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BFH 12.02.2020 - VI R 17/20 (VI R 64/12), VI R 17/20, VI R 64/12
BFH 12.02.2020 - VI R 17/20 (VI R 64/12), VI R 17/20, VI R 64/12 - Aufwendungen für ein Erststudium keine Werbungskosten
Normen
§ 9 Abs 6 EStG 2002 vom 07.12.2011, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 10d Abs 4 S 2 EStG 2002, EStG VZ 2006
Vorinstanz
vorgehend FG Düsseldorf, 25. November 2011, Az: 1 K 2819/08 F, Urteil
Leitsatz
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Aufwendungen für ein Erststudium, das eine Erstausbildung vermittelt, sind nach § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG ab dem Veranlagungszeitraum 2004 nicht (mehr) als Werbungskosten abziehbar, wenn das Studium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.
Tenor
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Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 25.11.2011 - 1 K 2819/08 F, der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 vom 04.04.2007 und die Einspruchsentscheidung vom 30.06.2008 aufgehoben.
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Der Beklagte wird verpflichtet, einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 zu erlassen, in dem bei der Berechnung des verbleibenden Verlustvortrags die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte aus 2006 in Höhe von 566,49 € berücksichtigt werden.
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Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Die weitere Berechnung des verbleibenden Verlustvortrags wird dem Beklagten übertragen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) studierte nach ihrem im Jahr 2003 abgelegten Abitur Psychologie an der Universität X. Im Juli des Streitjahres (2006) erhielt sie den Abschluss "Bachelor of applied science". Am 1. Oktober des Streitjahres nahm sie ein Masterstudium der Neuro- und Verhaltenswissenschaften an der Universität Y auf.
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Die Klägerin erzielte im Streitjahr Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 823 €. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte sie insoweit Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in Höhe von 165,60 € geltend.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß zur Einkommensteuer und setzte diese auf 0 € fest.
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Mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid machte die Klägerin Aufwendungen für das Bachelor- und Master-Studium als vorab entstandene Werbungskosten geltend.
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Das FA erließ daraufhin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006, mit dem es feststellte, dass keine gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durchzuführen sei, weil kein verbleibender Verlustvortrag (mehr) bestehe.
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Der von der Klägerin hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) in dem zuletzt von der Klägerin noch aufrechterhaltenen Umfang mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 282 veröffentlichten Gründen statt.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Es trägt vor, das FG habe die Aufwendungen der Klägerin für das Erststudium in X zu Unrecht als vorab entstandene Werbungskosten anerkannt. Neben den Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien als vorab entstandene Werbungskosten lediglich die Kosten für das Master-Studium in Y als Werbungskosten zu berücksichtigen.
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Das FA beantragt sinngemäß,
wie erkannt zu entscheiden.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur teilweisen Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA ist verpflichtet, einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 zu erlassen, in dem bei der Berechnung des verbleibenden Verlustvortrags die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte aus 2006 in Höhe von 566,49 € berücksichtigt werden.
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1. Das FG hat die Aufwendungen der Klägerin für das Bachelor-Studium zu Unrecht als Werbungskosten anerkannt.
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a) Die Entscheidung des FG, dass die Aufwendungen für das Bachelor-Studium der Klägerin in X als Werbungskosten zu berücksichtigen seien, gründet auf der noch vor Geltung des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BeitrRLUmsG) vom 07.12.2011 (BGBl I 2011, 2592) anwendbaren Rechtslage. Auf dieser Grundlage gelangte das FG unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 28.07.2011 - VI R 7/10 (BFHE 234, 271, BStBl II 2012, 557) zwar zutreffend zu dem Ergebnis, dass die Kosten der Klägerin für das Erststudium als Werbungskosten anzuerkennen und daher bei der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.2006 nicht ausgeglichene negative Einkünfte in Höhe von 5.937,05 € zu berücksichtigen seien.
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b) Nachdem allerdings § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG in Kraft getreten und rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2004 anzuwenden ist, sind die Aufwendungen der Klägerin für das Bachelor-Studium nicht (mehr) als Werbungskosten zu berücksichtigen.
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aa) Nach § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung oder für sein Studium nur dann Werbungskosten, wenn der Steuerpflichtige zuvor bereits eine Erstausbildung (Berufsausbildung oder Studium) abgeschlossen hat oder wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet.
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Eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium i.S. des § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, das eine Erstausbildung vermittelt, liegt vor, wenn diese Berufsausbildung abgeschlossen ist. Gehört zu dieser Berufsausbildung auch ein formaler Abschluss durch eine Prüfung, ist auch noch dieser Teil der Berufsausbildung und erst mit deren Bestehen die Berufsausbildung abgeschlossen.
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bb) Bei dem Bachelor-Studium der Klägerin in X handelte es sich um eine Erstausbildung i.S. des § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, da sie zuvor keine Berufsausbildung oder kein Studium abgeschlossen hatte.
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Die Klägerin hatte vor Beginn ihres Bachelor-Studiums lediglich die Schule besucht und diese mit dem Abitur abgeschlossen. Eine Erstausbildung in dem vorgenannten Sinne hatte sie damit nicht absolviert. Das Bachelor-Studium der Klägerin fand auch nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses statt.
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c) Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 19.11.2019 - 2 BvL 22-27/14 entschieden, dass der Ausschluss des Werbungskostenabzugs von Berufsausbildungskosten für eine Erstausbildung außerhalb eines Dienstverhältnisses verfassungsgemäß ist.
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2. Das FG hat allerdings die Aufwendungen der Klägerin für ihr Master-Studium in Y zu Recht als Werbungskosten anerkannt.
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a) Die Klägerin hatte nach den oben dargelegten Maßstäben mit dem Bestehen des Bachelor-Studiengangs ein Erststudium i.S. des § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG abgeschlossen. Ihre Aufwendungen für das Master-Studium, deren Höhe zwischen den Beteiligten nicht mehr im Streit steht, waren beruflich veranlasst, wie das FG zutreffend entschieden hat, und damit nach allgemeinen Grundsätzen als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen. Insoweit hat das FA gegen die Vorentscheidung auch keine Einwendungen erhoben.
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b) Die Auslegung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale erstmalige Berufsausbildung und Erststudium im Kindergeldrecht (s. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs vom 11.12.2018 - III R 26/18, BFHE 263, 209, BStBl II 2019, 765, und vom 22.05.2019 - III R 69/18) ist für die Auslegung des im Streitfall maßgeblichen § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG nicht von Bedeutung.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO.
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