Depressionen: Es trifft Jung und Alt
12,5 Prozent der Bevölkerung leiden unter einer Depression, so das Ergebnis des aktuellen Gesundheitsatlas Deutschland.
Zahlen des Gesundheitsatlas Deutschland
Jüngere Menschen zwischen 10 und 24 Jahren sowie Ältere ab 65 Jahre waren während der Corona-Pandemie besonders gefährdet, an einer Depression zu erkranken. Das belegen die Zahlen des aktuellen Gesundheitsatlas Deutschland.
Die Depressionsprävalenz ist in beiden Altersgruppen in den Jahren 2019 bis 2022 deutlich gestiegen – bei den Jungen von 3,2 auf 3,7 Prozent und bei den Älteren von 19,3 auf 20,3 Prozent. Insgesamt waren demnach 2022 rund 9,49 Millionen Menschen in Deutschland an einer Depression erkrankt. Damit haben die diagnostizierten Erkrankungen mit einem Bevölkerungsanteil von 12,5 Prozent einen neuen Höchststand erreicht, heißt es in der Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO).
Quer durch alle Generationen sind vor allem Frauen gefährdet, eine Depression zu entwickeln. Unter den 60- bis 64-Jährigen ist mehr als jede fünfte Frau und fast jeder sechste Mann betroffen. Der höchste Anteil an Betroffenen wird mit 27,7 Prozent bei den 80- bis 84-jährigen Frauen erreicht, bei den Männern findet sich dieser in der Altersgruppe ab 90 Jahren mit 17,6 Prozent. „Einsamkeit ist ein zentraler Risikofaktor für das Entstehen einer Depression. Insbesondere junge und ältere Menschen zählen zu den vulnerablen Gruppen. Menschen in hohem Alter waren während Pandemiezeiten häufig allein und isoliert“, erklärte Helmut Schröder, WIdO-Geschäftsführer bei der Vorstellung der Studie.
Volkswirtschaftliche Kosten von Depressionen
Die Relevanz der Erkrankung für die gesamte Gesellschaft zeigt sich auch bei den volkswirtschaftlichen Kosten. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes entfallen 2,2 Prozent (9,5 Milliarden Euro) der Krankheitskosten auf Depressionen. Neben direkten Kosten für Diagnostik und Therapie entstehen zusätzliche indirekte Kosten durch krankheitsbedingte Fehltage. So fehlten betroffene Patienten durchschnittlich 43 Tage an ihrem Arbeitsplatz. Auf die 34,5 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2022 hochgerechnet, ergeben sich daraus 53,8 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage und Produktions-Ausfallkosten in Höhe von etwa 6,9 Milliarden Euro. Der Anteil der Depressionen an den gesamten volkswirtschaftlichen Kosten durch Arbeitsunfähigkeit beläuft sich somit auf 7,7 Prozent.
Für den Gesundheitsatlas wurden die Daten der AOK-Versicherten ab einem Alter von zehn Jahren ausgewertet und auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet. Eine Analyse betraf die Verteilung der Erkrankungen in den Bundesländern und Regionen. Sachsen (11,1 Prozent), Mecklenburg-Vorpommern (11,2 Prozent) und Brandenburg (11,4 Prozent) sind demnach die Bundesländer mit der niedrigsten Krankheitshäufigkeit. Am stärksten betroffen sind die Einwohnerinnen und Einwohner im Saarland (14,2 Prozent), in Hamburg (13,5 Prozent) und in Hessen (13,4 Prozent).
Deutliche regionale Unterschiede bei Diagnosen
Noch deutlichere Unterschiede zeigen sich auf Ebene der 400 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland: Besonders hohe Prävalenzen finden sich in einigen Regionen im Westen und in der Mitte Deutschlands, in Hamburg, Berlin sowie im Norden und Osten Bayerns. Spitzenreiter mit einem Anteil von 17,7 Prozent an Betroffenen ist Offenbach am Main, danach folgen Nürnberg (16,6 Prozent) und Remscheid (16,4 Prozent). Die Regionen mit dem geringsten Anteil an Patientinnen und Patienten mit Depression sind Heidelberg mit 8,4 Prozent sowie die Kreise Waldshut (8,9 Prozent) und Rotenburg an der Wümme (9,2 Prozent).
Auch in einem „fairen“ Vergleich“, in dem die Prävalenzen um die unterschiedlichen Alters- und Geschlechtsstrukturen der Regionen bereinigt sind, unterscheiden sich die Regionen deutlich: Waldshut liegt mit 8,9 Prozent weiterhin im unteren Bereich, während in Offenbach am Main der Anteil auf 20,1 Prozent steigt. „Da die Spanne im fairen Vergleich zunimmt, kann die Verteilung der Depressionshäufigkeiten nicht allein auf Alters- und Geschlechtsstrukturen zurückgeführt werden“, sagt Schröder. Zwar sei das Krankheitsbild zwischenzeitlich mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, dennoch bleibe das Bild über die Betroffenen oft von Vorurteilen und Stigmata geprägt. Das könne Patientinnen und Patienten stark belasten, so Schröder. Die Daten des Gesundheitsatlas Deutschland sollen dazu beitragen, Wissenslücken beim Thema Depressionen zu schließen, ein Bewusstsein für die große Bedeutung dieser Erkrankung zu schaffen und Berührungsängste abzubauen.
Weiterführende Informationen
Die aktuelle Ausgabe als PDF
„Ärzte müssen die richtigen Fragen stellen“ Wie sind aktuelle Statistiken zur Häufigkeit von Depressionen einzustufen? Ulrich Hegerl von der Stiftung Deutsche Depressionshilfe gibt im Interview Antworten. Und erläutert, welche Fragen im Patientengespräch wichtig sind.
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