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Proaktive Ansprache für Rückenschmerz-Patienten

Im Projekt „Zugangsoptimierte Arbeitsfähigkeitsorientierte Rehabilitation“ (ZAR) soll Patienten mit chronischen Rückenschmerzen frühzeitig eine medizinische Rehabilitation angeboten werden. Dazu werden mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) die Routinedaten der Versicherten ausgewertet und in der Folge die Betroffenen proaktiv angeschrieben.

News Reha & Vorsorge
Interview mit:

Melanie Reinisch

Melanie Reinisch ist Geschäftsbereichsleiterin Versicherung und Einnahmen bei der AOK Bayern

Frau Reinisch, die Daten der Versicherten sind ein wertvolles Gut und …

… ein sehr sensibles Material.

Was hat die AOK Bayern daran gereizt, diese Routinedaten für das Projekt ZAR auswerten zu lassen?

Das Projekt sorgt für den geschützten Rahmen, um diese wichtigen Informationen zu den unterschiedlichen Diagnosen, den Fehlzeiten, den Therapien und der Behandlungsdauer auszuwerten – und zwar im Sinne der Versicherten. Der Datenschutz gibt vor, dass sensible Gesundheitsdaten niemals unser Haus verlassen. Und das können wir im Rahmen von ZAR gewährleisten.

Im Sinne der Versicherten auswerten – was meinen Sie damit?

Die AOK bietet viele Programme, Kurse oder Apps zur Gesundheitsförderung und Prävention an, die den Betroffenen helfen und deren Gesundheit stabilisieren können. Viele Patientinnen und Patienten kennen die Angebote der Krankenkassen jedoch gar nicht. Und die behandelnden Ärztinnen und Ärzte haben darüber keinen Überblick, so dass sie ihre Patienten auch nicht darauf aufmerksam machen können. Das Projekt ermöglicht es, dass wir den Dschungel an Gesundheitsleistungen etwas lichten und Versicherte proaktiv auf potenziell passende Angebote hinweisen.

Die Präventionsprogramme werden nicht ausreichend angenommen - warum?

Ich denke, es ist sehr menschlich. Viele von uns werden erst dann für die eigene Gesundheit aktiv, wenn die Beschwerden auftreten und diese nicht mehr zu ignorieren sind. Als Krankenkasse sind wir gerade in der Prävention und Gesundheitsförderung sehr aktiv. Wir informieren in den unterschiedlichen Lebenswelten und besuchen beispielsweise Betriebe, um die Beschäftigten zur Gesundheit aufzuklären und sie anzuregen, selbst aktiv zu werden.

Im Projekt ZAR geht es um chronische Rückenschmerzen. Wie kam es dazu?

Muskel- und Skeletterkrankungen zählen neben den psychischen Erkrankungen zu den häufigsten Diagnosen in Deutschland. Da das Projekt ZAR ein rehabilitationswissenschaftliches Forschungsprojekt ist und ausreichende Fallzahlen dafür nötig sind, lag es nahe, mit diesem Krankheitsbild anzufangen. Langfristig können weitere Diagnosen hinzukommen.

Es ist eher ungewöhnlich, dass Krankenkassen und Rentenversicherung direkt kooperieren. Warum machen Sie das?

Grundsätzlich gilt doch: Alles, was die Versicherten gesund erhält, ist gut für jeden Kostenträger in der Gesundheitsversorgung – ganz unabhängig davon, wer die Kosten der medizinischen Leistung am Ende übernimmt.

Wir alle haben den gesamtgesellschaftlichen Auftrag, die Bürgerinnen und Bürger gesund zu erhalten und entsprechende gesundheitsfördernde oder präventive Programme aufzulegen.

Aus meiner Sicht ist es ein super Service für die Versicherten, wenn die eigene Krankenkasse auf Basis der individuellen Daten etwas vorschlägt, was genau dem Betroffenen weiterhelfen könnte. Die Idee, einen Prototypen für die Zusammenarbeit zu entwickeln und mittelfristig ein solch proaktives Angebot in der Regelversorgung zu implementieren, finden wir gut. Wir als AOK sind da gerne Vorreiter.

Sie betonten eingangs, dass die sensiblen Gesundheitsdaten nicht das Haus verlassen. Die AOK stellt die Daten zur Auswertung bereit. Wie funktioniert das denn?

Die Daten werden anonymisiert und aufbereitet, um vergangene Krankheitsverläufe von berufstätigen Versicherten zu analysieren. Ziel war es, Merkmale zu identifizieren, die typisch für Patienten mit Rückenschmerzen sind und die von einer Reha profitieren könnten. Das Team am Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung der Universität Ulm hat basierend darauf einen Algorithmus entwickelt, der nun auf die aktuellen Routinedaten der AOK angewendet wird, um potenziell betroffene Versicherte zu erkennen. Die Kundenberater der AOK Bayern schreiben die berufstätigen Versicherten an. Sie bieten gezielt eine medizinische Reha an und stehen bei Interesse unterstützend zur Seite. Die größten Vorteile für unsere Versicherten sind dabei das verkürzte Antragsverfahren und eine zügige Bewilligung. So kann die notwendige Reha schnell in Anspruch genommen werden und zur verbesserten Lebensqualität beitragen.

Wird das Angebot angenommen?

Zunächst, zum Hintergrund: Die Uni Würzburg begleitet das ZAR-Projekt wissenschaftlich. Für die Studie wurde eine Interventions- und eine Kontrollgruppe gebildet. Daher wurden 500 der ausgewählten Versicherten sowohl eine Reha wie auch die Teilnahme an einer klinischen Studie vorgeschlagen, weiteren 500 nur die Teilnahme an der Studie. Durch den Vergleich mit der Kontrollgruppe kann später ermittelt werden, wie wirksam die Reha war.

Die Resonanz auf die ersten Schreiben war überaus positiv: 148 haben sich für die Reha und die klinische Studie angemeldet, weitere 110 waren bereit, nur bei der Studie teilzunehmen. Weitere Schreiben haben wir im Oktober und November versandt. Bis Anfang 2025 sollen insgesamt 2.000 Menschen mit chronischen Rückenschmerzen angesprochen werden.

Weiterführende Informationen

Die aktuelle Ausgabe als PDF

Lesen Sie jetzt die gesamte Ausgabe.

Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Gründen für Arbeitsunfähigkeit. AOK Bayern und DRV- Nordbayern wollen helfen, die Zahl der Menschen, die krankheitsbedingt langzeitarbeitslos sind oder eine Erwerbsminderungsrente beantragen müssen, zu senken.

Format: PDF | 802 KB

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