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„Das Personal des gesamten Hauses muss diszipliniertes Hygieneverhalten sicherstellen“

Bei Implantationen künstlicher Hüftgelenke entscheidet die Infektionsprophylaxe maßgeblich über den Op-Erfolg. Thorsten Gehrke über mögliche Risiken, deren Vermeidung und die Vorteile von Spezialkliniken.

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Porträtfoto von Dr. Thorsten Gehrke, Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin und Ärztlicher Direktor der Helios ENDO-Klinik Hamburg. Mitglied im QSR-Expertenpanel Endoprothetik.
Helios ENDO-Klinik Hamburg
Interview mit:

Dr. Thorsten Gehrke

Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin und Ärztlicher Direktor der Helios ENDO-Klinik Hamburg. Mitglied im QSR-Expertenpanel Endoprothetik

Herr Dr. Gehrke, eine häufige Komplikation bei Hüftgelenk-Operationen sind Infektionen. Wie sieht eine gute Infektionsprophylaxe aus?

Infektionen sind nicht die häufigste Komplikation – die durchschnittliche Infektionsrate bei Knie- und Hüftgelenk-Op liegt bundesweit zwischen ein und zwei Prozent. Allerdings sind Infektionen die schwerwiegendste Beeinträchtigung. Deshalb muss das Personal des gesamten Krankenhauses ein sehr diszipliniertes Hygieneverhalten sicherstellen. Bei uns beträgt die Infektionsrate 0,3 Prozent.

Wie erreichen Sie einen Wert so weit unter dem Durchschnitt?

Zunächst sind wir eine reine Elektivklinik. Das heißt, wir behandeln keine Notfälle, sondern nur Patienten, deren Operationen wir planen können und von denen wir sicher sind, dass sie nicht infiziert sind. Bei der geringsten Erhöhung von Infektionsparametern im Blut verschieben wir die Op. Wir schauen genau auf Hochrisikopatienten, etwa auf Menschen mit schlecht eingestelltem Diabetes oder schwerer Adipositas, bei denen das Infektionsrisiko oft höher ist als bei Normalgewichtigen. Das geht bis zu scheinbaren Kleinigkeiten, etwa, dass Patienten, die rauchen, spätestens ab sechs Wochen vor einem Eingriff auf Tabak verzichten müssen.

Warum haben Menschen mit Adipositas ein erhöhtes Infektionsrisiko?

Bei Operationen von adipösen Patienten entstehen größere Wundflächen als bei Menschen mit weniger Gewicht. Größere Wundflächen heißt: größere Angriffsflächen für Keime. Außerdem ist in solchen Fällen häufig die Immunabwehr geschwächt, manche Menschen leiden unter dem metabolischen Syndrom. Bei uns in der Klinik operieren wir Menschen mit einem Body-Mass-Index von mehr als 40 in der Regel nicht.

Müssen diese Menschen auf ein neues Hüftgelenk verzichten?

Nein. Aber wir empfehlen beispielsweise zunächst eine Diät oder überweisen sie in Adipositas-Ambulanzen, wo spezialisierte Kollegen von individuellen Abnehm-Programmen bis hin zur Adipositas-Chirurgie, etwa Magenverkleinerungen, diverse Risikofaktoren minimieren können.

Abgesehen vom Status als Elektivklinik und einem besonderen Augenmerk auf Risikopatienten – wie organisieren Sie die Hygieneprophylaxe im OP-Saal?

Ein wichtiger Punkt: Sehr diszipliniertes Verhalten am Op-Tisch. Beispielsweise muss die Kommunikation zwischen allen Beteiligten auf ein Minimum reduziert werden.

Wie viele Menschen sind an einer Hüftgelenk-Op beteiligt?

In Deutschland sind es sieben: Operateur, erster Assistent, zweiter Assistent, eine OP-Schwester oder ein OP-Pfleger zum Reichen der Instrumente. Dazu kommen Narkosearzt und Narkoseassistent. Da sind schon mal sechs Leute, die nah an der Wunde stehen. Außerdem eine Fachkraft, die Komponenten, etwa die Prothese, aus dem unsterilen Bereich in den sterilen Bereich reicht.

Bei sieben Beteiligten funktioniert eine Op aber kaum kommunikationslos.

Sicher müssen wir uns auch austauschen. Aber nur minimal. Wenn ich während der Op der Instrumentenschwester die Hand hinhalte, reicht sie mir das jeweils passende Instrument wortlos. Ein Vorteil hochspezialisierter Kliniken, in denen das Operationsspektrum relativ klein ist. Zudem arbeiten bei uns ausschließlich sehr erfahrene Kollegen und wir haben im Team kaum Fluktuation.

Wie viele Operationen werden in der ENDO-Klinik Hamburg jedes Jahr durchgeführt?

Wir sind 19 Chirurgen und implantieren jährlich rund 3.000 Hüftgelenke, dazu kommen 3.000 Kniegelenke und eine hohe Zahl an Revisionsoperationen. Der Rest sind Wirbelsäulen-Operationen und Sport-Orthopädie. Insgesamt kommen wir auf etwa 10.000 Operationen. Zwischen 250 und 300 Hüftgelenke im Jahr operiere ich selbst.

Eine Mindestanzahl an Operationen gilt als Qualitätskriterium. Wie viele Hüftgelenke muss ein Operateur implantieren, um ein hohes Niveau im Bereich Patientensicherheit zu erreichen?

Die Datenlage zum Volume-Outcome-Zusammenhang zeigt: Etwa 100 Hüft-Op jährlich sollte ein Chirurg mindestens durchführen. Endoprothetik ist Handwerk. Wir arbeiten mit Messern, Feilen, Fräsen und Kilohämmern. Sie lassen sich zu Hause ja auch keine Küche von jemanden einbauen, der so etwas zwei Mal im Jahr macht, sondern suchen Experten mit viel Erfahrung im Möbelbau.

Infektionsprophylaxe und Mindest-Op-Zahlen sind zwei Qualitätsindikatoren. Welche Komplikationsmöglichkeiten existieren darüber hinaus?

Neben den allgemeinen Operationskomplikationen wie Thrombosen, Embolien und Nervenschäden gibt es in der Hüft-Endoprothetik im Wesentlichen drei spezifische Komplikationsvarianten. Eine der häufigsten und schmerzhaftesten Komplikationen ist die Prothesenluxation, also eine Hüftgelenkauskugelung, beispielsweise nach Stürzen oder bestimmten Bewegungen. Die Ursache dafür kann eine nicht ganz optimale Positionierung der Hüftprothese sein.

Ein zweites Problem ist die sogenannte Beinlängendifferenz, wenn nach dem Einbau des Hüftgelenks ein Bein plötzlich einige Zentimeter länger ist als das andere. Für Patienten ist das nicht lebensbedrohlich, aber sehr unangenehm, weil sie in diesem Fall mit einer Schuherhöhung auf einer Seite laufen müssen. Wir versuchen, das zu vermeiden, indem wir mit Hilfe von Computersimulationen Prothesengrößen, Prothesenlängen und Prothesenpositionen präoperativ möglichst genau planen. Eine dritte Variante kann die Auslockerung der Prothese sein. In diesem Fall ist eine Revisions-Op nötig.

Im vergangenen Jahr implantierten Chirurgen in Deutschland rund 178.000 Hüftgelenke, 2022 waren es mehr als 255.000. Wird hierzulande in diesem Bereich zu viel operiert?

Es mag sein, dass manche Chirurgen zu früh und zu viel operieren. Deren Anzahl halte ich jedoch für vernachlässigbar. Dass in Deutschland so viele Hüftgelenke eingesetzt werden, resultiert aus meiner Sicht aus dem einfachen Zugang zu dieser Operation. Wir haben hierzulande viele darauf spezialisierte Kliniken, viele Operateure und Patienten bekommen normalerweise innerhalb von einigen Wochen oder maximal wenigen Monaten einen Op-Termin. Zum Vergleich: In England beträgt die Wartezeit auf eine Erstimplantation für Betroffene, die nicht privat versichert sind, bis zu drei Jahren.

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, wann eine Op nötig ist?

Das wichtigste Kriterium ist die Reduktion der Lebensqualität durch Immobilität und Schmerzen. Wenn eine konservative Therapie, etwa Gewichtsabnahme, Krankengymnastik, zeitweise Einnahme anti-entzündlicher Medikamente oder Schmerzmittel über einen Zeitraum von ungefähr sechs Monate erfolglos verlaufen ist, sollte man normalerweise operieren. Ein zweites Kriterium ist ein adäquates Röntgenbild, auf dem man erkennt, dass tatsächlich ein Gelenk verschlissen ist. Es existieren ja auch andere Ursachen für Hüftschmerzen. Manchmal finden wir den Auslöser in der Wirbelsäule. Bevor wir operieren, müssen wir sicher sein, dass ein Gelenk verschlissen ist.

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Eine aktuelle AOK-Analyse zeigt: Patienten, denen die Implantation eines künstlichen Hüftgelenkes bevorsteht, können durch die Wahl einer Klinik mit guten Qualitätsergebnissen das Komplikationsrisiko deutlich senken.

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