht Hamm die sofortige Beschwerde "aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses" und bemerkte ergänzend, die Fortdauer sei weiterhin verhältnismäßig. Eine Aussetzung der Maßregel ohne vorherige Erprobung im Wege einer Langzeitbeurlaubung sei nicht verantwortbar.
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II.
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Der Beschwerdeführer sieht sich durch die angegriffenen Beschlüsse in seinen Rechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 1 GG verletzt. Der Grundrechtseingriff sei wegen der langen Dauer der Unterbringung mit Blick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gerechtfertigt. Die Ausgangstaten des Beschwerdeführers seien "nicht sehr schwerwiegend" gewesen, wenn man die näheren Umstände betrachte. Der Prognoseentscheidung des Landgerichts sei aber nicht zu entnehmen, dass diese Umstände Gegenstand der Verhältnismäßigkeitserwägungen gewesen seien. Vielmehr habe man abstrakt auf die Bezeichnung des gesetzlichen Tatbestands abgestellt. Doch selbst wenn man erhebliche Taten besorgen müsste, würde in der Abwägung das Freiheitsrecht des Beschwerdeführers überwiegen, der bereits mehr als die Hälfte seines Lebens im Maßregelvollzug verbracht habe. Man müsse ihm die Chance geben, wieder in Freiheit gelangen zu können. Die Führungsaufsicht und die Einrichtung einer Betreuung seien überdies mildere, gleich geeignete Mittel.
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III.
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1. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Stellungnahme betont, die angegriffenen Entscheidungen genügten den verfassungsrechtlichen Mindesterfordernissen. Es sei noch immer zu besorgen, dass der Beschwerdeführer deliktsanaloge Taten - insbesondere unter Verwendung eines Messers - begehen und damit hochrangige Rechtsgüter verletzen werde. Das Landgericht habe bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit die lange Dauer der bisherigen Unterbringung und das relativ junge Alter des Beschwerdeführers zur Tatzeit nicht aus den Augen verloren. Es habe aber auch den hohen Rang des durch etwaige Rückfälle primär betroffenen Rechtsguts der körperlichen Unversehrtheit berücksichtigen dürfen. Die zumindest unsichere Aussicht auf absehbare Behandlungserfolge führe nicht zu einem anderen Ergebnis. Es sei nach wie vor davon auszugehen, dass Ansätze für eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorhanden seien. Die Möglichkeit einer Besserung erscheine nicht ausgeschlossen.
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2. Dem Bundesverfassungsgericht hat die Ermittlungsakte vorgelegen.
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IV.
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Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und auch die weiteren Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung nach § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erfüllt sind. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen Fragen - insbesondere hinsichtlich der sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen an die Fortdauer langandauernder Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus - bereits entschieden (vgl. BVerfGE 70, 297 315 ff.>). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
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1. Die Entscheidungen über die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus verletzen diesen in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG. Die Beschlüsse des Landgerichts Bielefeld vom 20. September 2011 und des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. November 2011 tragen den Anforderungen, die sich aus dem verfassungsverbürgten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, nicht hinreichend Rechnung.
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a) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit Verfassungsrang ausgestattet. Er beherrscht Anordnung und Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis zwischen dem Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden erheblichen Rechtsgutverletzungen verlangt nach gerechtem und vertretbarem Ausgleich. Dieser lässt sich für die Entscheidungen über die Aussetzung der Maßregelvollstreckung nur dadurch bewirken, dass Sicherungsbelange und der Freiheitsanspruch des Untergebrachten als wechselseitiges Korrektiv gesehen und im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden. Hält das Gericht ein Risiko im Sinne des § 67d Abs. 2 StGB bei einem nach § 63 StGB Untergebrachten für gegeben, hat es die mögliche Gefährdung der Allgemeinheit zu der Dauer des erlittenen Freiheitsentzuges in Beziehung zu setzen (vgl. BVerfGE 70, 297 311 f.>).
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Dabei ist auf die Gefahr solcher rechtswidriger Taten abzustellen, die ihrer Art und ihrem Gewicht nach ausreichen, auch die Anordnung der Maßregel zu tragen; diese müssen mithin "erheblich" im Sinne des § 63 StGB sein. Die Beurteilung hat sich demnach darauf zu erstrecken, ob und welche Art rechtswidrige Taten von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit, Rückfallfrequenz) und welches Gewicht den bedrohten Rechtsgütern zukommt. Dabei ist die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr hinreichend zu konkretisieren; der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten ist zu bestimmen; deren bloße Möglichkeit vermag die weitere Maßregelvollstreckung nicht zu rechtfertigen. Bei allem ist auf die Besonderheiten des Falles einzugehen (vgl. BVerfGE 70, 297 313>).
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Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet darüber hinaus, die Unterbringung eines Täters in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB nur solange zu vollstrecken, wie der Zweck dieser Maßregel es unabweisbar erfordert und zu seiner Erreichung den Untergebrachten weniger belastende Maßnahmen nicht genügen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit kann es daher auf die voraussichtlichen Wirkungen der im Falle der Aussetzung des Maßregelvollzugs kraft Gesetz eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB) und der damit verbindbaren weiteren Maßnahmen der Aufsicht und Hilfe gemäß § 68a, § 68b StGB ankommen (vgl. BVerfGE 70, 297 314>).
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Da es sich bei der Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung um eine wertende Entscheidung handelt, die nach ausfüllungsbedürftigen Kriterien und unter Prognosegesichtspunkten fällt, kann das Bundesverfassungsgericht sie nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen, insbesondere Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht verkennen. Je länger aber die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger werden die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs sein. Das Freiheitsgrundrecht gewinnt wegen des sich verschärfenden Eingriffs immer stärkeres Gewicht für die Wertungsentscheidung des Strafvollstreckungsrichters (vgl. BVerfGE 70, 297 314 f.>).
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Das zunehmende Gewicht des Freiheitsanspruchs bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung wirkt sich bei solchen langdauernden Unterbringungen in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) auch auf die an die Begründung einer Entscheidung zu stellenden Anforderungen aus. In diesen Fällen engt sich der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters ein; mit dem immer stärker werdenden Freiheitseingriff wächst die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte. Dem lässt sich angesichts der in besonderem Maße wertenden Natur der Entscheidung, ob die Erprobung des Untergebrachten in Freiheit verantwortet werden kann, dadurch Rechnung tragen, dass der Richter seine Würdigung eingehender abfasst, sich also nicht etwa mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt, sondern seine Bewertung anhand der dargestellten einfachrechtlichen Kriterien substantiiert offenlegt. Erst dadurch wird es möglich, im Rahmen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nachzuvollziehen, ob die von dem Täter ausgehende Gefahr seinen Freiheitsanspruch gleichsam aufzuwiegen vermag. Zu verlangen ist mithin vor allem die Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit weiterer rechtswidriger Taten, die von dem Untergebrachten drohen, und deren Deliktstypus. Bleibt das Bemühen des Richters um Zuverlässigkeit der Prognose trotz Ausschöpfung der zu Gebote stehenden Erkenntnismittel mit großen Unsicherheiten behaftet, so hat auch dies Eingang in seine Bewertung zu finden (vgl. BVerfGE 70, 297 315 f.>).
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Genügen die Gründe einer Entscheidung über die Fortdauer einer bereits außergewöhnlich lange währenden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus diesen Maßstäben nicht, so führt das dazu, dass die Freiheit der Person des Untergebrachten auf solcher Grundlage nicht rechtmäßig eingeschränkt werden kann; sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist verletzt, weil es an einer verfassungsrechtlich tragfähigen Grundlage für die Unterbringung fehlt (vgl. BVerfGE 70, 297 316 f.>).
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b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Beschlüsse des Landgerichts Bielefeld vom 20. September 2011 und des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. November 2011 nicht. Es fehlt in diesen Beschlüssen bereits an einer hinreichenden Konkretisierung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr zukünftiger rechtswidriger Taten (aa). Daneben tragen die Beschlüsse dem zunehmenden Gewicht des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers angesichts der Dauer seiner Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB unzureichend Rechnung (bb). Außerdem wird nicht ausreichend dargelegt, dass der Schutz der Allgemeinheit durch weniger belastende Maßnahmen nicht erreicht werden kann (cc).
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aa) Hinsichtlich der Gefahr künftiger rechtswidriger Taten stellt das Landgericht in seinem Beschluss vom 20. September 2011 fest, dass diese unverändert groß sei. Angesichts der Anlasstaten, die das Landgericht im Einzelnen aufführt, sei "nicht auszuschließen", dass es sich dabei auch um erhebliche Taten handeln werde. Das Oberlandesgericht nimmt in seinem Beschluss vom 8. November 2011 hierauf lediglich Bezug.
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Diese Feststellungen genügen dem Erfordernis einer Konkretisierung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr künftiger erheblicher Straftaten nicht. Der Grad der Wahrscheinlichkeit solcher Taten, die nach ihrer Art und ihrem Gewicht ausreichen, die Anordnung und Fortdauer der Maßregel zu tragen, wird nicht ausreichend bestimmt. Die Behauptung, die Begehung derartiger Taten sei nicht auszuschließen, grenzt die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr unzureichend von der bloßen Möglichkeit der Begehung weiterer, den Maßregelvollzug rechtfertigender Taten ab. Vor allem aber setzen sich die angegriffenen Beschlüsse mit den Besonderheiten des vorliegenden Falls nicht auseinander: Der Beschwerdeführer hat die von ihm bei den Anlasstaten mitgeführten gefährlichen Werkzeuge ausnahmslos nur zum Zweck der Drohung eingesetzt. In keinem Fall hat er ein Opfer der von ihm begangenen Taten hiermit verletzt. Bei ernsthafter Gegenwehr hat er regelmäßig die Flucht ergriffen. Auch während des jahrzehntelangen Maßregelvollzugs wurde der Beschwerdeführer - soweit ersichtlich - nie gewalttätig. Diese Umstände hätten bei der Bestimmung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr Berücksichtigung finden müssen. Hierzu verhalten sich die angegriffenen Beschlüsse aber nicht.
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bb) Daneben tragen die angegriffenen Entscheidungen dem angesichts der Dauer des Maßregelvollzugs zunehmenden Gewicht des Freiheitsanspruchs des Beschwerdeführers nicht hinreichend Rechnung.
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Der Beschwerdeführer befand sich zur Zeit der angegriffenen Entscheidungen seit mehr als 25 Jahren im Maßregelvollzug. Angesichts dieser besonders langandauernden Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus hätte die Anordnung der Fortdauer besonders sorgfältiger Begründung bedurft. Bei der gebotenen Abwägung zwischen den möglichen Gefährdungen der Allgemeinheit und dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers hätte es nicht nur - wie dargestellt - einer hinreichenden Konkretisierung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr weiterer rechtswidriger Taten bedurft. Darüber hinaus hätte auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden müssen, dass auf den Beschwerdeführer ausweislich des Ausgangsurteils vom 23. April 1986 noch Jugendstrafrecht Anwendung gefunden hätte, die Dauer der Unterbringung den Strafrahmen der begangenen Taten weit überschreitet und nach den Feststellungen des Sachverständigengutachtens vom 23. April 2010 die Möglichkeiten einer Behandlung des Beschwerdeführers erschöpft scheinen (vgl. dazu BVerfGK 2, 55 63>). Da die angegriffenen Entscheidungen sich mit diesen Umständen nicht auseinandersetzen, tragen sie auch insoweit der Bedeutung des Freiheitsrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG nicht in der gebotenen Weise Rechnung.
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cc) Schließlich legen die angegriffenen Beschlüsse auch nicht in ausreichendem Maße dar, dass der Schutz der Allgemeinheit nicht auch durch den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahmen erreicht werden kann.
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Angesichts der Feststellungen im Sachverständigengutachten vom 23. April 2010, der Beschwerdeführer werde voraussichtlich dauerhaft professionelle Hilfe und zumindest mittelfristig die stützende Struktur einer geschlossenen Einrichtung benötigen, dies müsse aber nicht unbedingt eine Maßregelvollzugseinrichtung sein, hätte es einer Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, ob im Falle einer Aussetzung des Maßregelvollzugs durch Maßnahmen der Aufsicht und Hilfe gemäß § 68a, § 68b StGB im Rahmen der kraft Gesetzes eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 2 Satz 2 StGB) dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit hinreichend Rechnung getragen werden kann. Der bloße Hinweis in den angegriffenen Beschlüssen, der Aussetzung der Maßregel stehe die fehlende Erprobung des Beschwerdeführers im Wege einer Langzeitbeurlaubung entgegen, genügt zur Begründung der Annahme, die Fortdauer der Unterbringung sei unabweisbar geboten, nicht.
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dd) Insgesamt genügen die in den angegriffenen Beschlüssen dargelegten Gründe nicht, um die Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus zu rechtfertigen und den sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergebenden Anforderungen Rechnung zu tragen. Sie verletzen den Beschwerdeführer daher in seinem Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG.
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2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. November 2011 ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Oberlandesgericht Hamm zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).
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3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
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