Seiteninhalt im Überblick
Hintergrund des Vergütungssystems
Mit dem Gesundheitsreformgesetz hat der Gesetzgeber im Jahr 2000 beschlossen, ein leistungsbezogenes Entgeltsystem für Krankenhäuser einzuführen. Seit dem 1. Januar 2003 werden Krankenhausleistungen in Form von diagnose- und prozedurorientierten Fallpauschalen vergütet. Die dem zugrunde liegende Vorschrift, § 17 b KHG, stellte zunächst nur eine Art Projektplan dar. Der ordnungspolitische Rahmen für den Übergang wurde erst 2002 im Fallpauschalengesetz (FPG) detailliert geregelt. Die Einzelheiten des Systems sollten weitgehend der gemeinsamen Selbstverwaltung auf Spitzenverbandsebene vorbehalten bleiben.
Hintergrund für das neue Vergütungssystem war die sehr ineffiziente Krankenhausvergütung, bei der sich die Finanzierung der Krankenhausleistungen vorrangig an den Kosten der Vergangenheit orientiert. De facto bestand bis dato eine Art Selbstkostendeckungsprinzip, also ein Prinzip, bei dem die Kosten der wesentliche Maßstab für das Finanzierungsvolumen sind. Die Vergütung anhand von Fallpauschalen soll dagegen weitestgehend dem Prinzip gleicher Preis für gleiche Leistung Rechnung tragen. Für definierte Fallgruppen wie etwa Blinddarmoperationen soll in allen Krankenhäusern dieselbe Vergütung gezahlt werden.
Der Übergang zu einem Fallpauschalensystem wurde bereits in der Bundespflegesatzverordnung 1995 eingeleitet. Damals wurden für rund 20 Prozent des Krankenhausbudgets Fallpauschalen und Sonderentgelte definiert. Anders als geplant, ist es jedoch nicht gelungen, diesen Fallpauschalenanteil sukzessive auf 100 Prozent zu steigern. Deshalb wurde auf internationale Erfahrungen zurückgegriffen.
Die internationale Entwicklung von DRGs ist inzwischen fast 30 Jahre alt. Zunächst wurden DRGs als betriebswirtschaftliches Steuerungsinstrument entwickelt. Es folgte die Verwendung als Vergütungssystem im Medicare-Bereich der USA. Inwwischen wird das Instrument in mehr als 20 Ländern mit ganz unterschiedlichen Gesundheitssystemen angewendet.
Was sind Fallpauschalen (DRGs)?
Fallpauschalen (DRGs) sind ein Patientenklassifikationssystem, mit dem einzelne stationäre Behandlungsfälle anhand bestimmter Kriterien (Diagnosen, Schweregrad, Alter usw.) zu Fallgruppen zusammengefasst werden. Die meisten DRG-Systeme haben zwischen 500 und 1.000 unterschiedliche Gruppen. Darin werden Behandlungsfälle zusammengefasst, die medizinisch ähnlich und hinsichtlich des Behandlungskostenaufwands möglichst homogen sind. DRGs sind zunächst nur ein Klassifikationssystem für Fälle. Notwendiger Bestandteil eines Vergütungssystems nach DRGs sind neben der Klassifikation Abrechnungsregeln und Bewertungsrelationen. Letztere bestimmen die ökonomische Wertigkeit der DRGs untereinander. Die absolute Vergütungshöhe richtet sich nach dem jeweiligen Basisfallwert.
Stufenweise Einführung der DRGs und Landesbasisfallwerte
Das Fallpauschalengesetz (FPG) und seine zweite Anpassung (2. FPÄndG) sah mehrere Stufen für die Einführung vor:
- Im Jahre 2003 konnten die Krankenhäuser freiwillig auf das neue Vergütungssystem umschalten.
- Im Jahre 2004 war die Abrechnung von DRGs für alle Krankenhäuser und Kassen verpflichtend. Die Einführung ist dabei budgetneutral, d.h. das Krankenhausbudget wird nach klassischem Muster verhandelt, die Abrechnung erfolgt aber bereits über DRGs.
- 2005, 2006, 2007 und 2008 erfolgte bis zum Abschluss der Vergütungsreform am 1. Januar 2009 eine sogenannte Konvergenzphase, in der die krankenhausspezifische Vergütungshöhe schrittweise an ein landesweites Vergütungsniveau (einheitlicher Basisfallwert je Bundesland) angepasst wird.
- Seit 2009 rechnen alle Krankenhäuser einheitliche Preise auf Grundlage der Landesbasisfallwerte ab.
- In den Jahren 2010 bis 2014 wurden die bundesweit unterschiedlichen Landesbasisifallwerte schrittweise an einen einheitlichen Basisfallwertkorridor angeglichen, dessen Grenzen zwischen + 2,5 und - 1,25 Prozent eines einheitlichen Basisfallwerts liegen.
Umsetzung durch die gemeinsame Selbstverwaltung
Die Ausgestaltung des Systems sollte ursprünglich weitgehend der gemeinsamen Selbstverwaltung auf Spitzenverbandsebene vorbehalten bleiben. Beteiligt sind:
- der GKV-Spitzenverband, zuvor die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen,
- der Verband der Privaten Krankenversicherungen und
- die Deutsche Krankenhausgesellschaft.
Der Regelungsbedarf war und ist beträchtlich:
- Wahl eines internationalen Klassifikationssystems als Basis für das künftige deutsche DRG-System,
- Regeln für die Weiterentwicklung dieser Klassifikation,
- Ermittlung der Bewertungsrelationen,
- Definition von Abrechnungsregeln,
- Definition von Zu- und Abschlägen für Tatbestände, die nicht in allen Krankenhäusern in gleichem Maße erfüllt sind (Notfallversorgung),
- Festlegung von Kodierrichtlinien,
- Einrichtung eines Institutes zur Pflege des Systems (zunächst DRG-Institut, später Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus/ InEK),
- und vieles mehr.
Die Spitzenverbände haben zunächst einen Lenkungs- und Arbeitskreis gegründet (LAK), um die wesentlichen Regelungen zu erarbeiten. Seit April 2001 übernimmt der Krankenhausentgeltausschuss (KEA) als eine Art Steuerungsausschuss des Institutes für Entgelte im Krankenhaus (InEK) diese Funktion. Beschlüsse werden in Spitzengesprächen gefasst und in gemeinsamen Verträgen festgehalten.
Basisentscheidung australische AR-DRGs
Im Vertrag vom 30.06.2000 haben sich die Spitzenverbände auf die australischen AR-DRGs (Australian Refined Diagnosis Related Groups, Version 4.1) geeinigt. Die australische Entwicklung basiert in den Grundzügen auf den amerikanischen Systemen, ist aber insbesondere in seiner Erfassung von Komplikationen und Nebenerkrankungen sehr viel komplexer und ausgereifter. Die Übertragung ist allerdings nicht trivial, da die Australier einen sehr eigenen Prozedurenkatalog verwenden.
OPS-Erweiterung
DRG-Systeme verwenden ausschließlich Routinedaten für die Eingruppierung der Patienten. Deshalb ist es wichtig, dass die Routinedaten ausreichend differenziert sind. Insbesondere die deutsche Prozedurenklassifikation (OPS) war bisher unzureichend genau, so dass viele gruppierungsrelevante Fakten nicht abgebildet werden konnten.
Erster Schritt der Übertragung war deshalb eine Erweiterung des OPS (und eine vergleichsweise geringfügige Veränderung des ICD) zum 01.01.01. Die Anzahl der endstelligen Codes wurde von rund 7.000 auf über 23.000 erweitert.
Kodierung
Voraussetzung für eine Verwendung der Routinedaten als Abrechnungssystem ist eine einheitliche Kodierung bezüglich Diagnosen und Prozeduren. Dieses soll durch bundeseinheitliche Kodierrichtlinien gewährleistet werden, die im Jahre 2001 erarbeitet wurden (im Wesentlichen eine Übertragung der australischen Richtlinien) und die verbindlich seit 01.01.02 anzuwenden sind. Die Kodierrichtlinien werden regelmäßig überarbeitet, um den medizinischen Fortschritt, Ergänzungen der klinischen Klassifikationen, Aktualisierungen des deutschen DRG-Systems und Kodiererfahrungen aus der klinischen Praxis zu berücksichtigen.
Kalkulationshandbuch
Gemäß der ersten Vereinbarung vom 30.06.00 soll die ökonomische Wertigkeit der DRGs auf der Basis deutscher Datenerhebungen ermittelt werden. Eine möglichst große Anzahl von Häusern soll deshalb jährlich die Fallkosten kalkulieren.
Damit dies nach einheitlichen auswertbarem Schema geschieht, wurde ein Kalkulationshandbuch erstellt. Im Rahmen eines Pretests mit rund 27 Häusern wurde dieses im Jahre 2001 überprüft und überarbeitet. Laufende Anpassungen des Handbuchs aufgrund der Erfahrungen der inzwischen durchgeführten Kalkulationsrunden sollen die Qualität der Ergebnisse aus der Kalkulation stetig verbessern.
Deutsches Definitionshandbuch
Das australische Klassifikationssystem enthält selbstverständlich australische Prozedurencodes. Damit das System in Deutschland anwendbar ist, müssen im so genannten Definitionshandbuch die australischen Prozeduren durch die deutsche Nomenklatur (OPS) ersetzt werden.
Dieser Übertragungsschritt ist im Sommer 2002 geleistet worden. Aufgrund dieser Übertragung konnten die so genannten nativen Grouper programmiert werden, die vom InEK zertifiziert wurden.
Das InEK als Dienstleister für die Systementwicklung
Die Spitzenverbände der Krankenkassen, der Verband der Privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben am 10. Mai 2001 das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus gGmbH (InEK) gegründet.
Zielsetzung des Instituts ist die Unterstützung der Selbstverwaltung und deren Gremien bei der nach § 17 b KHG gesetzlich vorgeschriebenen Einführung und Weiterentwicklung des deutschen DRG-Systems.
Die Arbeitsfelder des deutschen DRG-Instituts gliedern sich u.a. in folgende Bereiche:
- Entwicklung und Pflege der DRG-Klassifikation
- Ermittlung der Bewertungsrelationen
- Ermittlung der Zu- und Abschläge
- Zertifizierung der Grouper
- Vorschläge für ICD-/OPS-Anpassungen
Um das G-DRG-Klassifikationssystem erfolgreich weiterentwickeln zu können und seine Akzeptanz zu fördern, haben die Selbstverwaltungspartner das InEK beauftragt, einen strukturierten Dialog zur Einbindung des medizinischen, wissenschaftlichen und weiteren Sachverstandes durch eine regelhaftes Verfahren zu implementieren.
Änderungsvorschläge sollen zur Qualifizierung und Bündelung sowie einer beschleunigten Bearbeitung relevanter Probleme primär nicht von Einzelpersonen, sondern über entsprechende Organisationen und Institutionen im Gesundheitswesen eingebracht werden. Die Frist für die Einbringung von Änderungsvorschlägen endet jeweils am 31. März eines Jahres.
Ersatzvornahme durch das Bundesministerium für Gesundheit
Das Fallpauschalengesetz sieht vor, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) im Rahmen einer ministeriellen Ersatzvornahme alle jene Inhalte regelt, bei denen es nicht zu einer Einigung zwischen den Selbstverwaltungspartnern kommt. Dabei kann das BMG auf das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zurückgreifen.
Durch das wiederholte Scheitern der Selbstverwaltung insbesondere in den Fragen der Abrechnungsregeln hat das BMG diesen Auftrag für das DRG-System 2003 wie auch 2004 erhalten. Im Ergebnis wurde schließlich jeweils eine Krankenhausfallpauschalenverordnung erlassen. 2005 gelang der Selbstverwaltung erstmals eine Einigung über das DRG-System.