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Kriminelle Energie

Für 2025 rechnet die gesetzliche Krankenversicherung mit Rekordausgaben von 341 Milliarden Euro. Hohe Summen und eine komplexe Sozialgesetzgebung ziehen auch Betrüger an. Der AOK-Bundesverband fordert deshalb Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften.

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Person aus dem Gesundheitswesen steckt einen Geldschein in die Brusttasche. Symbolbild für Korrpuption.
iStock.com/South_agency

Unterschriften, die es nicht geben dürfte

Am Anfang stand ein Hinweis. Ein Mainzer Sanitätshaus habe Hilfsmittel zur Kompressionstherapie, sogenannte orthopädische Strümpfe, für Patienten abgerechnet, die gar nicht existierten, teilte ein Informant gegenüber der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland mit. Eine erste Stichprobe erhärtete den Verdacht. Die Schriftbilder von Unterschriften auf den Hilfsmittel-Empfangsbestätigungen glichen sich verblüffend.

Eine Befragung unter Versicherten ergab: Die Unterschriften stammten nicht von ihnen. Doch das war erst der Beginn eines viel größeren Falls.

So stellte sich heraus, dass Sanitätshausmitarbeiter nahezu nur hochpreisige, das heißt individuell anzupassende, Kompressionsstrümpfe abrechneten. Nach den Erfahrungen der AOK-Mitarbeiter verordnen Ärzte in der Region normalerweise zu rund 80 Prozent die konfektionierten und damit kostengünstigeren Hilfsmittel.

Ebenfalls auffällig: Ein Teil der Patientinnen und Patienten bekam die Hilfsmittelverordnungen nie zu sehen. Die Ärzte schickten die Papiere direkt an das Sanitätshaus. Noch ungewöhnlicher war, dass die Hilfsmittel von Arztpraxen stammten, die sich mehr als 100 Kilometer vom Sanitätshaus entfernt befanden. Wer fährt diese Distanz, um Kompressionsstrümpfe zu erhalten? Die AOK-Mitarbeiter unterrichteten die Staatsanwaltschaft.

Großteil des Schadens zurückgeholt

Das Ermittlungsverfahren ergab, dass die Geschäftsführung des Sanitätshauses mehrere Ärzte mit verdeckten Bargeldzahlungen und der Übernahme von Personalkosten und Leasinggebühren für Praxisausstattungen motiviert hatte, Verordnungen für teure Hilfsmittel auszustellen.

Am Ende verurteilte das Landgericht Koblenz beide Geschäftsführer, einen Arzt und eine Ärztin wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges sowie Bestechlichkeit. Einen Großteil des Schadens, rund 400.000 Euro, konnte die AOK zurückholen.

Der Fall ist ein Beispiel aus dem aktuellen AOK-Bericht „Fehlverhalten im Gesundheitswesen“. Der Sachverhalt beweise, dass „auch in komplexen Korruptionssachverhalten, bei denen die Täter mit enormem Maß an krimineller Energie organisiert und mit System zum Schaden der gesetzlichen Krankenversicherung korruptiv bzw. bandenmäßig zusammenarbeiten, bedeutende Ermittlungserfolge möglich sind“, heißt es in dem Report.

AOK fordert spezialisierte Staatsanwaltschaften

In den vergangenen zwei Jahren erhielten die elf AOKen rund 11.000 Hinweise auf Abrechnungsbetrug, Bestechung, Fälschung von Unterlagen oder Missbrauch von Gesundheitskarten – etwa 14 Prozent mehr als noch im Berichtszeitraum zuvor (mehr dazu im Interview mit Patrick Sievert). Insgesamt verfolgten die AOKen knapp 14.000 Fälle.

Der AOK-Bundesverband forderte kürzlich, dass alle Bundesländer Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften einrichten.

Knut Lambertin, alternierender Aufsichtsratsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes für die Versichertenseite, sagte: „Aufgrund der Komplexität des Gesundheitswesens und des Sozialversicherungsrechts sind die Ermittlungsverfahren in diesem Bereich eine absolute Spezialmaterie.“ Umso wichtiger, so Lambertin, sei „eine Bündelung der Expertise in Staatsanwaltschaften“, die sich durchgängig mit diesem Thema beschäftigten.

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