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BFH 06.04.2016 - X R 29/14
BFH 06.04.2016 - X R 29/14 - Kein Eigenheimbetrag für den nachträglichen Anschluss eines Grundstücks an das öffentliche Abwassernetz
Normen
§ 92a Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 92b Abs 1 EStG 2009, § 255 Abs 1 HGB, § 255 Abs 2 HGB, EStG VZ 2010
Vorinstanz
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 6. März 2014, Az: 10 K 14062/11, Urteil
Leitsatz
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NV: Der nachträgliche Anschluss eines Wohngrundstücks mit einer Abwassergrube an das öffentliche Abwassernetz führt nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten, für die der Altersvorsorge-Eigenheimbetrag verwendet werden kann .
Tenor
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Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. März 2014 10 K 14062/11 aufgehoben.
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) unterhielt einen zertifizierten Altersvorsorgevertrag und beantragte im Streitjahr 2010 bei der Beklagten und Revisionsklägerin (Deutsche Rentenversicherung Bund, Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen --ZfA--) die Entnahme eines Altersvorsorge-Eigenheimbetrags (Eigenheimbetrag) in Höhe von 3.306,25 €.
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Die Klägerin wollte mit dem Eigenheimbetrag den im Bescheid der Gemeinde festgesetzten Beitrag für den Anschluss eines Grundstücks an die öffentliche Abwasserkanalisation bezahlen, der aus dem Anschluss des Grundstücks im Jahr 2009 an das zentrale Schmutzwassersystem herrührte. Das 1998 erworbene Grundstück nebst Eigenheim hatte bis dahin nur über eine Abwasser(sicker)grube verfügt.
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Die ZfA lehnte diese Entnahme ab, da die Entrichtung eines Eigenheimbetrags für eine seit langem angeschaffte bzw. hergestellte Immobilie nicht begünstigt sei.
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Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 1400 abgedruckten Gründen statt.
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Die ZfA rügt mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts.
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Das Grundstück sei bereits aufgrund der Nutzung seit dem Zeitpunkt der Anschaffung grundsätzlich betriebsbereit gewesen. Auch habe das Gebäude durch die Satzungsänderung, wonach die Nutzung der bisherigen Abwassergrube ab 2015 nicht mehr zulässig gewesen sei, nicht automatisch seine Betriebsbereitschaft verloren. Denn Baumaßnahmen, die notwendig würden, um eine Immobilie wieder in den gesetzeskonformen Zustand zu versetzen, seien Erhaltungsmaßnahmen vergleichbar. Weder die Substanz noch das Wesen des Grundstücks seien durch die Maßnahme berührt gewesen. Es sei lediglich eine Erschließungseinrichtung ersetzt worden.
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Auch die vom Gesetzgeber geforderte Anpassung vorhandener Abwasserbeseitigungsanlagen diene ausschließlich dem Gemeinwohlinteresse zur Verbesserung der Wasserqualität und nicht der Erschließung von Grundstücken. Die Satzung der Gemeinde sehe (dennoch) vor, dass abflusslose Gruben weiterhin betrieben werden dürften. Erst wenn das Grundstück an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen sei, entfalle deren Betriebserlaubnis.
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Die ZfA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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Das FG ist fehlerhaft davon ausgegangen, dass durch den Anschluss des bebauten Wohngrundstücks an die zentrale Abwasserentsorgung trotz der im Jahre 2009 noch bestehenden und nutzbaren Abwassergrube nachträgliche Anschaffungskosten entstanden sind (dazu unten 1.). Es liegt Erhaltungsaufwand vor, und zwar selbst dann, wenn der Anschluss in Erwartung einer fehlenden Nutzungserlaubnis für die Abwassergrube erfolgt ist (unten 2.).
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1. Der Anschluss des bebauten Wohngrundstücks an die zentrale Abwasserentsorgung im Jahr 2009 führte nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten für das bereits 1998 von der Klägerin und ihrem Ehemann erworbene Grundstück nebst Gebäude.
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a) Gemäß § 92a Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem FG geltenden Fassung --EStG-- (vgl. zum maßgebenden Zeitpunkt bei Verpflichtungsklagen Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. März 2012 XI R 33/09, BFHE 236, 283, BStBl II 2012, 477, Rz 26, m.w.N.) kann der Zulageberechtigte das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und nach § 10a EStG oder dem XI. Abschnitt des EStG geförderte Kapital in vollem Umfang oder --wie hier-- teilweise entnehmen. Im letzteren Fall muss das verbleibende geförderte Restkapital mindestens 3.000 € betragen. § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sieht vor, dass bis zum Beginn der Auszahlungsphase eine solche Verwendung unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens möglich ist, wenn das dafür entnommene Kapital mindestens 3.000 € beträgt. Begünstigt ist eine Wohnung in einem eigenen Haus, eine eigene Eigentumswohnung oder eine Genossenschaftswohnung einer eingetragenen Genossenschaft, wenn sie die Hauptwohnung oder den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Zulageberechtigten darstellt (§ 92a Abs. 1 Satz 5 EStG). Der Zulageberechtigte hat die Verwendung des Kapitals bei der zentralen Stelle zu beantragen; die zentrale Stelle teilt ihm durch Bescheid mit, bis zu welcher Höhe eine wohnungswirtschaftliche Verwendung i.S. des § 92a Abs. 1 Satz 1 EStG vorliegen kann (§ 92b Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG). Den Erlass eines solchen Bescheids begehrt die Klägerin mit ihrer vorliegend zu beurteilenden Verpflichtungsklage.
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b) Zutreffend hat das FG erkannt, dass vorliegend eine unmittelbare Verwendung für die Anschaffung oder Herstellung einer solchen Wohnung nur vorliegen kann, wenn die von der Klägerin beabsichtigte Entnahme des geförderten Kapitals für die Entrichtung des Schmutzwasserbeitrags nach allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen als nachträgliche Anschaffungskosten der Wohnung anzusehen ist.
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aa) Neben den Anschaffungs- und Herstellungskosten für eine Wohnung ist auch der dieser selbstgenutzten Wohnung zuzurechnende Grund- und Bodenanteil begünstigt. Dies ergibt sich schon aus der eindeutigen Gesetzesbegründung (BTDrucks 16/9670, S. 8).
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bb) Die Definition des Tatbestands "Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung" in § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG folgt den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen (so auch schon Lindberg in Blümich, § 92a EStG Rz 4).
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cc) Die einkommensteuerrechtliche Beurteilung von Anschaffungs- wie Herstellungskosten beruht auf § 255 Abs. 1 und Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (HGB). Danach sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Dazu gehörten gemäß § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB auch die Nebenkosten sowie die nachträglichen Anschaffungskosten (vgl. nur BFH-Urteil vom 20. April 2011 I R 2/10, BFHE 233, 251, BStBl II 2011, 761, unter II.1.b, m.w.N.). Nicht entscheidend ist, ob diese Kosten bereits im Zeitpunkt des Erwerbs oder erst im Anschluss hieran als Folgekosten des Erwerbsvorgangs entstehen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12. Juni 1978 GrS 1/77, BFHE 125, 516, BStBl II 1978, 620).
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dd) Als nachträgliche Anschaffungskosten des --hier mit der Wohnung verbundenen-- Grund und Bodens sind auch grundstücksbezogene Beiträge zur Errichtung erstmaliger Erschließungsanlagen anzusehen (vgl. zum erstmaligen Anschluss an die Kanalisation nur Senatsurteil vom 15. Februar 1989 X R 6/86, BFH/NV 1989, 494). Beiträge für die Zweit-Erschließung eines Grundstücks --etwa durch die erstmalige Herstellung einer weiteren Erschließungsanlage-- sind nach der Rechtsprechung des BFH als nachträgliche Anschaffungskosten für den Grund und Boden zu aktivieren, wenn sich der Wert des Grundstücks aufgrund einer Erweiterung der Nutzbarkeit erhöht (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 2003 IV R 40/02, BFHE 204, 219, BStBl II 2004, 282, zum erstmaligen Anschluss einer zuvor nicht an die bestehende Entsorgungsmöglichkeit angebundene Restfläche an die Kanalisation). Gleiches gilt, wenn das Grundstück durch die weitere Erschließungsanlage eine erweiterte Nutzbarkeit des Grund und Bodens und damit ein höheres Nutzungspotential erfährt (BFH-Urteil vom 20. Juli 2010 IX R 4/10, BFHE 230, 392, BStBl II 2011, 35, zur zusätzlichen Einrichtung einer weiteren Zufahrts- und Zugangsmöglichkeit).
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Dagegen werden die Erschließungsbeiträge grundsätzlich nicht als nachträgliche Anschaffungskosten angesehen, wenn durch die Zweiterschließung die bereits vorhandene Erschließungsanlage nur --etwa mit dem Ziel ihrer zeitgerechten technischen Verbesserung-- ersetzt oder modernisiert wird. Es handelt sich dann um Erhaltungsaufwand. Etwas anderes gilt nur, wenn das Grundstück durch die Maßnahme in seiner Substanz oder seinem Wesen verändert wird (BFH-Urteil vom 3. August 2005 I R 36/04, BFHE 211, 112, BStBl II 2006, 369, unter II.5.a, m.w.N.). Ob dies der Fall ist, wird durch grundstücksbezogene Kriterien bestimmt, insbesondere durch Größe, Lage, Zuschnitt, Erschließung und Grad der Bebaubarkeit. Solange diese unverändert bleiben, handelt es sich nicht um eine wesentliche Verbesserung oder Veränderung. Nicht entscheidend ist, ob die Maßnahme aus anderen Gründen zu einer Werterhöhung des Grundstücks geführt hat (BFH-Urteil vom 23. Februar 1999 IX R 61/96, BFH/NV 1999, 1079, unter 1.a, m.w.N.).
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ee) In der Rechtsprechung des BFH ist nach diesen Maßstäben geklärt, dass ein bebautes Wohngrundstück mit einer Abwassergrube bereits als "betriebsbereit" gilt und sich durch den Anschluss an eine neu angelegte Kanalisation nicht wesentlich verändert. Die Ersetzung einer funktionsfähigen Abwassergrube durch den Anschluss an den öffentlichen Abwasserkanal führt nicht zu einer solch wesentlichen Verbesserung der Nutzbarkeit von Grund und Boden, als dass nachträgliche Anschaffungskosten anfielen (BFH-Urteil in BFHE 204, 219, BStBl II 2004, 282, unter 1.a, m.w.N.). Es liegt lediglich eine Modernisierung in zeitgemäßer Form vor.
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Diese Grundsätze hat das FG verkannt.
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2. Eine andere Betrachtungsweise ergibt sich selbst dann nicht, wenn die vorhandene Abwassergrube --wie die Klägerin vorgetragen hat-- ab dem Jahr 2015 nicht mehr hätte genutzt werden dürfen und deshalb bereits im Streitjahr ein Anschluss an die bestehende Kanalisation erfolgt ist. Weder im Streitjahr 2010 noch ab dem Jahr 2015 wird durch den Anschluss des Grundstücks an die zentrale Abwasserentsorgung das Gepräge des Grundstücks wesentlich verändert. Es war und blieb bewohnbar. Eine darüber hinaus gegebene Erweiterung dieser Bewohnbarkeit ist nicht erkennbar und vom FG auch nicht festgestellt worden. Entscheidend bleibt, dass die Erschließung des Grundstücks lediglich einem zeitgemäßen Standard entspricht und damit Erhaltungsaufwand vorliegt. Zudem hätten die Klägerin und ihr Ehemann auch ohne einen Anschluss ihres bebauten Wohngrundstücks an das öffentliche Abwassernetz der Gemeinde die Abwassergrube weiter betreiben dürfen.
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3. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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