Wie entwickelt man Qualitätsindikatoren?
Zur Entwicklung von Qualitätsindikatoren gibt es verschiedene Ansätze. Eine Methode kann darin bestehen, dass eine Gruppe am runden Tisch gemeinsam Vorschläge diskutiert. Basis sind dann individuell verfügbare Informationen sowie subjektive Einstellungen und Interessen. Dieser Ansatz hat den Vorteil, schnell und relativ einfach realisierbar zu sein. Von Nachteil ist aber, dass so entwickelte Indikatoren für andere, die sie anwenden möchten, schwierig zu begründen und zu akzeptieren sein können.
Ein zweiter Ansatz will Indikatoren ausschließlich auf veröffentlichte Evidenz aus randomisierten kontrollierten Studien stützen. Dieser “evidenzbasierte Ansatz“ hat den Vorteil, dass hieraus wissenschaftlich akzeptable Indikatoren entstehen. Er birgt aber zwei Nachteile: Erstens richtet er sich auf einen begrenzten Teil der Medizin. Denn nicht alles, was als gute Versorgung akzeptiert ist, ist in gleichem Maße untersucht, sodass manches Wichtige unberücksichtigt bliebe. Zweitens sind Ergebnisse wissenschaftlicher Studien (bei ausgewählten Patienten mit einer Reihe von Ausschlusskriterien) nicht ohne Weiteres auf individuelle Patienten und Routinehandeln in der Praxis übertragbar.
Ein dritter Ansatz beinhaltet das direkte Ableiten von Qualitätsindikatoren aus medizinischen Leitlinien, die gewöhnlich auf einer Kombination aus Evidenz und ärztlichem Konsens basieren. Er hat den Vorteil professioneller Glaubwürdigkeit und ist schnell umsetzbar. Aber auch hier ist zu bedenken, dass es nicht für alle qualitätsrelevanten Aspekte Leitlinien geben mag und dass die Anwendbarkeit von Indikatoren.
Zentrale Komponenten: Wissenschaftliche Evidenz und strukturierte Bewertung durch Experten
Das National Primary Care Research and Development Centre (NPCRDC) an der Universität von Manchester hat aufgrund dieser Einschränkungen einen vierten Ansatz übernommen. Dieser wurde vor Längerem von der RAND Corporation, Kalifornien, entwickelt. Er berücksichtigt die Bedeutung wissenschaftlicher Evidenz, aber auch die Anwendung dieser Evidenz in der medizinischen Praxis sowie die Lücken der Evidenzbasierung in einigen Teilen der Versorgung.
Das NPCRDC wählte daher zur Erstellung verständlicher und praxisnaher Qualitätsindikatoren für die ambulante Versorgung die Methode einer Kombination aus wissenschaftlicher Evidenz und einer strukturierten Bewertung durch Experten (sogenanntes modifiziertes RAND/UCLA-Verfahren). Diese Methode wurde umfassend in der hausärztlichen und spezialisierten Versorgung in Großbritannien und in den USA verwendet. Trotz einiger Kritik wird sie im Allgemeinen als die rigoroseste und systematischste Kombination aus Expertenmeinung und wissenschaftlicher Evidenz betrachtet.
Der aQua-Ansatz zur Entwicklung der QISA-Indikatoren
Der Ansatz, den das aQua-Institut bei der Entwicklung von QISA gewählt hat, ist an die RAND- und NPCRDC-Methode angelehnt. Dabei wird die Kombination von Evidenz und Expertenbewertung ergänzt um spezifische QISA-Systemanforderungen an Indikatoren und Sets.
- Wissenschaftliche Evidenz aus verschiedenen Quellen fließt ein, indem zunächst für einen QISA-Themenbereich eine Liste verfügbarer, evidenzbasierter Indikatoren erstellt wird. Zudem werden in Leitlinien, Studien oder anderen Quellen Versorgungsaspekte sondiert, von denen belegt ist, dass sie qualitätsrelevant sind. Aus solchen Aspekten leitet das aQua-Team weitere, passende Indikatoren ab, die die Indikatorenliste ergänzen und abrunden.
- Im nächsten Schritt fließen Bewertungen und Erfahrungen verschiedenster Expertinnen und Experten in den strukturierten, teils mehrstufigen Auswahlprozess ein, in dem aus der Liste möglicher Indikatoren das letztliche QISA-Indikatorenset für den betreffenden QISA-Themenbereich ermittelt wird. Kriterien sind dabei in erster Linie Relevanz und Praktikabilität, aber auch weitere übliche Anforderungen an gute Indikatoren. Neben wissenschaftlicher Expertise werden hierbei auch ärztliche Praxiserfahrungen aus Versorgung, Qualitätsmanagement und Netzwerkkooperation sowie Erfahrungen der AOK-Seite mit der Gestaltung von Versorgungsstrukturen berücksichtigt.
Nach der Erstellung des Manuskripts durchläuft jeder QISA-Band zudem in einer weiteren Stufe einen oder mehrere Reviews. - Diesem Prozess setzen die QISA-Systemanforderungen einen spezifischen Rahmen: Ihn bilden insbesondere die mit System gesetzten Themen der QISA-Bände sowie die innerhalb jedes Bandes vorgegebenen systematischen Qualitätsaspekte, die mit den Indikatoren fokussiert werden sollen.
Weitere Anforderungen beziehen sich im Zuge der Erstellung des Manuskripts auf den inhaltlichen Gesamtaufbau der QISA-Bände und die Systematik der Beschreibung der einzelnen Indikatoren. Die damit erreichte Übersichtlichkeit und Einheitlichkeit erleichtert die praktische Arbeit mit den QISA-Indikatoren.
Auf Basis dieser Methodik bietet QISA in den 14 Themenbänden wissenschaftlich akzeptable, abgewogene und auf praktische Anwendung ausgerichtete Qualitätsindikatoren an. Über die drei Entwicklungs- und Erprobungsphasen des Indikatorensystems hinweg haben sich stabile und praxistaugliche Indikatoren herauskristallisiert.